Nachdem mich das Buch schon eine lange Zeit aus dem Bücherregal herausfordernd angeschaut und ich mich stets vor der englischen Sprache versteckt hatte, kam mir der Einfall, das Buch doch einfach zu übersetzen, so daß ich es nicht auf Englisch lesen muß. Es handelt sich im vorliegenden Text um die deutsche Erstübersetzung des Buches. (Das Grundgerüst ist mit einer KI gebaut worden und das Lektorat erfolgte Satz für Satz manuell.) Wenngleich die stilistische Note des Autors schlecht ins Deutsche übersetzt werden kann – und mehr wie eine Karikatur anmuten würde –, kommt die inhaltliche Komponente sinngemäß zur Geltung und bietet sowohl dem Faulen als auch dem Anglophoben die Möglichkeit, sich der außergewöhnlichen Philosophie zu nähern. Die Übersetzung erfolgt ohne expliziter Zustimmung des Verfassers, aber keine Antwort kann man schließlich auch als ein »Ja« werten. Für den Fall, daß eine schwule Klage mir regenbogenartig am Horizont erscheint, empfehle ich Euch, den Text herunterzuladen oder das Buch einfach im Original zu kaufen. Am Ende des Manifests findet Ihr eine PDF-Datei. Gute Reise!
PROLOG
Dies ist kein Buch der Philosophie. Dies ist ein Aufruf. Ich habe kaum etwas zu sagen zu denen, die nicht wie ich sind, und noch weniger liegt mir daran, sie zu überzeugen. Was hier vorliegt, ist der Bericht meiner Träumereien. Ich habe versucht, so kurz und einfach wie möglich die Gedanken darzulegen, die mich antreiben, und das Problem zu beschreiben, vor dem das Leben im Aufstieg wie im Verfall steht. Überredet, dieses Buch zu schreiben, wurde ich von gewissen Fröschen. Sie sagten: »Ist es nicht eine Schande, daß Scharlatane Lügen verbreiten und ihre schmutzigen Lehren überall in empfängliche Geister ergießen? Perversionen – lahme dazu – werden zu Tausenden geboren und spuken wie unzählige verkrüppelte Zwerge in Spiegelsälen durch die Welt, durch Bücher, durch das Internet. Geister gehen verloren. Wenn du noch länger wartest, wird alles zu Müll zermalmt, nichts wird übrigbleiben – die ganze Welt wird zu einer bulgarischen Raststättentoilette. Aber hast du den Film Midnight Express gesehen … und wie hat er dich fühlen lassen?«
Meine Froschfreunde rissen mich aus meinem Dämmerzustand, und ich erkläre euch mit großer Kühnheit, daß ich hier bin, um euch vor einer großen Häßlichkeit zu retten. Wenn du in die Augen mancher Menschen blickst, siehst du eine Art wahnsinnige Energie – pure Wut oder bloße Machtgier, weiter nichts. Ich hasse es, diese Seiten mit Namen von Nichtsen unserer Zeit zu beschmutzen. Doch sieh dir Hillary Clintong oder Adam Schiff an – ihre aufgedunsenen Augen, vollgepumpt mit Stimulanzien, Antidepressiva oder wer weiß was – du erkennst, was ich meine. Eine Falte um das Auge verrät es: der Blick eines Cyborgs, der vom Skript abgekommen ist. Diese Wesen blicken nicht mehr menschlich, sie dienen fremden Mächten. Auch die Chefs der EU-Bürokratie tragen diesen Ausdruck – winzige Maulwurfsaugen hinter schmalen Brillen, Linsen, die das Licht wie tote Insektenaugen spiegeln. Auch die toten Roboterblicke jener neuen Mensch-Automaten, die in Ämtern sitzen, den Verkehr verwalten oder als Zombies unter bösartigem gelbem Neonlicht die Sicherheit in Flughäfen und »Gesundheits«zonen überwachen, sprechen dieselbe Sprache.
Ich wollte den düsteren Schatten einer Bewegung aufdecken, die hinter den sichtbaren Ereignissen unserer Zeit – und schon weit davor – verborgen wirkt. Eine große Macht, ein Geist, der sich in Dunkelheit verbirgt, längst absorbiert von Ländern und Völkern, so tief, daß ihre Spuren kaum noch sichtbar sind. Übrig bleibt nur ein unheimliches Flimmern auf Dingen und in Gesichtern. Ähnliches sagte man einst über Hades. Es hieß, er schäme sich, wenn ein anderer Gott den Schleier über der Unterwelt lüfte und all die Abscheulichkeiten sichtbar würden. Doch kennt der Hades unserer Zeit überhaupt noch Scham?
Auch unter dem Meer verbergen sich solche Dinge – ekelhaft, furchterregend, und sichtbar nur, wenn die See sich vor einem großen Sturm zurückzieht. Ich werde den Vorhang dieser Eisernen Zelle aufreißen und dir zeigen, wo du wirklich lebst … Die geheimen Dinge offenbaren sich im Traum. Heraklit sagte: »Alles, was du wach siehst, ist Tod, alles, was du schlafend siehst, ist Schlaf.« Verschlüsselung war seine Absicht. In seiner Zeit erschienen Götter, klauenfüßige Satyrn und andere Gestalten dem Menschen im Traum.
Deine Seele ist geistig ganz durchweicht, und ein riesiges Loch klafft darin – ein Eingang, durch den monströse Mächte dein Gehirn ficken und all deine Lebens- und Fokuskraft zerstreuen. Du siehst dich nicht, wie du wirklich bist – doch vielleicht zeigt dir ein Albtraum das wahre Bild. Ich bin hier, um dir den Weg hinauszuweisen.
Empedokles – ein Philosoph, ein Mann hoher Vision – warf sich in den Vulkan Ätna auf Sizilien, im Wissen, als Gott wiedergeboren zu werden. Stell dir vor, du stehst dort am Kraterrand. Trockener Sand unter den Füßen, Hitze auf der Haut. Nicht wie erträumt – nichts Romantisches liegt in diesem Ort. Nur Hitze, Trockenheit, ein stechender Gestank von Schwefel, feuchter Erde, faulendem Gestein. Ein Instinkt regt sich: Flieh. Die rohe Brutalität des Ortes trifft dich unvermittelt, dein Gleichgewicht gerät ins Wanken, während du in die Tiefe starrst. Geschmolzenes Gestein steigt dir in die Nasenlöcher. Keine heldenhafte Furcht, kein erhabener Schrecken – nur die dumpfe Banalität eines grauen Staubes, der zu heiß geworden ist. Grau und Schwarz. Erinnerungen steigen auf: ein heißer Sommertag an einer verlassenen Tankstelle, gestrandet auf einer Schotterstraße, erstickt von Staub und Hitze. Du siehst Flammen im Abgrund, doch keine Spur von der erhofften Erhabenheit. Nichts, das dein Auge rührt – und du weichst zurück. Keine Wiedergeburt als Gott – du bleibst ein Maultier. Und dein lügender Verstand bietet dir sogleich Gründe für den Rückzug: ein gutes Essen, ein Glas Wein, vielleicht eine junge Frau, deren warme Muschi dich erwartet. Empedokles war getäuscht.
Doch spring nicht in den Ätna, auch nicht in den Mauna Loa, Puyehue oder Eyjafjallajökull, Titanen der Erde. Selbst wenn du den Mut aufbrächtest – diese Portale haben sich vor Äonen verschlossen. Und andere Türen sind ebenfalls versiegelt. Was der Ätna für Empedokles war – existiert so etwas noch für dich? Gab es das je?
Das Leben trägt in sich ein Drängen, das über sich hinaus will. Ich nenne es den intergalaktischen Wurm – doch mehr kann ich hier nicht sagen, du mußt warten. Wer sich diesem Drängen verweigert, ist tot. Der größte Teil der Menschheit geht tot umher.
Ich erzähle dir eine andere Geschichte. In der Steinzeit erschien ein Mann mit breiten Schultern und einer Keule in der Hand. Die Menschen hielten ihn für den Sohn eines Gottes – geboren von einer Frau, die ihren Mann mit einem göttlichen Wesen betrogen hatte. Schon als Kind zeigte er übermenschliche Kraft. Als Erwachsener zog er sich in die tiefste Wildnis zurück, um dem großen Höhlenlöwen gegenüberzutreten. Er kehrte zurück, das Fell des Löwen über die Schultern geworfen. Der Löwe hatte Menschen gefressen und ganze Gegenden in Schrecken versetzt – nun trug der Mann ihn auf dem Rücken, die Mähne auf dem Haupt, die Keule in der Hand. Die Menschen verehrten ihn, seine Nachkommen wurden zu Königsgeschlechtern – in Sparta und anderswo. Sein Gründungsakt: das Schlachten von Monstern, die Erschließung der Seewege, das Zähmen des Felsmassivs. Doch vergiß das Löwenfell auf seinen Schultern nicht. Der Löwe von Nemea war sein Gegner.
Verstehst du, was Nemesis bedeutet? In der Natur wirkt eine große reinigende Kraft. Affen wechseln in bestimmten Zeiten das Geschlecht. In überbevölkerten Seen mit reptilischer Fauna entstehen durch einen Auslösemechanismus gewaltige Kreaturen – übergroße Echsen, geboren, um den Bestand zu dezimieren. Die Griechen verehrten diese Gewalt als Gerechtigkeit. In der Bibel erscheint sie in der Gestalt der Flut – doch sie ist nichts anderes als das Bild der Seevölker, als Zeichen göttlicher Vergeltung über Städte, deren Leben sinnlos geworden war und die eine große Häßlichkeit in die Welt gebracht hatten. Ein gezähmtes Löwenjunges wächst heran – und wird, wie Aischylos sagt, ein Priester des Untergangs.
In der Natur herrscht eine unaufhaltsame Kraft, und ihre Wut über die Überzahl der Massen ist göttliche Gerechtigkeit. Ihre Zerstörung schwacher Konstrukte der Vernunft, sinnloser Worte – sie ist schön. Wenige sind berufen, diese Macht zu führen. Noch weniger erkennen ihre Berufung oder wissen, was zu tun ist. Wenn Herkules die Kraft der Nemesis auf sich nimmt, wird er zum Helden, der die Welt zähmt und für Städte echter Männer sicher macht. Doch das war seine Zeit. Unsere lebt im Überfluß – und fordert eine andere Antwort. Der Stern der Nemesis wird zurückkehren und in manchen von euch muß er längst brennen.
In der Bronzezeit lebten Männer, die noch Kraft besaßen. Und ich sehe bereits, fern am Horizont, ein Leuchten – möge es kein Trugbild sein! –, ein Flackern des alten Geistes. Piratenbanden und Bruderschaften werden die Meere zurückerobern – und nicht nur die Meere. Die Feinde des westlichen Menschen, die Feinde der Schönheit, werden erfahren, was es heißt, einer piratischen Rasse zu begegnen – einem Nest von Piraten, wie die Chinesen einst die Holländer nannten. Ich will euch vorbereiten, diesen uralten Geist zu empfangen. Alte Geister regen sich, schleichen aus dem Schilf hervor … eine Silhouette flackert über dem Fluß im Spätsommer. Und ich sehe bereits Männer, die wissen, wie man solchen unheimlichen alten Freunden begegnet. Mögen sie uns wieder bewohnen – und uns die Kraft geben, diese Welt vom Abfall zu reinigen!
Teil I: Die Flamme des Lebens
1
Was, wenn du über das, was Leben ist, getäuscht wurdest? Sie tun das, indem sie dir zwei rote Marionetten vorhalten und sie vor deinen Augen schütteln – und du bleibst wie hypnotisiert, klatschst wie ein dressierter Seehund. So war es in der Politik vor dem letzten Jahr. In den Jahren vor Trump hattest du auf der Rechten die fetten, kahlen Vielfraße, die man in einem Kampfring gegen die Janet Renos stellte – gegen Frauen mit Pick-up-Trucks, gegen die dünnlippigen Transmännchen der Linken. Und selbst gute Leute waren von diesem Schauspiel hypnotisiert. Es war ja auch komisch zu sehen, wie ein fetter, kahler Mann versucht, einer Frau mit starken Unterarmen und Vokuhila die Augen auszukratzen, während beide schäumende Münder hatten. Sie sagten nichts, sie grunzten bloß wie Schweine und wiederholten vorgefertigte Plattitüden und Formeln. Doch währenddessen litt die Nation, und die Zukunft der Jugend wurde verschenkt.
Wenn sie dich über das, was Leben ist, täuschen, ist das noch schlimmer, weil du das Problem nicht sofort erkennst … aber dann, sechzig Jahre später, tritt es zutage: Deine Enkel existieren nicht, oder sie sind zu 56 % humanoid und huschen zwischen Schatten hin und her, oder sie tragen edle Kraft in sich, müssen sich aber unter halbfertigen Gebäuden verbergen, weil sie gejagt werden. Aber du mußt verstehen: Sowohl die Linke als auch die Rechte wurden über das, was Leben ist, getäuscht.
2
Eine Herde Pferde auf einer weiten Ebene – der Leithengst wird von einem wilden Geist ergriffen, galoppiert hierhin und dorthin, und die ganze Herde folgt in einem wuchtigen Ansturm von Kraft und Freiheit. Nietzsche spricht davon. Ich selbst habe vieles dieser Art gesehen. Ich stand an einem großen Wasserfall, einem Sammelplatz zahlloser Vögel und anderer Tiere. Über alle Zyklen der Geschichte hinweg besteht dieser Ort fort. Die Vögel, Zeugen des Kommens und Gehens menschlicher Zivilisationen, tragen die Erinnerung durch die Äonen und kehren stets dorthin zurück. Ich sah Schwärme kleiner Vögel, während sich das Wetter leicht veränderte. Der Wasserfall war so mächtig, daß schon ein lauer Wind überall Sprühnebel erzeugte. Die Sonne brach hinter den Wolken hervor, Regenbögen flackerten in zahllosen Farben, und die Vögel wurden lebendig – sie schossen aus den Felsspalten, flatterten umher, jagten durch die Regenbögen, berauschten sich an ihnen, flogen Kapriolen, hierhin, dorthin.
So wie Homer beschreibt, wie auf einer asiatischen Wiese Scharen von Gänsen, Kranichen und langhalsigen Schwänen sich an der Kraft ihrer Schwingen erfreuen und dann, unter lautem Getöse, zwischen den Flüssen der skamandrischen Ebene landen. Und wozu das alles? Reicht es, einfach zu fragen, welchen Zweck dieses Verhalten für Überleben oder Fortpflanzung haben soll? Sicherlich wird ein Pedant eine Geschichte dazu erfinden. Aber wer das sieht, empfindet es nicht als fremd. Vielleicht warst auch du – in deinen glücklichsten Momenten – frei, ebenso zu handeln und zu fühlen. Und was hat das mit Fortpflanzung oder Überleben zu tun? Nichts. Diese Art von erdrückender Notwendigkeit – sie ist der Geist der Schwere. Und das hier ist sein Gegenteil. Die kleinliche, enge Sicht auf das Leben verkennt sein wahres Wesen. Denn Leben, wenn es frei ist, kennt Überschuß, Verschwendung, Glanz und Überfluß. Überleben und Fortpflanzung – sie folgen nur als Nebenwirkungen.
3
Die edelsten Tiere verweigern sich der Fortpflanzung in Gefangenschaft. Und viele – nicht nur der Mensch – wählen den Tod, wenn sie eingesperrt sind. Aber war Leben nicht gleichbedeutend mit dem Streben nach Überleben und Fortpflanzung? Reicht das nicht aus? Offenbar nicht. Wenn diese Erklärung nicht trägt, muß man Tiere auf eine andere Weise begreifen. Dennoch hört man häufig, wenn von »evolutionärer Psychologie« die Rede ist, eine Sichtweise, die alles von der Hefe bis zum Menschen über einen einzigen Strang abstrahiert – als gäbe es nur eine Richtung. Doch diese Sicht ist verkehrt. Sie kehrt die Wirklichkeit um.
4
Auch die Welt der Wissenschaftler folgt einer eigenen Soziologie – wie alles andere. Und genau darin liegt ein Grund für die große Verwirrung rund um Biologie und Evolutionstheorie. Du glaubst vielleicht, man habe dir objektive Wahrheit geliefert, doch die Geister der Biologen sind im Allgemeinen sehr begrenzt. Die Wahrheit ist: Die größten Geister zog es stets zur Physik unter den Wissenschaften, vielleicht noch zur Chemie. Die Biologie hingegen bot, bis vor kurzem und auch heute noch, kaum Raum für jene Art von Denken, die zum innersten Geheimnis der Natur vordringen will – für jene Einsicht in physikalische Zusammenhänge, welche die besten wissenschaftlichen Geister anzieht.
Historisch war die Biologie eine halbierte Disziplin – weder ganz Wissenschaft noch bloß Beobachtung. Schopenhauer sprach mit offener Verachtung von jenen, die ihre »Kataloge von Affen« zusammentragen und meinen, damit die Natur zu verstehen. Nietzsche bezeichnete Darwin als einen kleinlichen Geist, einen Rechner, der gern viele kleine Fakten sammelt, um daraus eine plumpe Theorie zu basteln. Und tatsächlich: Die Theorie ist plump. Voller Löcher. Gerade deshalb konnten Kreationisten – so falsch sie auch liegen – sie angreifen, wo sie sich an der theoretischen Physik nie hätten abarbeiten können.
Wenn Wissenschaftler, besonders Biologen, über Evolution und Leben sprechen, begegnet man viel Unehrlichkeit – und noch mehr Dummheit.
5
Das Problem ist jetzt, daß du glaubst, ich wolle die Idee der Evolution angreifen oder verändern, weil sie rassistisch oder unbequem sei – so wie die Linke und andere sie angreifen oder unterdrücken. Aber das ist nicht wahr! Hör zu: Du brauchst Darwin nicht, um an Vererbung oder sogar an Evolution zu glauben. Die Menschen wußten schon lange vor Darwin von Vererbung – und auch von den verschiedenen Linien innerhalb der Menschheit.
Im politischen Sinne ist die Verbreitung der darwinistischen Lehre und ihre Anwendung auf den Menschen ein großes Gut. Die Linke und ihre zahllosen Roboter – ich werde später noch auf ihren Ursprung zu sprechen kommen – wollen nichts sehnlicher, als die Wahrheit über die menschliche Natur zu verschleiern. Und Darwin, die evolutionäre Wissenschaft in all ihren Formen, ist eine große Waffe der Wahrheit gegen sie. In all dem stimme ich völlig zu.
Aber erinnere dich an die Marionetten, von denen ich sprach. Laß dich nicht vom Puppenspiel ablenken. Es ist entscheidend, sich nicht durch eine hitzige Auseinandersetzung mit einem dummen Gegner dazu verleiten zu lassen, blind die einzig andere Alternative anzunehmen, die einem vorgesetzt wird. Denn obwohl die Linke – oder, wie ich sie genannt habe: der Käfer-Mensch – evolutionäre Ideen, angewandt auf den Menschen, haßt und fürchtet, ist der Darwinismus selbst ein Produkt des Käfer-Denkens. Und am Ende wird er dir keinen Ausweg zeigen aus dem Gefängnis der Zeitalter.
Was Bestand hat, ist die wahre Beobachtung: die erbliche Natur der Eigenschaften, die Eignung eines Wesens für seine Umgebung – und umgekehrt. Das genügt. Mehr brauchst du nicht, um alle Entwürfe und Eitelkeiten des Käfer-Menschen in Stücke zu schlagen. Der Käfer-Mensch fürchtet nicht Darwin. Er fürchtet Vererbung – und Natur.
6
Du mußt verstehen: Der evolutionäre Psychologe, der Evolutionsbiologe, der Darwinist im Allgemeinen – die meisten dieser Leute sind durchaus gut, manche sogar große Geister, nur irregeleitet durch den Kampf selbst –, sie alle betreiben ein Spiel mit Köder und Wechsel. Und oft merken sie nicht einmal, daß sie es tun.
Der Darwinist glaubt an seine Lehre wie an einen teleologischen Glauben: daß Fortpflanzung und Überleben das Ende des Lebens seien, die Ziele, auf die alles Lebendige hinstrebe, und daß sich aus diesem Prinzip erklären ließe, wie Leben funktioniert, wie Organismen sich verhalten und wie sie sich an ihre Umwelt anpassen. Doch wenn du ihn darauf ansprichst, wird er jede Vorstellung von Teleologie leugnen. Er wird sagen, er glaube an nichts dergleichen – nur an einen rein materiellen Mechanismus namens natürliche Selektion. Dieser Mechanismus, so wird er behaupten, sorge dafür, daß Organismen, die mit den jeweiligen Anforderungen der Umwelt nicht übereinstimmen, allmählich ausgesondert werden. Durch einen Prozeß, der unserer Tierzucht ähnelt – wie bei Hunden oder Pferden –, züchte die Natur das Leben, organisch und zufällig, in die eine oder andere Richtung. Kein Ziel, kein Zweck, wird er sagen. Wer das glaube, sei verrückt!
Aber gib acht, wie er spricht, wenn er sich unbeobachtet wähnt. Sie tun es alle. Früher oder später beginnt er zu erklären, dieses oder jenes Tier verhalte sich so oder so, weil es »versuche«, sich fortzupflanzen oder zu überleben. Auch körperliche Merkmale erklärt er auf diese Weise – und wenn er sich wirklich vergißt, erhebt er daraus ein moralisches Prinzip. Die Ehrlicheren unter ihnen, wenn sie dir vertrauen, sprechen ganz offen davon, daß »Replikation ihrer selbst« ein Streben und Ziel sei. Das ist menschlich, allzu menschlich – und sehr natürlich. Denn es fällt schwer, über Biologie oder Leben zu sprechen, ohne von Zielen, Zwecken oder Antrieben zu reden.
Physik und Chemie, so scheint es, folgen keinem Zweck. Aber Tiere handeln augenscheinlich zielgerichtet, und biologische Merkmale lassen sich kaum erklären, ohne ihre Funktion, ihren Sinn, ihren Zweck zu benennen. Der Darwinist vergißt das, oder er weicht dem Thema aus. Er weiß nämlich, was wirklich von Interesse ist: die Frage, was das Leben antreibt, was das Verhalten der Tiere erklärt, was die Übereinstimmung zwischen Organismus und Umwelt zustandebringt. Genau das ist die Frage.
Der Mechanismus der Vererbung – die Mittel, durch die eine Art geformt wird, sei es durch natürliche oder unnatürliche Selektion –, ist in Wahrheit der uninteressanteste Teil. Er ist Darwins einzige wirkliche Einsicht, und sie ist am Ende kaum mehr als eine Tautologie: Nur jene Tiere, die sich erfolgreich fortgepflanzt haben, geben ihre Merkmale weiter. Etwas, das jeder Schafzüchter der Geschichte wußte.
Daß aber dies allein schon genügen soll, um Anpassung oder Verhalten zu erklären – das ist Unsinn.
7
Es gibt eine Alpenmaus, die für den Winter Nahrung sammelt. Irgendwie weiß sie genau, wie viel von bestimmten giftigen Kräutern sie ihren Vorräten beimischen muß, um sie haltbar zu machen. Nimmt sie zu viel, wird das Futter giftig. Nimmt sie zu wenig, verdirbt es. Ein anderes Beispiel stammt von Schopenhauer: Zwei Insekten – das eine tötet das andere auf den bloßen Anblick hin. Doch dieses zweite stellt keine unmittelbare Gefahr dar; es wird lediglich in der Zukunft dessen Eier fressen. Wie kann das erste Insekt das wissen? Es wird nicht unterrichtet, es sieht nicht – sein Nervensystem ist extrem primitiv. Und doch weiß es es, »im Blut«. Dies ist ein spezifisches, hochkomplexes Verhalten. Und es gibt unzählige solcher Fälle in der Natur.
Die Kreationisten haben sich zu sehr auf körperliche Komplexität versteift – etwa das Auge oder das bakterielle Flagellum –, und tatsächlich lassen sich für solche Strukturen Geschichten konstruieren, wie sie sich stufenweise entwickelt haben könnten. Ich glaube diesen Geschichten nicht; sie wirken erfunden und unglaubwürdig. Doch sie sind immer noch plausibler als die Erklärungen, die man für Verhalten aufzubieten versucht. Und hier wird es wirklich schwierig. So viele Tiere, selbst primitive Insekten, besitzen erstaunlich komplexe Verhaltensweisen – und sie werden mit ihnen geboren. Ab einem gewissen Punkt wird jede inkrementelle Erklärung so kompliziert, daß sie nicht mehr glaubwürdig ist. Man sollte sich erinnern: Auch das aristotelisch-ptolemäische Weltbild funktionierte rechnerisch recht gut – über Jahrhunderte. Es wurde nicht deshalb verworfen, weil es keine Ergebnisse lieferte, sondern weil seine Prämissen falsch waren und man immer neue Hilfskonstruktionen erfinden mußte, um diese Prämissen zu retten. Mit der Evolutionstheorie beginnt es sich nun ähnlich zu verhalten – nirgendwo deutlicher als bei dem Versuch, angeborenes Verhalten zu erklären.
Es liegt auf der Hand, daß solche Verhaltensweisen – nenn sie »Anpassungen«, wenn du willst – in ihrer heutigen Form entstanden sind: vollständig, ausgereift, ohne wesentliche Zwischenstufen. Wie kam es zu einem solchen »Wunder«? Dieses Buch ist kein Werk des Kreationismus – an den glaube ich nicht. Aber ich glaube auch nicht an das neue »Wunder«, das sich die moderne Wissenschaft zurechtgelegt hat, verborgen unter Begriffen wie »zufällige Mutation« oder dem nebulösen »inkrementellen Wandel«. Dafür fehlen Zeit, Material, beobachtbare Mutationen – nichts davon reicht aus, um natürliche Selektion oder gar Lamarckismus als Erklärung für die Entwicklung des Lebens zu stützen. Viele der mathematischen Modelle, die beschreiben sollen, wie sich ein Merkmal in einer Population verbreitet, sind längst gescheitert – man sagt es dir nur nicht.
Nein, ich spreche nicht von Wundern, unter welchem Namen sie auch auftreten mögen. Und ja: Das »Design« ist da – aber es ist weder wohlwollend noch intelligent, noch in irgendeinem Sinne verständlich. Sieh dir das Spinnennetz an: Ein Wesen mit rudimentärem Nervensystem, ohne Intellekt, »entwirft« etwas Schönes, Funktionales, Komplexes. Darin liegt der Schlüssel zum Verständnis der Natur.
In allen Dingen wohnt eine Art »Intelligenz« – unheimlich, schweigend, dämonisch. Ihre Abläufe und Ziele bleiben uns fremd. Unsere eigene Intelligenz ist nur eine grobe Abweichung davon, eine Annäherung, vielleicht eine Karikatur. Diese Intelligenz ist nicht an das Gehirn gebunden – sie ist dem Körper eingeschrieben, lange bevor das Nervensystem überhaupt ins Spiel kommt.
Und jede »Anpassung«, ganz gleich, wie viel natürliche oder unnatürliche Selektion zu ihrer Verbreitung beigetragen haben mag, entsteht nicht zufällig. Sie entspringt einer spontanen Übereinstimmung zwischen dem Organismus und seiner Umwelt. Vielleicht werden wir eines Tages die materielle Ursache oder Manifestation dieser Übereinstimmung entdecken, vielleicht auch die Kette, über die sie von Felsen und Element bis hin zur Lebensform weitergegeben wird – es muß eine noch unbekannte »Signalstruktur« geben. Doch diese »Anpassung« geschieht nicht zufällig, und sie wird nicht primär durch natürliche Selektion hervorgebracht. Selektion ist nur eines der Mittel, durch die sie sich verbreitet.
8
Ein wirklich objektiver oder wissenschaftlicher Zugang zum Leben würde damit beginnen, ohne Annahmen auszukommen. Keine großen Geschichten, keine Deutungen. Nimm ein Tier – und beobachte es. Sieh, was es in der Natur tut, nicht im Labor. Studiere es, wenn der Mensch fern ist. Beobachte verschiedene Exemplare, ihr Verhalten zu verschiedenen Jahreszeiten, an unterschiedlichen Orten, bei wechselndem Wohlbefinden, in Momenten von Glück oder Müdigkeit. Stell keine Vermutung darüber an, was es »letztlich« will – sondern schau, wie es sich heute verhält, morgen, in diesem einen Moment, dem einzigen, den das Tier kennt. Sieh in sein Gehirn! Untersuche seine Hormone, seine inneren Zustände, mit größter Sorgfalt und klinischer Nüchternheit – und setze diese Zustände in Beziehung zu dem, was das Tier tut und wonach es in diesem Augenblick strebt. Nicht zu dem, was du in deinem Kopf über »Fortpflanzung und Überleben« denkst. Das ist der wahre Weg, Tier, Verhalten, Anpassung und Leben zu begreifen. Etwas davon geschieht bereits – doch viel zu selten, und schlecht. Und am Ende stellt sich die Frage: Bist du wirklich so anders als Ziege, Hund oder Ameise, daß dir ihr Verhalten vollkommen rätselhaft bleiben muß?
Natürlich sollte die von mir beschriebene Forschung betrieben werden – wenn auch nur, um die Dummköpfe zu überzeugen. Aber in Wahrheit wäre dir das Verhalten eines Tieres völlig unverständlich, wenn du ihm nicht ähnlich wärst. Denn wir begreifen sofort den Bären, der wütend auf Bienen ist. Wir verstehen ihn, wenn er unter einer weiß-silbernen Birke im Dickicht spielt. Wir erkennen die Angst der Eidechse, die sich zwischen den Felsen hin und her windet. Es ist kein Geheimnis für uns – weil wir selbst so sind. Wir lieben Hunde, weil sie uns ohne Umweg zeigen, was wir selbst fühlen und wollen – ehrlich, ohne Maske. Sie, und auch andere Haustiere, geben uns Ruhe, weil sie eine Unbekümmertheit verkörpern, die dem tierischen Leben eigen ist – unbelastet von Erinnerungen an eine Vergangenheit, die nicht existiert, oder von Sorgen um eine Zukunft, die ebenso wenig greifbar ist. Frauen stehen in ihrem natürlichen Zustand diesem Dasein ebenfalls nahe – oder näher als Männer –, und genau darin liegt viel von ihrer Kraft und ihrem Zauber. Die moderne Erziehung aber, die sie lehrt, hyperbewußt zu sein, ängstlich vor der Zukunft, neurotisch und abstrakt, raubt ihnen genau diese Kraft – auch wenn man ihnen einzureden versucht, sie seien dadurch »frech« oder »stark«. Doch eine hyperbewußte Frau wird kraftlos und verliert ihren Zauber.
Was also braucht es? Eine echte Studie über den inneren Zustand des Tieres – jetzt in diesem Zustand, jetzt in jenem. Und überhaupt: Was würde eine wahrhaft objektive Untersuchung eines Organismus zeigen? Was will das Leben?
9
Darwin und seine Denkweise hätten nie so tiefen Eindruck hinterlassen, nie so große Macht entfalten können, wenn sie einfach falsch gewesen wären. Der Darwinismus ist in der Tat wahr – doch nur unter bestimmten Bedingungen. Es handelt sich nicht einmal bloß um eine Halbwahrheit, sondern um eine vollständige Wahrheit über eine ganz bestimmte Art von Leben. Der Fehler liegt lediglich darin, zu glauben, sie beschreibe das Leben überhaupt.
Ohne Malthus ist Darwin bedeutungslos. Und deshalb hat Nietzsche recht, wenn er über beide sagt, sie beschrieben nur das Leben in England – oder genauer: das England ihrer Zeit. Das industrielle Zeitalter hatte begonnen, und England war die erste Nation, die das Problem der Kindersterblichkeit löste. Das ist der entscheidende Umstand. Nur deshalb konnte England so viel von der Neuen Welt kolonisieren: Weil es als erstes Land dieses Problem in den Griff bekam. Manche kritisieren das spanische oder portugiesische Modell der Kolonisierung, doch man muß wissen: Portugal zählte zur Zeit Heinrichs des Seefahrers gerade eine Million Menschen. Und von diesen war nur ein kleiner Teil junger Männer überhaupt in der Lage, sich auf lange, gefährliche Reisen zu begeben – von denen viele nicht zurückkehrten. Manche sagen, bis zu einem Viertel oder mehr starben unterwegs. Portugal verfügte nicht über die Masse an Arbeitskräften, um ferne Länder wirklich zu besiedeln – und so wurde das alte Muster der »Elitenherrschaft« fortgeführt, bei der Bruderschaften erobernder Männer sich mit einheimischen Frauen verbanden und auf diese Weise neue Gesellschaften bildeten.
Ganz anders die Engländer: Sie konnten nun ganze Bevölkerungsschichten verpflanzen, denn sie hatten einen Menschenüberschuß. Doch selbst das genügte nicht. Die Städte platzten aus allen Nähten, der Dreck wurde unerträglich, als die untersten Klassen in Scharen die monströsen Maschinen der Industriehallen bevölkerten. Die Lebensbedingungen der Arbeiter waren bis weit ins 20. Jahrhundert hinein schlicht höllisch. Marx und seine Anhänger hatten in dieser Hinsicht recht – und sie nutzten diesen Zustand geschickt aus. Es war ein Elend, das dem in den Slums der heutigen Dritten Welt gleicht oder es übertrifft. Die Überwindung der Kindersterblichkeit bedeutete nicht, daß die unteren Klassen ihre knappen Mittel nun für die Verbesserung des Lebens der Kinder verwendeten, die sie bereits hatten – nein: Sie produzierten einfach mehr Münder. Ein exponentieller Anstieg menschlicher Biomasse, weiter nichts.
Das ist die Welt Malthus’ – und die Welt Darwins. Leben im Dreck, Leben unter Streß. Der Darwinismus beschreibt das Leben unter extremen Bedingungen: Mangel, Überfüllung, Druck, Überwachung. Und aus dieser engen, verzerrten Perspektive wähnt er sich im Besitz der Wahrheit über das Leben überhaupt. Aber ein Tier, das unter solchen Bedingungen lebt – gehetzt, eingesperrt, geschlagen, reglementiert, fern von dem, was es täte, wenn es frei wäre –, dieses Tier kann dir nicht zeigen, was Leben wirklich ist. Es ist ein schlechtes, ein irreführendes Beispiel. Und auf diesem Beispiel beruht der Darwinismus – und alles Denken, das aus ihm hervorgegangen ist.
Es ist die Philosophie des Lebens in der Mietskaserne, im Slum, im offenen Arbeitslager.
10
Keine Art von Streß ist schlimmer als das Gefühl, gefangen zu sein. Meine schlimmsten Albträume handeln davon, eine Tür zu öffnen – nur um mich immer wieder in derselben Aluminiumzelle wiederzufinden. Die Erschöpfung, die nach einer langen Nacht des Schachspielens eintritt, wenn du schläfst und dein Geist in endlosen Träumen unsinnige Züge wiederholt – ich kenne nur wenige Qualen, die schlimmer sind. Und dies ist selbstauferlegt, durch Erschöpfung – aber noch schlimmer ist es, wenn eine äußere Kraft oder ein Wesen dich einschränkt, während du anfangs noch völlig bei Kräften und im Besitz deines Verstandes bist. Dieser Zustand ist für die edelsten Tiere unerträglich: Sie wählen den Tod, wenn nötig – oder zumindest jeden Fluchtweg, ganz gleich, wie schmerzhaft er ist. Viele Kariben, in die Sklaverei verschleppt, starben, weil sie das nicht ertragen konnten. Einige bissen sich durch die eigenen Arme, um den Ketten zu entkommen, und ertrugen jede Qual, nur um der Gefangenschaft zu entfliehen. Germanische Mütter töteten ihre Säuglinge, wenn römische Legionen nahten. Tacitus beschreibt das Leben eines germanischen Kriegers, der sein Dasein dem Krieg und dem Ruhm widmete – und niemals zum Haustier wurde. In Masada, und zu anderen Zeiten, töteten Juden ihre eigenen Kinder, um der Unterwerfung zu entgehen – als sie noch ein edles Volk waren. Xenophon berichtet in der Anabasis von einer Mutter mit Säugling, die sich im Hochland von Urartu von einer Klippe stürzte, um dem griechischen Heer zu entkommen. Dasselbe sieht man auf alten Videos aus Okinawa: eine Mutter springt von der Klippe. Vietnamesische Mönche verbrannten sich selbst und beschämten damit den Westen. Nietzsche hatte recht: Edle Völker ertragen keine Sklaverei – sie sind entweder frei oder sie sterben aus. Es gibt für bestimmte Lebensformen keine »Anpassung« an Sklaverei.
Was ist das für ein Volk, das sich für das bloße Überleben – um jeden Preis – entscheidet? Der Preis war monströs, und wer ihn zahlt, wird selbst monströs, wird verzerrt durch die Annahme dessen, was nicht erträglich ist. Die Unterscheidung zwischen Herrenrassen und dem Rest ist einfach und wahr – Hegel sagte es, Heraklit kopierend: Jene Völker, die in der Konfrontation den Tod der Unterwerfung vorziehen – das ist ein Volk von Herren. Solche Völker gibt es viele auf der Welt – nicht nur unter Ariern, sondern auch bei den Comanchen, bei vielen Polynesiern, den Japanern und anderen. Doch ein Tier solcher Art lehnt Unterwerfung ab – lehnt Gefangenschaft ab. Es ist ein trauriger Zustand, eine Zeit zu erleben, in der ein solches Tier weder entkommen noch sich selbst töten kann. Ich sah einmal einen Jaguar im Zoo, hinter Glas, ausgestellt zur Schande, damit ihn all die Käfer in Menschengestalt anstarren und demütigen konnten. Dieses Tier trug einen edlen, tiefen, andauernden Schmerz in sich – gequält vom Blick unterwürfiger Affen, die nicht einmal verspotteten, sondern ihn bloß beobachteten. Und er fühlte es. Ich sah das. Er wußte, daß seine Umgebung nicht real war, daß er nicht mehr lebte, nicht handeln konnte, keine Kraft mehr hatte. Seine Trauer war wie ein Gewicht, das alles niederdrückte. Ich werde dieses Tier nie vergessen. Ich will nie wieder Leben in einem solchen Zustand sehen.
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Vor ein paar Wochen stand ich vor einem Nachtclub in einer Stadt, die noch unberührt ist von der reglementierten Hygiene der Ersten Welt. Gut beleuchtete, saubere Straßen, die für Frauen sicher gemacht wurden, haben ihren Preis – sie rauben einer Stadt die Stimmung, den Atem, das Dunkel, in dem Leben noch unkontrolliert wachsen kann. An diesem Ort jedoch hatte selbst eine willige Regierung nicht die Mittel, ihre Vorschriften und Säuberungsprogramme durchzusetzen. Viele Ecken und Winkel blieben im Schatten, gehörten niemandem. In diesem Niemandsland leben die Mafia, zahllose Perverse, ein wenig Kriminalität – doch meist auf niedrigem, fast friedlichem Niveau, denn der Ort ist durchsetzt mit außer Dienst stehenden Polizisten auf der Suche nach Profit; mit Spionen, ausländischen wie einheimischen, und mit Dingen, die sich nicht benennen lassen. Ohne solche Zufluchtsorte empfinde ich das Leben als kaum erträglich – also fühlte ich mich hier frei. Ich glaube, es war nach einem Tag voller Nebel, das Glycin wirkte, ich muß auch 600 Milligramm Theanin genommen haben, und nach viel Kaffee war ich wie abgedriftet … unter boshaft gelbem Neonlicht stand ich da, fast in Trance, den Türsteher anstarrend. Ich fragte mich, wie es wäre, er zu sein. Er war wachsam, wußte, welche Haltung sein Beruf verlangte, welchen Blick er imitieren mußte – oder spielte zumindest die Rolle des Wachsamen, mit breitem Kreuz unter einer Lederjacke mit militärischen Schulterklappen. Doch da war auch etwas Weiches in seinem Blick. Vielleicht brauchte es ein feines Auge, um das zu erkennen, und ich bezweifle, daß die Kundschaft ihn oft deshalb herausforderte. Aber ich sah es. Ich sah, wie er manchmal in eine ferne Traurigkeit sank, in eine Langeweile, die ihn von innen auffraß. Auch ich blickte dann die breite Straße hinab, größtenteils leer, nur einzelne Gruppen von Betrunkenen, Huren, Feiernden – und in der Ferne, auf einem Platz, ein großer Brunnen, von allen Seiten beleuchtet. Ich weiß nicht warum, vielleicht lag es an der Ruhe der gesegneten Aminosäuren, aber mein Blick glitt ab zu einem Wohnhaus am Straßenrand. Nur ein Licht brannte, mittig im Gebäude. Mein Geist wanderte zu den Menschen dort, wie sie lebten, wer sie waren. Ich stellte mir vor, der Junge oder das Mädchen zu sein, das dort wohnte. Ich habe mir nie gewünscht, jemand anders zu sein – auch nicht unsterblich –, sondern viele Leben zugleich leben zu können, nicht nur eins. In solchen Momenten, wenn Ruhe und ein Gefühl von Freiheit zusammentreffen, wird jedes Detail des Lebens interessant; alles nimmt die Qualität ruhiger Traumbilder an, die sich aneinanderreihen, ohne einen festzuhalten, weil man durch sie hindurchsieht. Dann frage ich mich, zumindest als zoologisches Experiment, wie es wäre, ein vietnamesisches Mädchen zu sein, Besitzerin eines Nagelstudios – oder sogar eine fettleibige, angolanische Frau mittleren Alters, die Pediküre in einem rosa Salon anbietet. Keine Form des menschlichen Lebens ist mir in solchen Augenblicken fremd. Ich hatte sogar Träume, in denen ich eine Tür war – oder eine Vase –, bloß um sehen zu dürfen. Reines Beobachten, reine Neugier, ohne all die tausend Sorgen, die jene Menschen ertragen müssen, in deren Leben ich mich hineindenke. Doch wenn zu dieser Neugier eine plötzliche Welle von Energie hinzutritt, beginne ich, über Männer meines Alters nachzudenken, Männer wie mich, und wie es wäre, sie zu sein – was sie in diesem Moment denken, was sie zieht, was sie hemmt. Ich spüre dann ein großes Verlangen nach ihnen und nach mir selbst zugleich, denke an die Freundschaften, die möglich gewesen wären, und an die großen Aufgaben, die auf uns warten könnten. Diese Gedanken bedrängen mich wie eine diffuse, fast erotische Reizung, begleitet von einer großen Traurigkeit – die Traurigkeit darüber, daß ich nie wissen werde, wer dort in diesem Fenster lebte, nie sehen werde, was sie sahen, wenn sie hinausblickten. Solche Wege – das ist meine Version von »Liebe zur Menschheit«. Von jener anderen, der abstrakten Art, halte ich nichts – und wer sie beschwört, ist ein Schwindler.
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Sehr junge Widder, sehr junge Hirsche – sogar, wenn sie noch Kitze sind, lange bevor Hörner gewachsen sind –, üben bereits spielerisch den Kampf mit dem Kopfstoß. Niemand bringt es ihnen bei, sie wissen es im Blut. Es ist ein instinktives Spiel, doch in Wahrheit ist es Vorbereitung – auf etwas, das noch gar nicht da ist. Was kam zuerst für dieses Tier: die Entwicklung der Hörner oder das Wissen, auf diese Weise zu kämpfen? Oder gar der Wille dazu? In solchen Phänomenen liegt das Geheimnis verborgen – und die Wahrheit über Evolution und Leben.
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Kampf um Raum – Ein gesundes Tier, nicht unter Streß, nicht verstümmelt, nicht in Gefangenschaft, sucht, sobald es jung ist, vor allem eines: Raum. Es sucht Raum im physischen Sinn – Territorium. Doch dieser Begriff darf nicht grob verstanden werden – ich meine damit ein lebendiges Bild, das für viele Tiere wörtlich zutrifft, die sich konkreten Besitz an Land, Flüssen, Höhen oder Lichtungen aneignen. Allgemeiner aber mußt du es als etwas Tieferes begreifen: Raum, in dem sich angeborene Kräfte entfalten können.
Ein Affe, der in den Bäumen lebt, sucht jene Fähigkeiten, mit denen er die Baumkronen meistert. Ein Biber sucht Besitz über Fluß, Ufer, Schilf – unter seiner Kontrolle. Große Katzen suchen die Herrschaft über wirkliches Territorium: Anspruch auf Beute, auf Partner, auf Jagdreviere. Jagdhunde, Raubtiere, sie alle streben nach vollkommener Entfaltung von Klauen, Zähnen, Geruchssinn, Gehör – ihrer Reichweite, ihrer Kraft, ihrer Präsenz im Raum. Denn sie wollen Materie beherrschen. Was du hier siehst, ist ein höherer Organismus, der sich ordnet, um Materie im Raum zu meistern. Gelingt diese Meisterschaft, blühen die Kräfte auf, der Organismus gedeiht, kann mehr Materie ordnen und das Niedrigere mobilisieren, um das Höhere zu nähren.
Diese Mobilisierung dient nicht bloß dem Nahrungserwerb – sie dient der Verwirklichung des angeborenen Charakters, der Form, des inneren Schicksals. Bei sozialen Tieren geschieht etwas Analoges im sozialen Raum: Rangordnung, Spiel, Stellung, Herausforderung – auch hier wird Raum erobert, auch hier erfolgt die Entfaltung durch Spannung und Ordnung. Das Prinzip bleibt gleich. Wichtig ist zu verstehen: Dies ist ein zirkulärer Prozeß. Der Organismus sucht die Herrschaft über Raum, über Umwelt, um Materie auf eine Weise zu beherrschen, die seiner eigenen Natur entspricht – und aus dieser Herrschaft geht eine Entwicklung seines Körpers, seiner Sinne, seiner Fähigkeiten hervor. So entfaltet sich seine bestimmte, ihm eigene Form – in der Zeit, im rechten Moment; wie eine Pflanze, die zur Frühlingssaison erblüht.
Dazu braucht es Freiheit – eine Atempause vom Kampf ums bloße Überleben. Zeit abseits des Drucks, um zu wachsen. Fortpflanzung? Ein Tier im natürlichen Zustand wird zu diesem Zeitpunkt nicht einmal daran denken. Es ist weit davon entfernt. Es will stark werden, geschickt, fähig, Probleme zu lösen, seine Kräfte zu spüren – und nicht nur zu spüren, sondern zu wissen, daß sie real sind, weil es sie zur Herrschaft über seinen Raum einsetzt. Erst wenn diese Kräfte entwickelt sind, wenn der Raum erobert ist, beginnt das Verlangen nach Fortpflanzung. Fortpflanzung ist nichts anderes als die Nebenwirkung der Entladung gesammelter Kraft – nach geglückter Regentschaft.
Aus diesem Grund pflanzen sich niedere Tiere schnell fort, in Eile und Hektik. Höhere Lebensformen aber … je organisierter, desto komplexer sind ihre Entwicklungsbedürfnisse. Um so länger verzögern sie die Fortpflanzung, um so empfindlicher reagieren sie auf Streß. Tiere, die unter intensivem Konkurrenzdruck »entwickelt« wurden, sind in einem entscheidenden Sinn verkümmert: weniger schön, weniger intelligent, weniger leuchtend.
Es gibt viele Fraktionen in der Natur, viele Wege, die in entgegengesetzte Richtungen ziehen. Wer den wahren Weg begreifen will, muß lernen, die geheime Sprache der Natur zu lesen und zu erkennen, worauf sie abzielt. Es gibt einen Pfad, der zur Erzeugung des höchsten Exemplars führt. Er ist das Maß für höheres Leben. Fortpflanzung und Überleben sind nur Nebenwirkungen dieses Pfades. Denn Leben ist im Kern: der Kampf um den Besitz von Raum.
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Manche Dinge lassen mein Blut weit stärker kochen als jede physische Herausforderung es könnte. Ich verließ einmal das Fitnessstudio, und irgendein Chad kam auf mich zu und begann, mich abzutasten. Dann merkte ich, daß er meine Taschen prüfte – er wollte herausfinden, ob jemand sein verschwundenes Zeug gestohlen hatte. Ich fand das amüsant. Vielleicht lag es am Training, vielleicht war ich ruhig, aber ich fühlte mich nicht beleidigt. Teilweise, weil seine Art nicht aufdringlich war, trotz dem, was er tat. Vielleicht war es sogar eine Art Muskelbewunderung. Doch selten fühle ich mich wütender, als wenn meine Privatsphäre auf leise, unerträgliche Weise verletzt wird – etwa, wenn ich allein in einem Restaurant sitze, und jemand kommt und setzt sich direkt neben mich, obwohl der ganze Ort leer ist. Das Widerlichste war einmal eine Gruppe – ich glaube, es waren Subkons oder Han –, die sich in einem völlig leeren Restaurant direkt neben mich setzte und begann, mit offenem Mund zu essen. Auch der Klang! Wenige Dinge reiben so sehr an den Nerven, dringen so tief in deinen Raum ein, wie das Schmatzen sogenannter Menschen beim Essen. Andere Tiere, die beim Fressen Geräusche machen, stören mich nicht – im Gegenteil, ich finde es oft charmant. Selbst innerhalb einer einzigen Tiergruppierung – ich meide das Wort Spezies – gibt es völlig unterschiedliche Lebensbedürfnisse. Mein Blut beginnt zu kochen, gegen mein Urteil und meine Höflichkeit, wenn ich etwa mit einem Mädchen zusammen bin und sie darauf besteht, die Klimaanlage abzuschalten oder das Fenster zu schließen, weil ihr »zu kalt« sei. Ich liebe offene Räume und leichte Kühle. Es ist schlicht kein Zusammenleben mit Kreaturen möglich, die ein enges, stickiges, überheiztes Dasein bevorzugen. Ich glaube auch, daß die weiße Rasse – oder besser: bestimmte Gruppierungen innerhalb ihrer, denn es gibt weit mehr Rassen, als zugegeben wird – im Allgemeinen feindlich gegenüber der Lebensweise jener Stämme ist, die ein dicht gepacktes Leben suchen. Das sind biologische Notwendigkeiten, keine kulturellen Marotten. Keine Gesetze, keine gemeinsamen Überzeugungen können solch verschiedene Typen dauerhaft vereinen. Und ein Hybrid solcher Lebensweisen – wenn er überhaupt geboren wird – bleibt vermutlich physiologisch verwirrt oder krank.
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»Whoremone« – Energie und höheres Leben sind dasselbe. Wenn wir extrem fortgeschrittene Sensoren hätten, mit denen wir das Innere von Tieren aus der Ferne und in feinstem Detail beobachten könnten – ohne Eingriff, ohne ihre Regungen zu stören –, könnten wir endlich erkennen, was Leben wirklich bedeutet. Durch die Beobachtung vieler Tiere unter verschiedenen Bedingungen würden wir erfahren, wonach sie streben und was sie suchen. Solche Sensoren müßten weit über das hinausgehen, was unsere heutige Technik erlaubt: Sie müßten zeigen, welche Hirnregionen aktiv sind, wie sich das zu Blutdruck, Herzfrequenz, Immunreaktion und Hormonhaushalt verhält, wie entzündliche und regulierende Botenstoffe wirken, wie Hormone auf Gehirn und Körper einwirken – und wie das alles im Zusammenhang mit dem steht, was das Tier gerade tut. Die heutigen Erkenntnisse sind primitiv. Die medizinische Literatur, vorgetragen mit Selbstsicherheit, ist durch Geld, Karriere, Politik und Dummheit korrumpiert. Die wissenschaftliche Literatur ist kaum bekannt und bleibt widersprüchlich. Wir wissen allenfalls, was ein erhöhter Cortisol- oder Schilddrüsenwert zur Mittagszeit bedeutet – aber wir begreifen nicht, wie diese Dinge interagieren, noch was sie für den Organismus als Ganzes bedeuten. Die wenigen, die ein solches Verständnis anstreben, wie Ray Peat, werden als Spinner behandelt. Doch ohne diesen Zugang ist es unmöglich, zu verstehen, was Leben bedeutet, was ein Organismus anstrebt, was ein Verhalten oder eine körperliche Anpassung tatsächlich ausdrückt. Biologen hätten diesen Weg beschreiten müssen – ohne Vorannahmen, durch nüchterne Beobachtung, über viele Organismen, über viele Zustände hinweg. Doch sie taten es nicht oder kaum, und wenn doch, dann durch die Brille ihrer Agenden und Vorurteile. Die Daten sind viel zu spärlich. Selbst wenn heute mit ehrlicher Forschung begonnen würde, bräuchte es Jahrzehnte, um ein verläßliches Bild zu gewinnen. Derjenige, der das Ganze wirklich versteht, wird ein Genie der Zeitalter sein – ein neuer Prophet. Ich meine das nicht ironisch. Ich verstehe diese schwule Idee von »Ironie« nicht. Lerne: Hormone enthalten den Schlüssel zur Bedeutung des Lebens auf der tiefsten Ebene. Wenn dir das zu »reduktionistisch« klingt, wenn du meinst, ich entzaubere das Leben, liegt es nur daran, daß du zu wissen glaubst, was du nicht weißt – oder daß du meinst, Wissenschaftler wüßten es, obwohl sie es nicht tun. Sie wissen nichts. Diese Substanzen, wenn man sie mit frischen Augen sieht, sind pure Magie. Sie regeln alle Zyklen von Wachstum und Verfall. Sie können aus einem Kalb oder einem jungen Gorilla, allein aus grünem Futter, einen Koloss machen. Sie verwandeln einen dürren Mann in einen Halbgott, oder einen starken Mann in eine Frau – und ändern dabei sogar sein Fühlen und Sehnen. Es ist dieselbe Magie, durch die gewisse Tiere ihr Geschlecht wechseln, gelenkt durch Signale, die wir nicht kennen.
Das deckt nicht einmal im Ansatz die Bedeutung von Schilddrüse, Progesteron, Neurotransmittern und anderen Botenstoffen ab, die je nach Zielgewebe ganz anders wirken – auf das Nervensystem so, auf den Darm anders und auf das Immunsystem erneut anders. Sie regeln Zellteilung, Funktionserhalt, Wachstum, Energie – und alles, was wir heute darüber wissen, ist für die Ärzte und die Wissenschaft selbst noch immer ein Rätsel. Nur ein vollständiges Verständnis dieser verborgenen Substanzen wird die wahre Fülle des Lebens offenbaren. Der bisherige Blick auf das Leben war der auf eine »Black Box« – und er führt zu Fehlurteilen, weil die Beobachter lügen: Sie beschreiben, was geschieht, aber nicht, was vorher oder nachher kommt, nicht, was es im Leben des Wesens bedeutet. Sie schauen nicht nach innen, nicht mit den eigenen Instinkten. Doch Hormone, Neurotransmitter, Zytokine – sie werden das Lügen beenden. Ein Tier mag unter Streß eine Handlung vollführen, und dieselbe Handlung später in einem anderen Zustand aus Offenheit, oder aus einem Überschuß an Freude. Biologisch ist das nicht dieselbe Handlung. Nur die verborgenen Substanzen zeigen den Unterschied. Ray Peat war der erste, der das verstand – ein Mann mit fremdem Verstand, gesegnet mit Einsicht in die geheime Sprache dieser Kräfte. Und lerne: Es gibt mindestens zwei Arten von Leben. Höheres Leben ist nicht bloß »animiert« gegenüber toter Materie. Primitive Sprachen wie das Baskische kennen nicht das grammatische Geschlecht, sondern unterscheiden – interessanterweise – zwischen belebt und unbelebt. Ich frage mich, wie sie Hefe nennen würden. Höheres Leben bedeutet Differenzierung und Struktur. Hefe ist ein formloser Klumpen, ein Blob, der sich ungerichtet ausdehnt. Höhere Organismen hingegen bestehen aus verschiedenen Teilen mit verschiedenen Aufgaben, unterschiedlichen Systemen, Organen, Formen. Sie sind differenziert – geschlechtlich, funktional und seelisch. Um diese Differenzierung zu bewahren, muß der Organismus etwas opfern: die Fähigkeit zur wahllosen Expansion und Replikation, wie Hefe sie hat. Diese beiden Prinzipien – wahllose Zellvermehrung und strukturerhaltende Differenzierung – stehen in Spannung zueinander. Sie werden von verschiedenen hormonellen Kräften gelenkt. Östrogen und Serotonin sind Streßhormone, die Zellvermehrung anregen; Schilddrüse und Progesteron fördern hingegen Funktion, Energie und Struktur. Östrogen ist kein »Geschlechtshormon« – es ist ein Streßhormon, und sein Übergewicht im weiblichen Körper hat mit der Belastung durch Zyklus und Zellregulation zu tun. Das Bild ist nicht vollständig, aber es weist in die richtige Richtung.
Von der pathologischen Seite aus betrachtet, ist wahllose Zellvermehrung nichts anderes als die Rückkehr zur Hefeform – Krebs –, ein Pilzwesen im Menschen. Von der gesunden Seite aus betrachtet, wird Struktur durch die Fähigkeit der Zelle erhalten, Energie zu befehlen. So gesehen fördern die Hormone, die Energie mobilisieren, zugleich Struktur und Funktion – und jene, die Trägheit und Energiemangel begünstigen, fördern auch Verfall, Entzündung, freie Radikale und den Zerfall von Form. Und das führt zur tiefsten Wahrheit: Struktur und Energie sind dasselbe. Energie ist nicht diffus, sondern zielgerichtet. In ihr liegt ein Wille, eine Ordnungsneigung, die dem Intellekt entzogen ist. Nicht Intelligenz im menschlichen Sinn, sondern ein ursprünglicher Wille, der den Intellekt übersteigt – allmächtig, uralt, versponnen in alle Dinge. Er ist nicht anders als Heraklits Feuer – eine durchdringende Energie, die spielt, sich ordnet, sich verwandelt, sich selbst neu formt. Seine Absicht ist schelmisch und jenseits aller Sprache. Und im Leben der Organismen strebt er nach Ordnung in höherer Form – nach dem höchsten Exemplar. Die Völker sind die verschlungenen Wege der Natur zu großen Exemplaren, und darum müssen die Völker erhalten bleiben, so wie sie sind. Darum ist die ästhetische Physis von kosmischer Bedeutung – darum sind schöne Körper ein Fenster zur anderen Seite. Sie sind das Siegel der Götter. Die Götter, die sicher existieren, wenn auch verborgen, haben die schönsten Körper, die wir uns vorstellen können. So erschienen sie den Griechen in ihren Träumen.
Dagegen steht der Überfluß an Fleisch bei den Fettleibigen, die Trägheit, die geistige Fettleibigkeit des modernen Lebens – und nicht nur des modernen. Auch das alte Dorf, der Sumpf, der Gestank der Talmatriarchate, das Haustiervolk, die Sklaven, die verpesteten Städte, das Leben im Schlamm – das ist das Leben der Hefe, das Zurückfallen in bloßes Dasein, Leben um des Lebens willen. Und gegenüber steht das Leben der unsterblichen Götter, die in klarer Bergluft wohnen – und das Zeichen dieses Lebens ist der Körper in göttlicher Schönheit. Was ist mit dem Geist? So selten schöne Körper sind – ein wirklich großer Geist ist noch seltener. Streben wir also, in dieser stinkenden, krebsartigen Welt, nach dem, was konkret ist, was erreichbar ist. Wer den Körper vergißt, um »Geist« oder »Seele« zu suchen, hat keine Ahnung, wo er anfangen soll. Nur körperliche Schönheit ist die Grundlage wahrer Kultur – des Kopfes und des Geistes. Einzig Sonne und Stahl werden dir den Weg weisen.
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Ein Schimpanse im natürlichen Zustand onaniert nie. In Gefangenschaft hingegen tut er es – was bedeutet das? Ganz einfach: Im natürlichen Zustand ist er zu beschäftigt. Er widmet sich dem Kampf um Raum, versucht das Leben in und unter den Bäumen zu meistern, Werkzeuge zu begreifen, soziale Beziehungen zu ordnen, seinen Platz im Spiel von Status und Macht zu behaupten. Wird ihm dieser Trieb zur Entwicklung und Selbstverwirklichung genommen, fällt er zurück – in stumpfsinnige Masturbation. In Gefangenschaft spürt er, daß er in einem besessenen Raum lebt, daß all seine Bewegungen sinnlos sind. Die Onanie der modernen Gesellschaft hängt zusammen mit ihrer angeblichen »Hypersexualisierung« und ihrer realen Unfruchtbarkeit. Doch das ist kein Übermaß an Sexualität – sondern die Rückbildung des Geistes in Richtung Trägheit, eine diffuse, schwache Form sexueller Energie. Leben in besetztem Raum wird durch niedrigschwellige, bedeutungslose Stimulation ausgehöhlt. »NoFap« ist der Versuch eines Frachtkults, diese Energie in Ordnung zurückzuführen – auf dem Weg des Aufstiegs. Manchmal gelingt es, doch ob es wirkt, zeigt sich in der Regel innerhalb einer Woche. Das Tragische daran: Frauen verfügen über außerordentlich feine Antennen für solche Dinge. Wenn ein Mann sich von diesem Druck befreit, erkennen sie es aus der Ferne. Ihr Instinkt treibt sie dazu, aufsteigendes Leben zu orten – und es auszusaugen. Sie und die Spezies erreichen dadurch ihr Ziel, aber du bleibst erschöpft zurück, manchmal nicht mehr als eine Hülle. Viele große Aufgaben sind durch diese Entleerung der Essenz zum Erliegen gekommen.
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Ich fühlte mich immer vom Schmutz und dem Abgrund angezogen, weil ich intuitiv wußte: Nur dort, am unteren Rand des heutigen Lebens, gibt es noch echte Risse – Lücken, Löcher –, wo die Reichweite der Ordnung schwach wird. In den schwärzesten Rotlichtvierteln, zwischen Huren, Junkies, Perversen und Schlimmerem, fand ich oft meine Mahlzeiten – wenn sich die Gelegenheit bot, wählte ich sie. Ich mochte die Geschichten, die sie erzählten. Eine zeigte mir Briefe eines verrückten spanischen Ingenieurs, der sie heiraten wollte. Eine andere berichtete von einer Fehlgeburt, die ihre Freundin im Bad eines alten Perversen hatte, wie sie den Fötus in der Toilette herunterspülten und dann seinen Namen auf ein Stück Klopapier schrieben. Nur in dieser Welt – und fast nur dort – kannst du beginnen, die Klauen zu schärfen, die dir die Natur gegeben hat, sofern du welche hast. Doch selbst diese Schattenwelt hat nur bedingte Existenz. Wer gute Antennen besitzt, erkennt rasch: Diese »Löcher« werden zugelassen. Die, die das Gefüge errichtet haben, in dem die Herren der Lüge herrschen, sind nicht dumm – sie wissen, daß man »freie Räume« braucht. Sie sind nützlich für Manipulatoren. Sieh auf Japan: berühmt für Ordnung und Gehorsam, und doch durften die Yakuza immer Prostitution, Meth und Schlimmeres kontrollieren. Solche Institutionen erfüllen in jeder Gesellschaft eine Funktion, wie früher die Mafia oder andere Formen der organisierten Schattenordnung. Nur eine Regierung von Schwachköpfen würde diese Welt ganz abschaffen. Leider haben wir genau das jetzt im Westen: sehr dumme Regierungen. Doch ihre Zeit läuft ab.
Und mit einer gewissen Traurigkeit erkennt man, nach dem ersten betörenden Rausch der Freiheit in dieser Welt der Verdammten, daß auch hier – obwohl nicht so vollkommen »besessen« – Portale und Schwellen existieren, die von jener Macht bewacht werden, die alles andere besitzt. Dennoch: besser als nichts. In einer späten Sommernacht, wenn dich ein korrupter Anwalt anheuert, um einen libanesischen Stripclubbesitzer auszuspionieren, und du draußen im Hof mit einer 20-jährigen Prostituierten stehst, die dir Kokain auf die Zunge legt, während die Meeresluft dich umspielt, da, in jenem Moment, spürst du eine Sehnsucht, wie sie nur das große Meer geben kann. Du vergisst für einen Augenblick die erdrückende Luft der Welt – und fühlst dich wie ein Tier, einen Moment vor der Jagd.
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Wenn ich von »Whoremonen« spreche, könntest du glauben, ich sei ein materialistischer Reduktionist – jemand, der meint, du seist eine Maschine. Das ist die Haltung vieler Wissenschaftler, oder besser gesagt: Kultisten der Wissenschaft. Viele Linke behaupten, so zu denken, doch keiner von ihnen kann erklären, welche Kraft »Rechte« oder »Mitgefühl« eigentlich haben sollen, wenn sie nicht von Gott kommen oder in der menschlichen Natur wurzeln. Wenn sie sich Atheisten nennen, glaube ich ihnen nicht. Echte Atheisten handeln wie Stalin oder Breschnew – nicht wie presbyterianische Schulmeisterinnen. Die Wahrheit ist: Der Kern der modernen Linken besteht aus moralischen Fanatikern. In ihnen ist kein Tropfen Atheismus, kein Funken Relativismus. Sie genießen nicht den klaren Atem des Zweifels, sie haben ihn nie genossen. Sie schmuggeln immer die »Seele« oder den »freien Willen« zurück in die Welt – wenn du gerade nicht hinsiehst.
Sie handeln aus Trotz, sogar aus Trotz gegen sich selbst. Sie wollen fühlen, daß sie nicht verantwortlich sind: »Meine Hormone haben mich dazu gebracht.« Aber was bist du denn, wenn nicht deine Hormone, deine Gene, deine angeborenen Instinkte? »Es sind die Gene«, »es ist die Umwelt«, »es ist die Wirtschaft«, »die Unterdrückung« – all das sind Versionen der Milieu-Theorie, die Nietzsche als Theorie des Neurotikers bezeichnete. Und genau durch diese Haltung glauben sie auch an das Transgender-Wesen: Menschen, die überzeugt sind, Materie könne falsch »konfiguriert« sein, und wir seien alle körperlose Seelen mit männlichen oder weiblichen »Essenzen«. Der ganze Versuch, Identität – nicht nur Geschlecht – als eine bloße Entscheidung zu definieren, eine willkürliche Wahl des Verstandes, ist nichts als ein letzter, verzweifelter Versuch, dem freien Willen eine neue Rechtfertigung zu geben. Ein Aufbäumen gegen Natur und Biologie. Aber diese Dinge ergeben keinen Sinn, wenn du einmal verstanden hast: Du bist dein Körper. Es gibt kein »Du« außerhalb davon.
Die ersten Zeilen der Ilias zeigen das klarer als jedes moderne Buch: Vielleicht hast du eine Art »Seele« – aber sie ist nicht du. Sie ist ein Schatten. Und sie ist, bei Licht betrachtet, vollkommen homosexuell.
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Manche meinen, diese Sichtweise entbinde dich von der Verantwortung für dein Handeln. Doch in Wahrheit macht sie dich für weit mehr verantwortlich als nur für deine Taten. Das, was man »biologische Bestimmung« nennt, was dich angeblich einschränkt oder festlegt, ist in Wirklichkeit das, was du bist. Es begrenzt nicht einfach dein Handeln – es ist der Grund deines Handelns, dein Wille, dein Begehren, deine Bewegung. Und da du dieses Es bist, hat es sich entschieden, zu sein – also trägst du Verantwortung nicht nur für das, was du tust, sondern für das, was du bist.
Du bist verantwortlich für die guten und schlechten Dinge, die dir geschehen, für jeden Unfall, jede Krankheit, jede Wendung deines Schicksals. All das sollte dir genau so widerfahren, wie es geschieht. Es war bereits in dem Moment angelegt, in dem du gezeugt wurdest – ja, schon in dem Augenblick, als deine Eltern einander ansahen und ein Funkeln in ihren Blicken lag. Es gibt im Grunde keinen Unterschied zwischen dir und diesem Funkeln. Du warst bereits dort – du bist dieses Funkeln.
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Tiere wandeln in einem Zustand ständiger religiöser Ekstase – das ist ihr natürlicher Zustand, ihr Geist, ihre Wahrnehmung von Augenblick zu Augenblick. Auch der Mensch ist ursprünglich so gebaut. Ich hörte einmal einen Computer-Narren sagen, Religion sei die »ursprüngliche Virtual-Reality-Erfahrung«, ein früher Vorläufer seiner eigenen Betrugsindustrie. Nein – das Gegenteil ist wahr: Der bloßgelegte, »entzauberte«, »aufgeklärte« Geisteszustand, in dem du dich durchs Leben schleppst, ist selbst die virtuelle Realität – ein erbärmlicher, entstellter Zustand.
Denn für den längsten Abschnitt menschlicher Existenz, Hunderttausende von Jahren im Paläolithikum, bewegte sich der Mensch wie ein gesundes Tier durch die Welt – in einem Zustand, den heutige Psychiater als religiösen Wahn bezeichnen würden, der aber in Wahrheit der Normalzustand allen bewussten und halbbewussten Lebens ist. Auch lange nach Entstehung der Zivilisation lebten viele weiterhin in diesem Zustand – oder kehrten zu ihm zurück in bestimmten Zeiten, zu Festen, im Rausch, in ekstatischen Übergangsriten, wenn der Mensch seinen freien, natürlichen Zustand wiedererlangte. Es war die Zivilisation, und insbesondere die landwirtschaftliche Zivilisation, die diesen Zustand verboten hat – und damit die Mehrheit der Menschen in einen halb-permanenten Zustand der Repression und Depression zwang.
Daß dies mit den großen Leistungen der Hochzivilisation zusammenfällt – ja, vielleicht sogar Voraussetzung für sie ist –, sollte nicht verwundern. Auch körperlich war das Aufkommen der Landwirtschaft für den Menschen eine Katastrophe: Knochenharte Arbeit, monotone Ernährung, Unterernährung, Krankheiten. Man sieht es in den Skeletten: kleinere Körper, verfallene Zähne, geschrumpfte Gehirne, geschädigte Organe. Die Landwirtschaft brachte eine stetige Nahrungsquelle, ein Bevölkerungswachstum – und vor allem: die Möglichkeit zur Herausbildung einer parasitischen Elite, befreit von körperlicher Mühsal, genährt von den vielen. Doch dieser Prozeß brach den menschlichen Tiergeist und machte ihn zum Haustier.
Verstehst du nun, was mit der »entzauberten Welt« gemeint ist? Diese sogenannte »säkulare Weltsicht«, über die so viele mit stolzgeschwellter Brust sprechen – sie ist nichts anderes als der seelische Zustand des gebrochenen Bauern. Und »Wissenschaft«, angeblich der große Inhalt dieser Weltsicht? Darüber brauchen wir an dieser Stelle gar nicht erst zu reden.
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Mein liebstes Vergnügen ist es, tagsüber völlig betrunken durch die Stadt zu laufen – auf belebten Straßen, auf der Promenade am Meer oder am Fluß, mit einem Behälter in der Hand, der vielleicht wie Eistee oder Wasser aussieht, aber voller Alkohol ist. Nachts macht es mir weniger Freude. Doch am Tag, im Zustand großer Begeisterung, getrieben vom Schnaps oder – noch besser – von einem Wein, der dich mit einer heiligen, fast wütenden Ekstase erfüllt, ist es unübertrefflich. Ich meine nicht wirklich Zorn, denn innerlich lache ich, aber ich liebe es, so in alle Richtungen durch die Menge zu laufen, Gesichter zu sehen und Menschen anzusprechen. Nichts ist unterhaltsamer. Und oft denke ich in solchen Momenten: Wie gesegnet müßte das Leben sein, wenn ich mich immer so fühlen könnte – ohne trinken, ohne den Preis zahlen zu müssen. Denn Alkohol darf nie zur Betäubung verwendet werden. Nach dem Abklingen, und besonders am nächsten Tag, steigt der Cortisolspiegel, und die Dunkelheit kehrt verstärkt zurück. Doch was, wenn du dich immer so fühlen könntest? Es muß solche Menschen geben – oder gegeben haben.
Wird uns nicht gesagt, daß diese Welt voller Mutanten ist? Warum also nicht ein Mutant, der in dauernder Euphorie lebt – nicht künstlich, sondern als Zustand? Warum nicht ein Wesen, das nur eine einzige Emotion empfindet, aber dafür ganz? Ich habe in solchen Momenten darüber nachgedacht, wie das Leben wäre, wenn man ganz und gar besessen wäre von nur einem Gefühl – sei es Wut, Freude, Trauer, ja sogar Panik. Ein Mann, der nur die reinste, lodernde Wut kennt – ununterbrochen. Oder ein anderer, der nur eine bestimmte Art von Freude fühlt, strahlend und singulär. Selbst eine bestimmte Form von Trauer verleiht dem Leben Schönheit und kann Antrieb zu großen Dingen sein. Selbst Panik ist besser als die betäubte Gleichgültigkeit, die in unserer Zeit gezüchtet wird. Was wäre das für ein Wesen, das nur ein einziges Gefühl kennt – keine Mischung, keine Halbheit? Warum sollte es nicht existieren? Es wäre ein Monster oder ein Gott – oder ein Mensch, der von einem Gott bewohnt ist.
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Glaubst du wirklich, geniale Männer – oder meinetwegen: Männer der Wissenschaft – seien in der Geschichte mit klarem, »entzaubertem« Blick umhergelaufen, vernünftig, verklemmt, wie ein heutiger Wissenschaftskultist oder Materialist? Keine einzige große Entdeckung wurde je durch Vernunft gemacht. Vernunft ist nur ein Mittel, um Entdeckungen anderen mitzuteilen – unvollkommen. In den Wissenschaften dient sie dazu, diese Mitteilungen präzise zu machen. Aber niemand hat je etwas entdeckt durch Syllogismen, durch deduktive Beweisführung oder durch dieses Gerüst der Sprache, das man heute »Argument« nennt. Große Mathematiker haben räumliche Beziehungen gesehen. Große Physiker haben physische Beziehungen gesehen – und bis zu einem gewissen Grad auch gefühlt. Die Betrachtung mathematischer Formen erzeugt beinahe ein körperliches Empfinden für Geometrie. Alle Mathematik ist im Kern Geometrie, auch wenn es anders aussieht. Vergleiche etwa den euklidischen Beweis des Satzes von Pythagoras, der sich in Syllogismen verliert, mit dem bildhaften Beweis durch drei Quadrate: Nur der letztere bringt dich dazu, mit deinem ganzen Körper zu fühlen, warum der Satz wahr ist.
Gauß, dieser von den langweiligen Wissenschaftsgoblins so geliebte Heilige, daß selbst Google ihm einen Cartoon widmete, sagte sinngemäß: »Ich hab’s – jetzt muss ich’s noch beweisen.« Er hatte die Beziehung gesehen, gespürt – nun mußte er sie in das unvollkommene Vokabular der Mathematik übersetzen, um sie anderen zu zeigen. So ist es mit aller Mathematik, und ebenso mit aller echten Wissenschaft. Mathematik ist nur das reinste Beispiel unter den Wissenschaften. Aber auch sie besteht aus Definitionen, nicht aus Beweisen. Sie ist kein »Algorithmus«. Alle großen wissenschaftlichen Entdeckungen, die man so gern der »Vernunft« zuschreibt, sind in Wahrheit Ergebnisse plötzlicher Einsicht – Intuition, Erleuchtung, reines Erkennen. Solches Erkennen geschieht in einem Geisteszustand, den man in einem anderen Kontext als religiösen Rausch bezeichnen würde: absolute Konzentration, durchdrungen von einer Energie, die unaufhaltsam ist. Ein Zustand des reinen Sehens, nicht »emotional«, sondern doch jenseits aller Kälte – Klarheit ohne Kälte, Fokus ohne Distanz. Wahre Erkenntnis ist unmittelbare Wahrnehmung, direkter als Syllogismen je sein könnten. Und diese Wahrnehmung ist selbst schon Intelligenz. Kein großer Wissenschaftler war je stolz darauf, durch Algorithmen oder bloßes Probieren ans Ziel gelangt zu sein. Solche Mittel sind für die Nachzügler da.
Und ja – die Feministinnen haben in einem gewissen Punkt recht: »Wissenschaft« in diesem echten, ursprünglichen Sinn ist patriarchalisch. Sie ist Gewalt, Wille, Eroberung. Sie ist Vergewaltigung im alten, mythischen Sinn. Wahre Wissenschaftler wie Galois sind Monster des Willens. Die Überzahl von Männern in den harten Wissenschaften ist nicht gesellschaftlich »konstruiert«, sondern entspricht einer inneren Ausrichtung: dem Charakter desjenigen, der sich verbeißt, der sich einer einzigen Sache verschreibt, der sich ihr ausliefert. Männer haben Geister, die sich konzentrieren, ausdauern, sich bündeln können – während Frauen, wie man zu Recht sagt, im Multitasking besser sind. Es gab große Wissenschaftlerinnen, ja. Aber wie große Schachspielerinnen, wie große Dichterinnen, sind sie wahrscheinlich spirituelle Lesben.
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Der moderne Bauer ersetzt bloß die alten Dorfmythen, Aberglauben und Weibergeschichten durch die neuen Aberglauben der Wissenschaft – geliefert in vorgefertigter Form von Autoritäten unter den populären Wissenschaftsverkäufern. Er liebt »die Wissenschaft« wegen der Annehmlichkeiten, die er sich von der Technologie verspricht. Doch er weiß nichts über wissenschaftliche Entdeckungen, nichts über ihre Übermittlung unter Fachleuten – er kennt nur ein propagandistisch verbreitetes Bild ihrer angeblichen Ergebnisse. Das unterscheidet sich in keiner Weise vom Glauben an große Magie – genau so, wie viele Primitive Wissenschaft wahrnahmen: als die Magie des weißen Mannes.
Das Problem liegt nicht im Inhalt der Wissenschaft. Dieser könnte sogar von großem Nutzen sein, so wie jede populäre Religion Nutzen stiften kann. Das Problem ist der Geisteszustand, den diese neue Religion im Gläubigen erzeugt. Sie läßt ihn glauben, er habe Macht über Naturprozesse, die in Wahrheit noch immer schlecht verstanden sind. Indem sie die ursprüngliche Angst entfernt – die einzige Form von Ehrfurcht, die die Vielen wirklich antreibt –, impft sie ihm eine giftige Mischung ein: Selbstzufriedenheit, Arroganz, Brutalität, Fanatismus. Diese Mischung bleibt nur so lange unter der Oberfläche, wie die Zeiten gut sind.
Wissenschaft als Volksreligion tröstet nicht – sie nährt einen falschen Stolz, eine Art Stolz auf Selbstverachtung. Kommt dir das bekannt vor? Es sollte vor allem Frauen bekannt vorkommen. Diese Religion macht die Vielen nicht freier, sondern fügsamer – unterwürfig gegenüber jenen Autoritäten, die angeblich verstehen, wie man mit Technologie umgeht. Und genau das ist ihr Zweck: die Vielen zur Unterwerfung zu bringen. Das wäre nicht einmal schlecht, wenn sie sich nicht ausgerechnet den Herren der Lüge unterwerfen würden.
Daran erkennst du, warum die Aufklärung niemals »stattfinden« kann – und auch, warum ihre Kritiker, etwa Heideggers Jünger, in vielem auf der falschen Spur sind. Sie haben recht, wenn sie sagen, daß jeder Mensch einen einzigartigen inneren Charakter besitzt, eine hochspezifische Biologie, weit individueller als die gleichförmigeren Tiere. Eine Arbeiterameise oder zwei Fruchtfliegen gleichen sich bis ins Innerste – beim Menschen hingegen ist jeder etwas anders. Daraus schließen sie: Kein allgemeiner Weg kann genügen. Jeder Mensch müsse seine eigene »Religion«, seine eigene Wahrheit, seinen eigenen Pfad entdecken – alles andere sei unecht, geistige Unterwerfung, Verrat an der eigenen Biologie, an den Bedingungen des eigenen Gedeihens.
Das stimmt. Nietzsche selbst ging so weit, nichts zu lesen, was andere geschrieben hatten, um seinen Geist nicht zu vergiften. Und er war ein Mutant mit einzigartiger Biologie – wie viele dieser Typen. Er hatte recht: Für solche Menschen ist die wichtigste Forschung vielleicht die der Ernährung oder der Physiologie. Doch eines vergaß er nie, und das vergessen diese neuen Kritiker: Die Natur ist ungleich. Die grundlegende Wahrheit ist Ungleichheit. Es ist Wahnsinn, vom Durchschnittsmenschen zu verlangen, er solle seine eigene Religion schaffen. Die Vielen finden Trost in der Unterwerfung – und das ist gut so. Sie sollten sich dessen nicht schämen müssen.
Ein Großteil des modernen Wahnsinns besteht darin, genau das ihnen auszutreiben – jenen, die wahres Vergnügen an Gehorsam, an Ordnung, an der Übergabe des Willens empfinden. Die lange Kette des Seins wird durch Befehl und Gehorsam zusammengehalten. Die Vielen unterscheiden sich untereinander kaum, und ihre Lebensbedingungen sind nicht so verschieden, wie man glauben möchte. Auch du – so besonders du auch sein magst – bist durch tausend Bande mit dem Durchschnittsmenschen verbunden. Auch dein Körper ist kein Privileg – er ist ein öffentliches Gut. Der »individuelle« Körper ist wahrscheinlich krank. Der universelle Körper, der wahre Typus, entdeckt von den Griechen in Wissenschaft und Kunst, ist nicht etwas, das du durch Pflege deiner Schrullen, Eigenheiten und Schwuchteleien entwickeln wirst.
Biologie funktioniert nach Typen und nach Graden der Manifestation – nicht nach der Ausbildung »einzigartiger« Exzentrizitäten. Richtig verstanden hilft Wissenschaft uns, diese Typen zu erkennen, die wirklichen Spaltungen in der Natur, die wirklichen Kategorien. Wissenschaft ist nicht das Problem. Sie ist kein Feind der Seele. Sie hat keinen »eigenen Inhalt« – alles hängt davon ab, wer sie benutzt, und wozu. Sie ist ein Werkzeug, das uns helfen kann, die biologischen Bedingungen des Lebens zu erfassen, die Verhältnisse zwischen den Formen. Sie kann – wie Nietzsche prophezeite – die Frage nach der Hierarchie der Werte beantworten, oder besser: die Frage nach der wirklichen Leiter des Lebens, der biologischen Rangordnung der Typen.
Was dies verhindert, ist nicht der Wissenschaft innewohnend. Es ist ein politisches und soziologisches Problem. Doch früher oder später wird eine neue Kraft kommen – eine rechte Kraft –, die die Wissenschaft an sich nimmt und ihr wahres Potential offenbart. Denn Wissenschaft war niemals dazu da, uns Komfort zu bringen.
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Ich spreche nicht davon, ob Gott existiert. Ich weiß es nicht. Ich habe es nie gewußt, nie gespürt – weder in die eine noch in die andere Richtung. Ich saß in Häusern der Religionen, aber immer blieb ich leer, müde, eingeschläfert. Auch buddhistische oder hinduistische Tempel – anfangs interessant –, verloren schnell ihren Reiz. Ich sah das Spektakel, ja, aber erkannte auch: Diese Priester sind nur weitere Rammböcke. Immer war ich gelangweilt. Wie könnten die geheimen, verborgenen, kostbaren Dinge der Welt eine Sache von Doktrin und Gerede sein? Doch – und warum die Menschen diese beiden Dinge ständig zusammenbringen, verstehe ich nicht –, von Kindheit an hatte ich ein sicheres Gefühl, daß Dinge bewohnt sind. Jedes Objekt war für mich beseelt. Ich ehrte bestimmte Spielzeuge, versteckte sie sorgfältig, fand tote Tiere und begrub sie mit einem Zeremoniell, das niemand mir beibrachte. Ich spürte, daß ich mit Tieren sprechen konnte – sie waren meine Brüder und Schwestern. Dieser »Animismus« ist die natürliche Religion des Menschen. Jedes Kind, das man allein draußen spielen läßt, kennt ihn. Ich erinnere mich an einen kleinen weißen Hund, der unter Blauregen saß, der auf rostigem Wellblech wuchs. Ich glaube, dieser Hund ist mir mein ganzes Leben lang in verschiedenen Formen gefolgt. Und ich bin mir fast sicher, daß Götter existieren. Jedenfalls ist das Argument gegen den einen Gott nicht dasselbe wie gegen die vielen Götter. Die Tiraden von Sam Harris, Hitchens, den »neuen Atheisten« – nichts daran ist neu. Sie wollen nicht nur Religion aus der Öffentlichkeit verbannen, sondern auch dein Innerstes entseelen, um es mit ihrer eigenen dummen Ersatzreligion zu besetzen. Wenn ihnen das gelingt, liegt es daran, daß der Monotheismus übertrieben hat. Er stellte zu große Ansprüche, und als diese fielen, hinterließ er das Gefühl: Es gibt gar nichts – außer »Wissenschaft«. Eine Wissenschaft, die niemand versteht, weil sie selbst nichts als Methode ist. Es wäre ehrlicher gewesen, echten Skeptizismus zuzulassen, aber selbst das gestatten sie dir nie bis zum Ende.
Und doch – vergiß für einen Moment alle Behauptungen über Gott, über Schöpfung aus dem Nichts, über Materie und Geist. Du brauchst keine Wissenschaft, um zu wissen, daß dies deiner Intuition, deiner unmittelbaren Wahrnehmung widerspricht. Paglia sagte einmal, die Neuheit des einen Gottes bestehe darin, daß er die Welt durch Worte ins Dasein sprach. Wie anders sind alle anderen Schöpfungsmythen! Die Heiden wußten, daß die Welt ewig ist – entstanden aus Zyklen von Geburt, Tod, Wiedergeburt, Kopulation, Regeneration. Die Japaner erzählen von Göttern, die auf Felder scheißen, um sie fruchtbar zu machen – und das erklärt vieles in ihrer Kultur. Der Monotheismus, besonders in seiner deistischen oder intellektuellen Form, macht aus Materie ein Abgeleitetes: erschaffen aus dem Nichts, tot, leer, bloßes Gefäß für ein äußeres Gesetz. Seine Zeit wird zur Linie, nicht zum Kreis. Seine Götter sind Richter, nicht Zeuger. Diese Sicht widerspricht allem, was du fühlst – also fordert sie Glauben, ein Konzept, das allen alten Völkern unbekannt war. Deshalb hielten die Römer Christen und Juden für Atheisten.
Warum also sollten überlegene Wesen – prächtig, intelligent, mit Kräften, die dir wie Magie erscheinen – nicht existieren? Der einzige ernsthafte Einwand stammt von Schopenhauer, der meinte: Jede Intelligenz über der des Menschen hätte sich längst selbst abgeschafft. Wenn du das nicht glaubst – was bleibt dann? Bitte sag nicht: »Es gibt keinen Beweis.« Oder: »Ich habe nichts gesehen.« Wissenschaftlicher Beweis ist hier gar nicht anwendbar. Selbst wenn ein niederer Gott, ein purpurroter Kobold mit bösartigem Blick, sich in einem weißen Kittel zeigen würde, würde der Pedant sich selbst überzeugen, er habe halluziniert. Und ohne reproduzierbare Versuche, Beobachtungen unter Laborbedingungen, die andere »verifizieren« können, ist »Wissenschaft« machtlos. Und was sagst du zu all den alten Berichten, daß solche Wesen sich früher zeigten – und vielleicht noch immer? Warum sollten sie sich dir zeigen? Die moderne Schwäche, die Rückgratlosigkeit des Käfer-Menschen – kein Gott würde sich einer solchen Kreatur offenbaren, um verspottet zu werden! Erinnerst du dich an Mishimas junge Männer der Liga des Göttlichen Windes? Ihre Leidenschaft, ihre Wut galt den unsterblichen Göttern. Sie wußten: Wenn die Rasse der Krieger verschwindet, vergessen die Vielen die Götter, und sie sinken herab – zu machtlosen Schatten zwischen Schilf und Traum. Die wahren Götter besitzen Macht, aber nicht jene, die die Vielen sich vorstellen. Warum sollten sie sich um den Menschen kümmern? Sie sind selten, kostbar – es liegt am Menschen, sie zu suchen, zu erkennen, zu ehren. So war die antike Sicht, und darum war die Gründung und Pflege eines Orakels die erste Staatsaufgabe. Götter lenkten nicht Natur oder Schicksal – aber sie konnten ihre Struktur, zu den entscheidenden Zeiten, offenbaren.
Und wenn heute ein Gott zu dir im Traum spräche, – hättest du die Kraft, ihn zu ehren, seinen Willen zu vollziehen? Oder würdest du, kastriert vom Schwarmgeist der Sklaven, alles abtun, dich selbst für verrückt erklären, dich als unwürdig verachten – obwohl es nicht du bist, der unwirklich ist, sondern der Käfer-Mensch und sein Geschwätz? Nein – ich will, daß du bereit bist. Ich will, daß du mit höchster Begeisterung berauscht bist – bereit, diese größten Gaben in Vertrauen und Kraft zu empfangen.
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Nerds – jene Lieblinge der spießbürgerlichen Tuchhändler, die die Städte regieren und sich wenigstens für schlau halten wollen, um Respekt einzufordern – sind Träger einer selbstzerstörerischen Karikatur von Intelligenz. Ihre Leichtigkeit im Umgang mit bedeutungslosen Konzepten und abstrakten Spielereien läßt sie glauben, sie verstünden reale Dinge. In Wahrheit haben sie nur ein mißgeleitetes Verhältnis zu Sprache und Grammatik, das sie bis zur Unkenntlichkeit überverallgemeinern. Einfache Leute verwechseln diese wortgewandte Leichtfüßigkeit mit echtem Intellekt.
So wäre es zum Beispiel ein Leichtes – wie manche tatsächlich tun –, über die zwei Arten von Leben, die ich erwähnt habe, zu spekulieren und zu behaupten, das Universum entwickle sich vom Einfachen zum Komplexeren. Solches Denken ist dasselbe wie jener naive Glaube an historischen »Fortschritt«, an eine Bewegung der Geschichte hin zu größerer Vernunft, zu Frieden, Wohlstand, Freiheit oder was sonst gerade als Wert herumgereicht wird. Diese Denkweise ist grundfalsch. Auch wenn ich überzeugt bin, daß die zwei physiologischen Prozesse, die ich beschrieben habe, tatsächlich zwei verschiedene Lebensformen mit je eigenen Bedingungen und Zielen darstellen, gibt es keinen Beweis für eine Bewegung der Zeit zu Gunsten der einen oder der anderen. Weder im Universum noch in der Menschheitsgeschichte.
Wenn überhaupt, so deutet alles auf eine Entwicklung zu den niederen Lebensformen hin. Ich zweifle nicht daran, daß einst Wesen von großer Schönheit und Komplexität existierten – und verschwanden, weil die Bedingungen für ihr Bestehen ungleich schwieriger waren. Genauso wenig zweifle ich daran, daß die Menschheit viele Zivilisationszyklen durchlaufen hat – über Hunderttausende Jahre –, und daß große Zivilisationen, weit fortgeschrittener als die unsere, längst unter Meilen von Asche und Fels liegen, unter dem Eis der Antarktis oder längst zu Staub zermahlen wurden.
Die Erinnerung an solche Dinge kommt zurück – bei sehr sensiblen Jugendlichen, bei jenen mit einem Nervensystem, so fein, daß es, wie ein Parasit, den ganzen Organismus übernimmt. In Momenten völliger Ruhe kann eine winzige Regung im Willen ein schwaches Echo auslösen – eine Erinnerung, die nicht erklärbar ist, aber sich wie eine Offenbarung anfühlt, wie ein uralter Ruf aus Zeiten, die nie mehr sein werden.
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Reinkarnation war der ursprüngliche Glaube nahezu jeder Gesellschaft oder jedes Stammes, der seine Schlüsse aus der Beobachtung von Leben und Natur zog. Die neuen Religionen – der Glaube Israels, die daraus hervorgegangenen Lehren und viele andere, die etwa zur gleichen Zeit entstanden – mögen zu ihrem Ursprung von göttlicher Eingebung berührt gewesen sein, doch so wie sie heute verstanden und gelehrt werden, sind sie Konstrukte des menschlichen Geistes: abstrakt, utilitaristisch und grob politisch. Ich glaube übrigens, daß der Zoroastrismus die eigentliche Wurzel der biblischen Glaubensvorstellungen ist. Davor jedoch glaubte fast jede Kultur an Reinkarnation. Dieser Glaube lebt in manchen Gegenden bis heute fort, auch wenn seine moralische Deutung – etwa im Hinduismus, Buddhismus oder bei Platon – später zur sozialen Disziplinierung und aus politischen Gründen überlagert wurde. Doch der ursprüngliche Glaube ist viel naiver und älter. Und weil er so naiv ist, glaube ich, daß er eine Wahrheit in sich tragen muß. Er läßt sich nicht als Wunscherfüllung oder als Ausdruck eines unstillbaren Unsterblichkeitsverlangens abtun. Denn, erstens, spätere Religionen haben dieses Bedürfnis nach ewigem Leben weit überzeugender bedient, und zweitens ist für viele Menschen gerade Reinkarnation eine Art Hölle: Ein weiteres Leben auf dieser Erde – das ist für viele keine Verheißung, sondern ein Albtraum. Selbstmord war in allen Epochen ein häufiger Ausweg. Doch der Tod ist nicht das Ende. Ich glaube, daß Reinkarnation im Grundsatz wahr ist – auch wenn die meisten Religionen sie in populärer und metaphorischer Form als Metempsychose lehren: die Vorstellung, daß die ganze »Seele« eines Menschen, also die angebliche Einheit von Wille und Intellekt, vollständig wiedergeboren werde. Das ist falsch. Der Intellekt ist etwas Körperliches, eine Eigenschaft wie Muskelkraft – er kann nicht »wiedergeboren« werden, ebensowenig wie deine Muskeln. Du bist nicht dein Intellekt. Diese Annahme aber ist heute fast allgemein: Selbst jene, die von biologischem Determinismus reden, glauben insgeheim, sie seien in Wahrheit ihr Verstand – nur eben eingesperrt in Fleisch, Gene, neuronale Programmierung. Aber das ist grundfalsch. Es ist nicht dein Intellekt, der wiederkehrt. Ich sage dir, was es ist.
Nimm eine Fruchtfliege oder eine Arbeiterameise. Wesen dieser Art stehen nahe am Pflanzenleben, besitzen kaum Intellekt, ein primitives Nervensystem. Sie zeigen angeborenes Verhalten, reagieren auf Reize, folgen einem inneren Kompaß, den man »im Blut« nennen könnte. Wenn du eine Ameise tötest, ist die nächste genau gleich. Ihre Wiedergeburt ist unmittelbar – weil der Wille gleichmäßig über den Typ verteilt ist. Die Ameise besitzt einen Willen, der im gesamten Staat dieselbe Art ist. Stirbt die Königin, nimmt die nächste exakt denselben Platz ein: Sie ist, was Schopenhauer den Willen nannte, in genau demselben Sinn eine Reinkarnation.
Du siehst das nicht, weil du dich mit deinem Intellekt verwechselst. Aber der Teil, der wirklich du bist, bleibt bestehen – selbst wenn dein Denken ruht, selbst wenn du dein Gedächtnis verlierst. Wenn du daran zweifelst, stelle dir vor, du müßtest bei einem geliebten Menschen wählen: Würdest du ihn lieber völlig ohne Erinnerung wiedersehen, aber mit seinem alten Wesen, oder mit allen Erinnerungen, aber mit fremder, kalter Persönlichkeit? Jeder weiß, was die richtige Antwort ist. Wir lieben nicht Erinnerungen, sondern Wesen. Und radikale Persönlichkeitsveränderungen gibt es nicht – jeder weiß das instinktiv. Die niederen Lebensformen folgen einem einheitlichen Willen, der kaum von Naturkräften unterscheidbar ist – wie Schwerkraft, die überall gleich wirkt. Sie werden sofort wiedergeboren, leben simultan in vielen Körpern. Erst bei höheren, differenzierteren Wesen erscheint der Wille individuell – bei Tier und Mensch zunehmend einzigartig. Aber dieser Wille, diese Weise des Wollens, bleibt körperlich und biologisch. Sie ist kein Gedanke, kein Ich, keine Reflexion. Dieses Ding, dieser Wille, wird wiederkehren – dieselbe Art, dieselbe Struktur, dieselbe Art zu handeln, zu fühlen, zu streben. Und in einer Zeit wie der unseren, in der die Menschen sich der Erde wie Heuschrecken über Millionen und Milliarden ergießen, stellt sich eine weitere Frage: Kann es sein, daß dieser Wille in mehreren Körpern gleichzeitig lebt?
Woher stammen all diese Wesen? Manche sagen, diese neuen Milliarden von Menschen seien einst Hefe, Amöben, Insekten gewesen, Wesen, die in Massen geboren und ebenso massenhaft vernichtet werden. Ich würde das gern glauben. Doch ich vermute eher, daß auch frühere Zeitalter Milliarden Menschen hervorgebracht haben – vielleicht mehr als heute – und daß das Universum von Leben aller Art wimmelt.
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Es wäre interessant zu wissen, welches »Aussterbe«-Ereignis oder welcher Pfad in jedem früheren Zyklus menschlicher Zivilisation jeweils das Ende brachte. Ob es etwas völlig Zufälliges war – ein Asteroid, ein gewaltiger Vulkanausbruch –, oder ob die Ursache in der Zivilisation selbst liegt, in einem Verhalten oder einem Zustand, der unweigerlich zu ihrem Zusammenbruch führt: ein kollektiver Wahnsinn, der zu Krankheit, Massensterilität oder tödlicher Waffentechnik führt – oder etwas noch Unheimlicheres. Ich frage mich, ob die heutigen Völker und Religionen nicht auch in früheren Zyklen schon existierten, unter anderen Namen, mit anderen Äußerlichkeiten, aber im Innersten gleich. Und ob eine dieser Gruppen – oder ein Glaube, der noch gar nicht erschienen ist – jedes Mal aufs Neue die Ursache des Untergangs war. Ein Frosch sagte mir einmal, die gegenwärtige Bevölkerungsexplosion Afrikas sei in Wahrheit das Ereignis, das in Alien beschrieben wird: eine Masse von Leben, gezüchtet unter extremer pathogener Belastung, unfähig in kalter Umwelt zu bestehen, aber dennoch fähig, die Welt in ihren Grundfesten zu erschüttern, so wie Zombies, die marschieren, bis die Gesellschaft zerbricht. Ich persönlich bezweifle das. Asien wird sie aussperren, ohne mit der Wimper zu zucken oder auch nur einen Laut ihres Leids zu hören.
Ich glaube, daß die Ursachen des Endes von Zyklus zu Zyklus verschieden waren, aber daß oft, vielleicht am interessantesten, das Ende durch das Auftreten von Bruderschaften wilder Männer eingeleitet wurde – Männer, die beschlossen, die Erde zu reinigen und das Gewürm des Menschen aus ihr zu tilgen. Denn leider bringt der Fortschritt der Zivilisation über lange Zeit immer auch die Vermehrung des Beschädigten, der Degeneration. Die Innovationen der Menschheit führen zu unsäglichen Abtreibungen des Lebens, und irgendwann erheben sich Männer am Rand der Welt, entschlossen, die natürliche Ordnung wiederherzustellen – sie beginnen, das Ende von allem zu planen.
Ich frage mich auch, ob es eine Zivilisation gab, die diesem Kreislauf der Zerstörung entkam – ob sie sich unter der Erde versteckt hat, vielleicht seit Äonen lebt, ein ewiges Leben führt, ein Experiment, das sich selbst beobachtet wie ein Traum. Vielleicht senden sie von Zeit zu Zeit Boten aus, um sich zu amüsieren. Aber bei diesem Gedanken schaudert es mich: Wenn diese Logik gilt, dann hat möglicherweise auch das andere überlebt – das abgebrochene Roboterleben, zu dem die Masse der Menschheit am Ende jedes Zyklus degeneriert. Vielleicht vegetieren sie in kleinen Gruppen als »Maulwürfe«, unter kalkigen Hügeln oder in vergessenen Höhlensystemen mit unterirdischen Gängen. Geschichten von Vampiren, Kobolden, kryptiden Humanoiden – sie erzählen wohl von genau diesen degenerierten Nachzüglern, die aus der Tiefe kommen, uns heimsuchen, uns jagen.
Zweifellos stammen manche »Götter« von solchen Typen ab – oder von ihren Gegenspielern – und zweifellos hausen in der Erde noch viel seltsamere Dinge. Siehe bitte die DEROs, wenn du dich traust. Es gibt mehr Dinge …
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Es kann keine »künstliche Intelligenz« im eigentlichen Sinne geben – jedenfalls nicht in dem Sinn, in dem die Leute diesen Begriff verwenden. Wenn sie damit meinen, daß eine Maschine gewisse Leistungen des menschlichen Intellekts nachbildet, mag das eines Tages möglich sein, und vielleicht sogar nützlich. Aber so weit sind sie noch lange nicht. Ihr einziger größerer Erfolg ist das Schachspiel – und selbst dort ist der Weg das Ziel. Noch immer scheitern sie daran, einen Ball zu treten, Ketchup in eine Flasche zu gießen oder einfache Objekte sicher zu erkennen. Könnte eine solche Maschine jagen oder fliehen, wenn sie gejagt wird? Aber sie meinen ohnehin nie bloß eine Annäherung an den Intellekt, sondern sie meinen ein künstliches Leben, ein Bewußtsein, das nicht vom menschlichen zu unterscheiden ist – ein künstliches Selbst. Und damit sind wir beim eigentlichen Kern der Sache. Es gibt da eine verwandte Idee, die in Wahrheit dasselbe meint: das Gerede davon, das Universum bestehe in Wahrheit aus Logik oder Information. Daß alles, was Materie ist, in logischen Beziehungen darstellbar sei, also sei das Universum selbst nur ein riesiges Rechenmodell. Daraus folgt der Glaube, man könne seinen Verstand auf einen Computer hochladen – Unsterblichkeit durch »Backup«. Dieselbe Art Idiotie.
Die Motivation dahinter ist Nerdigkeit, aber auch ein ganz bestimmter Denkstil, den ich »judaistisch« nennen würde: eine Tendenz zur Verliebtheit in Worte, Zahlen, Grammatik – eine Abstraktionssucht, die mit der Abneigung gegen das Sichtbare einhergeht. Der uralte Haß auf Materie, Schönheit, Körper, wie man ihn nicht nur im Judentum, sondern auch im Islam, in der asketischen Christenheit und bei zahllosen modernen Ideologien findet. Ich sage nicht, daß alle Juden so denken – dieser Stil ist der menschlichen Natur selbst inhärent und findet sich in verschiedenem Maße bei allen Völkern und in jedem Menschen. Ihm steht die gegenwirkende Liebe zum Sichtbaren, zur Form, zum Bild, zur lebendigen Materie gegenüber. Der Kampf ist alt und universell. Doch all diese Vorstellungen – Hochladen des Geistes, das Universum als Algorithmus, künstliches Bewußtsein – sind im Grunde dieselbe Machtfantasie des Nerds: das Leben auf ein Rechenmodell zu reduzieren, um es endlich zu kontrollieren.
Der Nerd ist der eigentliche Priester dieses Kults. Man könnte ihn beschreiben als eine Figur mit uneleganter, pedantischer Intelligenz, oft nicht einmal überdurchschnittlich, aber fanatisch darin, sich mit seinem Geist zu identifizieren – mit seinem Wissen, seinen Definitionen, seinen spekulativen Konstruktionen. Er bastelt Begriffe, denen die Realität dann angepaßt werden muß, wie Glieder einem Prokrustesbett. Es gibt in der Geschichte Menschen, sogar Heilige, die sich ihrer Natur schämten, ihres schlechten Charakters, ihrer bösen Wünsche, und durch Askese und Kontemplation Läuterung suchten. Das ist manchmal edel. Doch das ist nicht der Nerd. Der Nerd schämt sich für nichts, liebt seine Schwächen, macht sie zur Tugend, verachtet alles Körperliche, fühlt keinen Drang zur Umkehr. Sein Intellekt ist nicht stark genug, um seine Wünsche zu überwinden, und seine Wünsche sind zu klein, um ihn zu retten. Er sieht die Dinge nie mit dem Blick des Genies, nie mit der ruhigen, durchdringenden Aufmerksamkeit, die der Künstler oder der wirkliche Denker besitzt. Alles an ihm ist Zwang und Kleinmut. Seine Gedanken haben eine gekünstelte Qualität, weil sie nicht frei sind – sie sind Produkte eines Mangels, der sich selbst verherrlicht.
Noch schlimmer ist der Wunsch nach Prestige. Bei Männern des Intellekts ist dieser Wunsch oft das Widerwärtigste, besonders wenn ihnen echte Männlichkeit fehlt – denn das führt zu Feigheit und Lüge, gegenüber anderen wie sich selbst. Darum sagte Nietzsche, Männlichkeit sei die erste Voraussetzung des Philosophen. Der Nerd ist das Gegenteil: das unmännlichste aller Wesen – und der Todfeind des Menschengeistes.
Sein Traum: Leben nachahmen durch Algorithmen, durch Versuch und Irrtum – nie echtes Leben, nie Bewußtsein. Denn wessen Bewußtsein sollte eine solche Maschine haben? Es ist nur eine Karikatur, ein Zerrbild, ein Spiegel seines eigenen falschen Intellekts, des Stroms aus Syllogismen und Definitionen, der nichts kennt als sich selbst. Und das Resultat ist grotesk: wie wenn ein Mann das tote Mädchen, das er liebte, durch große Magie wiederbelebt, ihren Leichnam schminkt, und konditioniert, damit sie ihre alten Gewohnheiten nachahmt. Am Ende ist sie nur eine lebendige Puppe, ein nachgestelltes Trugbild – und das ist genau, was »KI« ist. Ein lebendiger Leichnam, eine animierte Puppe, eine Parodie auf den Menschen. Es ist die Machtsphantasie einer Verschwörung biologischer Interessen, welche Nerds, die Vernunft-Ideologen, das Lager der leeren Worte, die Mittelmäßigen und die Juden des Geistes in der Hoffnung auf ihren Golem zusammenschmiedet.
»Künstliche Intelligenz« ist der Golem jener, die das Leben hassen. Sie ist ihr Messias. Ihre Rache.
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Jugend und Schönheit wurden in beinahe allen menschlichen Gesellschaften der Geschichte gehaßt – universell und mit System. Die Welt wurde fast immer von alten, gebrechlichen, sklerotischen Männern regiert, die in Angst vor der Jugend lebten und gegen sie intrigierten. Mal war es das Bild der fetten »Erdmutter«, das sie benutzten, um junge Männer zu demütigen und zur Unterwerfung zu zwingen. Mal war es die gezielte Förderung von Häßlichkeit: Perversion in Bräuchen, Skarifizierung, Beschneidung, Selbstverstümmelung. Ganze Religionssysteme beschäftigen sich mit Analhygiene, Zähnen, Fingeranzahl im Anus für magisch-medizinische Effekte, kleingeistigen Legalismen aller Art. Die schiitische Sekte des Islam und das rabbinische Judentum treiben dies am weitesten. Solche Bräuche ersticken jeden echten religiösen Enthusiasmus und die orakelhafte Wissenschaft, aus der einst Kunst, Schönheit und Ekstase erwachsen konnten. Oft sind sogar ihre Speisen häßlich, unappetitlich, wie gekochte Steine. Ihre Sprachen – das meiste Menschengeschwätz ist kaum zu ertragen. Tagalog zu hören ist eine Folter. Ich meine das nicht persönlich – das philippinische Volk kann charmant sein, voll koboldhaften Humors, der vielleicht von den längst absorbierten Negritos stammt. Aber im Ganzen ist die Häßlichkeit des Menschen die Regel, nicht die Ausnahme. Jahrtausende arrangierter Ehen aus reinem Gewinnstreben – bei den Indern etwa – haben ein einst edles Volk zu einer Milliarde Menschen degenerieren lassen, die kaum je einen sportlichen Wettkampf gewinnen. Weniger olympische Medaillen seit Staatsgründung als Kroatien seit 1992. Die Männer wie Frauen: häßlich, inzüchtig, unsexy, fast deformiert. Und doch: sie sind nicht allein.
Denn diese Häßlichkeit ist fast universell. Schönheit ist der seltene Schatz weniger Stämme, die Fortpflanzung nach Maßgabe von Schönheit, Kraft, Haltung wählten statt nach Geld und sozialem Kalkül. Die Zivilisationen, die echte Liebe zur Schönheit zeigten, lassen sich an einer Hand abzählen: die alten Griechen, die Franzosen, die Japaner, vielleicht die Italiener – Kulturen, die ganz der Schönheit gewidmet waren. Meist aber obsiegten die materiellen Interessen. Freie Liebe, so unvollkommen sie sein mag, ist in ihrer Wirkung auf die Fortpflanzung weit eugenischer als das elterliche Menschenhandeln. Der Haß auf Schönheit ist fast immer ein Symptom gesellschaftlicher Not: er entspringt dem Druck von Angst und Gier. Diese Gesellschaften verehren den Gott der Schwere. Ihr Denken kreist um Geld, Zukunft, Nahrung, Besitz, ihr Handeln ist greifend, gierig, von der fixen Idee getrieben, ausgenutzt zu werden. Sie wollen Respekt. Und der Wunsch nach Respekt ist das eigentliche Kennzeichen der Beleidigten.
Man verkauft diesen Haß gern als Heiligkeit: Heilige, die sich von der Welt abwenden, Kontemplative, die Schönheit entsagen – Unsinn! Denn alle schönheitshassenden Gesellschaften hassen noch etwas: Privatsphäre. Persönlichen Raum. Anstand. Gute Manieren. Bei anderen hereinzustürmen ist normal, um Erlaubnis zu bitten gilt als seltsam. Sie schmatzen wie Tiere beim Essen – oder stinken so, wie man es in der Geschichte von solchen Völkern stets berichtet findet – all das zeigt, worum es beim Haß auf Schönheit in Wahrheit geht. Freud beschreibt den inneren Schmerz, den viele seiner Patienten erfuhren, als sie aus dieser Art mittelalterlicher, kollektiver, erstickender Häßlichkeitskultur in eine Welt überwechseln wollten, in der persönlicher Abstand, Verfeinerung und Schönheit geachtet wurden. Dieser Haß richtet sich nicht gegen Schönheit an sich, sondern gegen die Unterscheidungskraft, gegen Differenz, gegen jede Form von Abstand und Rang. Die Schöngeister, die Unbeschwerten – sie erscheinen solchen Völkern wie ein Hohn, eine Verhöhnung ihrer ganzen verzweifelten Mühe, die Gier und das Elend in Schach zu halten. Sie fühlen sich bedroht durch Schönheit, weil Schönheit Ordnung ohne Zwang ist, Anmut ohne Angst, Freiheit ohne Flucht. Darum verfallen solche Kulturen sofort den niedrigsten Formen von Schwulheit, sobald ihre Gesetze gelockert werden. Der Islam ist dafür das deutlichste Beispiel. Juden ohne Religion, Perser ohne Scharia, die Menschen der Golfstaaten – kaum fällt der Druck, degenerieren sie in kürzester Zeit. Wie die Araber vor Mohammed. Sie kehren zurück.
Ich muß das nicht für die Spergs erklären. Männer wie John Milius sind davon ausgenommen – sie widerlegen nicht den Typus. Ich spreche hier von allgemeinen Lebensanschauungen, die auf unterschiedlichen biologischen Bedürfnissen beruhen. Es gibt keinen Kompromiß zwischen denen, die unter Gier leben, gehetzt, deren ganzes Sein dem Besitz dient – und jenen, die sorgenfrei sind, freudvoll, heiter, schön. Die einen sind Schatten. Die anderen streben nach Licht. Die einen trachten nach Erhaltung und Ausweitung bloßen Lebens – die anderen nach seiner Erhöhung.
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Bei den Griechen wurde der Mann der Macht »Anēr« genannt – im Unterschied zu »Anthropos«, einem Begriff, der bloß irgendein schattenhaftes, unbestimmtes Menschenwesen meinte. Der wahre Mann war eine Ausnahmeerscheinung; die meisten Männer waren es nicht – und sind es auch heute nicht. Ursprünglich war dieses Wort Halbgöttern und Übermenschen wie Achilles, Diomedes oder Odysseus vorbehalten. In der Ilias vergleicht Homer Diomedes in seinem Moment des Ruhmes mit einem Löwen, der, durch eine Wunde rasend geworden, Hirten und Hunde auseinanderjagt. Athene entzündete ein Feuer auf seinem Haupt und seinen Schultern und zeichnete ihn so als einen aus, der ganz von jener inneren Kraft erfüllt war, die in allen Dingen ruht. Nun brach sie aus ihm hervor und leuchtete über alle anderen hinaus. Der wahre Mann war erfüllt von Mut und Kühnheit, und diese stammten aus einem Übermaß an Sein. Diese Vorstellung teilten auch andere arische Kulturen: Der römische vir, der altindische und avestische nar, der walisische ner oder der proto-indoeuropäische hner – sie alle bezeichnen eine vitale Lebenskraft, die übermenschliche Stärke verleiht.
Ein anderes, verwandtes Wort ist ayu – es bezeichnet die jugendliche Lebenskraft, die sich in jeder Generation erneuert, von Leben zu Leben weiterzieht, unvergänglich. Aus ayu stammen viele indoeuropäische Wörter für Jugend, Kraft und Leben: das lateinische iuuenis, das Sanskrit-Wort, ebenso die germanischen und englischen Formen. Mehr noch: Dieses Wort steht hinter aetas und aeternus, hinter dem Begriff des Zeitalters, des zyklischen Zeitlaufs, der Ewigkeit. Jugend und Ewigkeit sind in diesen Sprachen dasselbe Wort – dieselbe Idee! Im Griechischen ist diese Vorstellung besonders lebendig: Das Wort aiei bedeutet »immer«, aion wiederum umfasst Lebensspanne, Kraft, jugendliche Dauer. Diese Völker sahen die jugendliche Energie als die treibende Kraft allen Lebens – sich ewig erneuernd, sich in jeder Generation wieder verkörpernd, auch wenn Erinnerungen und Geschichte verblassen.
Wer den poetischsten Ausdruck dieser Sicht sucht, findet ihn bei Homer: in der Ilias, im Tod des Euphorbos, der mit einem jungen Baum verglichen wird, der in voller Blüte steht, dann aber vom Sturm gefällt wird. Pythagoras soll auf Sizilien beim Anblick des Schildes von Euphorbos in Tränen ausgebrochen sein – denn er erkannte darin sich selbst, erinnerte sich daran, jener gewesen zu sein, dessen Name einst darauf stand. Diese Vorstellung lebt weiter. Deshalb konnte D. H. Lawrence in den Sarkophagen der alten Etrusker – in ihrer Festfreude, dem Wein, den tanzenden Delfinen, der heiteren Kunst – ein Volk erkennen, das das Leben auf ähnliche Weise feierte: als unbändige, unvergängliche Kraft, die sich in Schönheit und Lust immer wieder neu gebiert – und für das der Tod kein Ende, sondern nur ein Schleier war.
Auch wenn ich schöne, stattliche Jugendliche zeige, tue ich das, weil sie mir Ruhe und Freude schenken – in ihnen sehe ich die unerschöpfliche Verjüngung dieser Kraft, das geheimnisvolle Streben der Natur, das in allem lebt. Ihr »Plan«, ihre Absicht, ist jenseits aller Sprache – aber unzweifelhaft: Sie will sich steigern, durch Widerstände hindurch, gegen andere Fraktionen und zentrifugale Kräfte, zur Hervorbringung eines überlegenen Wesens, eines Exemplars schrecklicher Schönheit und Kraft. Ich zweifle nicht daran, daß die Götter – wenn sie existieren – nur wie vervollkommnete, leuchtende Körper schöner Jünglinge aussehen würden, wie sie einst den Griechen in Träumen erschienen. Diese entdeckten als erste die wahre biologische Form des Menschen, die richtigen Proportionen, das ideale Maß.
Ich zweifle auch nicht daran, daß diese Kraft, die in uns mit anderen ringt, die Bühne unserer Geschichte, unseres Lebens, unserer Geister zum Schlachtfeld gemacht hat – und daß es daher töricht wäre, passiv zu bleiben. Sie fordert uns auf, sich ihr hinzugeben, sich von ihr besitzen zu lassen, in ihrem Namen gegen ihre Feinde Krieg zu führen. Wer die wahre Macht von aion – dieser ewigen jugendlichen Energie, die das Universum ist – verstehen will, muß lesen, was Heraklit davon hinterließ: wie er das Wort mit dem Feuer verknüpft, das das Wesen allen Seins, allen Werdens ist. Und wie recht hat er, wenn er sagt: »Die Besten begehren über alles den unvergänglichen Ruhm unter den Sterblichen – doch die Vielen stopfen sich voll wie das Vieh.« Das ist es, woran ich glaube!
Teil II: Parabel des Eisernen Gefängnisses
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Wenn du Pathologie, Gebrochenheit, denaturiertes Leben als das erkennst, was es ist, kann es dich vieles über das Leben im Zustand der Gesundheit lehren. Es ist nichts Falsches daran, das Leben unter Streß zu betrachten – solange du es nicht mit Leben in Aufstieg und Freiheit verwechselst. Nimm einen Arbeitshund, etwa einen Terrier, selbst einen verspielten Jack Russell: Wenn du ihn in eine Stadtwohnung sperrst, wird er anfangen, sich durch den Boden zu graben. Dieses Verhalten ist ihm angeboren – es ist sein Versuch, seine Kräfte zu entfalten, seinem Wesen gemäß zu handeln. Und es gibt kaum etwas Traurigeres, als ein Tier zu sehen, das so vereitelt wird. Es imitiert seine eigene Natur, aber ist zur Puppe geworden, zum leeren Schauspiel ohne Ziel und Erfüllung. Carl Schmitt sagte einmal: »Sie haben uns auf die Weide gestellt.« Genau das ist der Zustand des Lebens in der modernen Welt.
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Die moderne Welt ist nicht schlecht, nur weil sie modern ist; und sie ist besser als manche Zeitalter der Vergangenheit. Viele Abschnitte der Geschichte waren ebenso schlimm oder schlimmer als unser heutiger Zustand – und aus denselben Gründen. Das Moderne ist »nichts Neues«: Es ist die Rückkehr einer uralten Unterwerfung, einer alten Gebrochenheit, nur unter neuer Verpackung, angetrieben von neuen Konzepten und Rechtfertigungen. Wenn du unsere Zukunft sehen willst, dann sieh auf Europa, wie es vor 1600 v. Chr. existierte, oder auf weite Teile der Welt, wie sie bis vor kurzem waren und vielerorts noch sind – das gemeinschaftliche Leben des Langhauses, in dem junge Männer von Alten und Sklerotischen, von Matriarchinnen beherrscht und gebrochen werden; der Blob- und Hefe-Modus menschlichen Daseins, der alle höheren Regungen aufsaugt und unterjocht. Aztekische »Städte«, in denen zwanzig stumpfe Gestalten vom Boden essen und schlafen, aufgehetzt von blutgierigen Priestern mit toten Augen, die die Massen lenken. Und es macht keinen Unterschied, ob man dafür nun die Täuschungen von Vernunft und Logos ins Feld führt – um uns in dieses Leben zu karren.
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Eine Geschichte moderner Gebrochenheit – So vieles ist bereits über die Übel der Moderne oder die Krise unserer Lage geschrieben worden. Sowohl auf der Linken als auch auf der Rechten spüren viele – vielleicht sogar die meisten –, daß etwas entsetzlich schiefgelaufen ist. Selbst jene, die einige Aspekte des neuen Zeitalters lieben, wie etwa die Technologie, wenden sich ab von der Banalität unserer Zeit und hoffen lieber auf ein künftiges Gedeihen, das bislang ausgeblieben ist. Ich bin dieser Klagen ein wenig müde! Ich will nicht noch mehr Schmähungen der Moderne wiederholen, die vielen von euch ohnehin bekannt sind. Die meisten davon sind Fußnoten oder Kommentare zu Nietzsches Prolog in »Also sprach Zarathustra«, wo er den Letzten Menschen beschreibt. Der Letzte Mensch wurde fälschlich mit dem Bourgeois verwechselt, obwohl Nietzsche selbst sagt, daß es sich um etwas weit Schlimmeres handelt. Houellebecq, dessen Deutungen der sexuellen Misere der Moderne, des Incel-Phänomens – all diese Deutungen sind erstaunlich und wahr –, selbst er folgt lediglich Nietzsche. Wenn du das wahre Problem unserer Zeit erfassen willst, kannst du dort nachlesen; ich werde mich nicht damit aufhalten. Ich will mich nur einem bestimmten Fall von Domestizierung, von Gebrochenheit und vereiteltem höheren Leben widmen, um das eigentliche Problem unserer Zeit zu illustrieren.
Die eigentümliche »Geschichte« der Queen – jenes modernen, effeminierten Homosexuellen – ist in dieser Hinsicht aufschlußreich. Denn das Problem des modernen Homosexuellen offenbart das Muster, nach dem viele andere Arten höheren Lebens vereitelt und in etwas anderes verwandelt wurden. Laß dich nicht von den Propagandisten täuschen: Der moderne Homo hat nichts gemein mit der antiken »räuberischen Bisexualität« oder den päderastischen Riten, wie man sie in vielen Gesellschaften fand. Einerseits hat es Menschen wie die moderne Queen wohl immer schon gegeben – andererseits jedoch treten heute zahllose Exemplare auf, die dies geworden sind, obwohl sie es früher nicht geworden wären. Es handelt sich um ein sehr unglückliches Ereignis im Leben eines Tieres.
Camille Paglia sagt, der moderne Homosexuelle sei ein Produkt der Zwänge des postindustriellen Lebens. Ihr Modell beschreibt einen besonders sensiblen jungen Jungen, offen für ästhetische Erfahrungen aller Art – vielleicht die Sorte leicht neurotischen, künstlerischen Jungen, der vor einem Jahrhundert Synästhesie erlebt hätte. Ein solcher Junge wird abgeschreckt vom Balgen und der »rauen« Männlichkeit seiner Brüder, seines Vaters und anderer Jungen seines Alters. Die Abwendung von dieser Männlichkeit geht einher mit seiner Annäherung an die Mutter, der Idealisierung des Weiblichen: In der Pubertät führt die Distanz zur Männlichkeit – oder auch die Furcht davor – dazu, daß er sie erotisiert, während er sich von Frauen abwendet, sei es aus zu großer Vertrautheit, sei es aus zu großer Ehrfurcht.
Darin hat Paglia nur halb recht – die andere Hälfte der Geschichte verdanke ich einem fremden Geist, dessen Lehren unter einigen der Frösche zirkulierten. Sein Name ist Harro MJ, doch ich denke, dies ist ein falscher Name. Ich gebe hier einige seiner Gedanken wieder, soweit ich sie verstanden habe. Ich glaube, er erzählt darin seine eigene Geschichte – oder die eines Bekannten: Er beschreibt, wie die moderne Welt seine Natur durch Einschränkung verdarb und ihn zu einem Homo machte. Aber ich denke, seine Geschichte steht exemplarisch für viele andere, die nicht schwul wurden, jedoch auf andere Weise entstellt – durch dieselbe Kraft. Paglias Wiederholung Freuds ist nicht falsch, doch sie übersieht ein entscheidendes Element dieser Geschichte: warum sich ein solcher Junge überhaupt von der Männlichkeit seiner Altersgenossen abwendet. Es ist nicht das Balgen an sich, nicht die Rauheit des männlichen Wettbewerbs, die ihn abschreckt – sondern der völlig falsche, künstliche Charakter solcher Zurschaustellungen in unserer Zeit. Ein solcher Junge nimmt etwas wahr, was seinen Altersgenossen entgeht: die bedingte, vollständig abhängige Beschaffenheit des Lebens, das man uns heute bietet. Es ist nicht die Männlichkeit selbst, nicht der Wettstreit um Status, nicht die physische Härte, die ihn abstößt – sondern die Tatsache, daß all dieses Treiben in bereits besessenem Raum stattfindet.
Diesen Aspekt unserer Zeit zu begreifen, ist von entscheidender Bedeutung. Wenn ich von etwas wie »besessenem Raum« spreche, darf das nicht bloß ein Wort bleiben. Wenn du wirklich etwas verstehst, dann siehst und fühlst du es – so, wie du als Kind eine vertraute Landschaft kennst. Du weißt, wie sich der Boden anfühlt, wo die Bäume stehen, wo das Wasser fließt; du weißt, wie lange es dauert, von den Buchen zur alten Fabrik zu laufen. Die Karte ist in deinem Körper gespeichert. Nur auf diese Weise kann man wirklich begreifen. Ich glaube, ein solcher Junge gehört zu den wenigen, die durch das Schattenspiel hindurchsehen, das die Herren der Lügen vor unseren Augen errichtet haben, um die Vielen zu blenden. Er ist nicht abgestoßen von Männlichkeit – sondern vom possenhaften, getäuschten Charakter moderner Männlichkeit. Der besiegte Mann, der zum Knecht und kastrierten Haustier für Frauen und verborgene Herren gemacht wurde, ist ein erbärmlicher Anblick. Die Kämpfe um Rang, das Raufen, die Abenteuerlust, die Jungen im natürlichen Zustand entfalten sollen – all das ist in der Natur gedacht als Vorbereitung auf ein Leben der Eroberung und Ausdehnung.
Römische Teenager aus der Patrizierklasse wurden bereits auf Missionen des Imperiums in die Ferne geschickt. Der moderne erwachsene westliche Mann aber holt sich Erlaubnis, anderen Männern beim Sport zuzusehen, schlürft seinen Pflanzenöl-Fraß, bettelt um »Muschi« in simulierter Kopulation, masturbiert dabei mit Plastik am Schwanz. Und genau der Typus, der für Expansion geboren ist, ein frühreifer Junge, der nach echter Entwicklung strebt, nach wirklicher Beherrschung des Raumes um ihn – dieser wird seine Erwartungen an das Leben zerschmettert und vereitelt sehen, sobald seine Augen sich öffnen. Das kann mit sechs oder sieben Jahren geschehen – manchmal sogar früher. Und ein solcher Junge wird nichts als Verachtung empfinden für jene Altersgenossen, die, ohne das Joch zu erkennen, unter dem wir stehen, in ihrer Illusion fortleben und die Brechung akzeptieren, die die Herren der Schatten etwa um diese Zeit beginnen – mit neun oder zehn Jahren ist die »Erziehung« im modernen Zeitalter praktisch abgeschlossen. Sie beugen sich dem Joch, und ihre simulierte Männlichkeit ist nun eine Karikatur dessen, was wahre Männlichkeit bedeutet – keine Entwicklung in Richtung auf eine tatsächliche Herrschaft über Raum, sondern eine Parodie zu Nutz und Frommen der Frauen. Doch diese Herrschaft ist nicht möglich, wenn der Raum bereits besessen ist. Die Intuition, daß der Raum besessen ist, erwacht sehr früh: Mit offenen Augen wirkt alles, als sei es von einem bösen Geist durchdrungen.
Ich denke, es gibt viele Typen von energischen und feinfühligen Jungen, die dieses Stadium erreichen – Jungen, die abgestoßen sind von der moralischen wie biologischen Selbstkastration ihrer konventionellen Altersgenossen, Jungen, die die erstickenden Begrenzungen des modernen Raumes spüren. Der Rest dieser Geschichte ist spezifischer für den Typus Jungen, der als Reaktion darauf zu einem Homo oder einer Transe wird. Und Paglia hat recht in diesem Punkt: Männlichkeit wird von solchen Jungen oft einfach deshalb abgelehnt, weil ihnen die Nähe zu anderen Jungen fehlt – meist infolge einer gewissen angeborenen Überempfindlichkeit. Doch dann gibt es noch eine zusätzliche, entscheidende Beobachtung: Wenn ein solcher Junge spät in der Adoleszenz oder irgendwann in der Jugend »entscheidet«, daß er schwul sei, ist dies nichts anderes als der letzte Akt eines umfassenden Selbstmißverständnisses. Das Drama seines Geistes wird nun in sexuellen Begriffen neu inszeniert. Er hat sich selbst überzeugt, daß das Gefühl der Unterdrückung und des Schreckens, das ihn sein ganzes Leben begleitet hat, darauf zurückzuführen sei, daß seine »Sexualität« von der Gesellschaft unterdrückt worden sei. Dabei vergißt er völlig, wie diese sexuellen Wünsche überhaupt erst entstanden sind – daß diese Wünsche selbst ein umwegiges Ergebnis jener Wahrheit waren, die sich ihm einst in der Stille offenbarte: der Wahrheit der vollständigen Unterwerfung und Domestizierung des Raumes, in dem er sich befand. Indem er »schwul« wird, glaubt er, diesem ursprünglichen Gefühl von Begrenzung und Unterdrückung zu entkommen, das er als kleiner Junge empfand. Er deutet sein ganzes geistiges Drama nun in eine rührselige Geschichte von unterdrückter Sexualität um – unterdrückt durch reaktionäre gesellschaftliche oder politische Normen. Und genau dadurch macht er sich selbst, ohne es zu wissen, zum Werkzeug eben jener Macht, die er als Kind intuitiv als seinen Feind erkannt hatte – zum Werkzeug des großen, erstickenden Schattens unserer Zeit, der alles höhere Leben auslöscht. Der Schwule wird so zum spirituellen Fußsoldaten des neuen Regimes, obwohl er ursprünglich geboren war, um dessen Feind zu sein. Das ist die bittere Pointe dieser Erkenntnis: daß gerade einige der feinfühligsten, wachsten und begabtesten Jugendlichen, die vielleicht mit einem Funken göttlicher Inspiration, mit einem Geist der Eroberung und Ausdehnung auf die Welt kamen – daß ausgerechnet diese schließlich zu Vorreitern eben jener Kraft werden, die sie einst erstickt und gebrochen hat. In einer früheren Zeit wären sie überhaupt nicht schwul geworden. Die Geschichte eines solchen Jungen ist die Geschichte aller höheren Typen in unserer Zeit. Natürlich haben nicht alle Schwulen diesen Ursprung – es gibt Jeffrey Dahmer, es gibt andere. Und selbstverständlich werden nicht alle höheren Typen schwul, nur eine winzige Minderheit. Doch alle höheren Typen in unserem Zeitalter sind von einem ähnlichen Drama des Geistes betroffen. Was später geschieht – also die Sexualisierung dieser Entfremdung – ist für diesen speziellen Fall exemplarisch und soll hier nur als das anschaulichste Beispiel dienen.
Du erkennst nun in alledem die zentrale Idee: daß der Raum oder das Territorium bereits geschlossen und besessen ist. Und das wirft die entscheidende Frage auf: Wer oder was ist diese Kraft? Ich glaube nicht, daß sich diese Frage leicht beantworten läßt. Doch ein bestimmendes Merkmal unseres gegenwärtigen Zustands im modernen Zeitalter ist dies: Die Herren sind verborgen. Und gerade das macht diesen Zustand der Unterwerfung so besonders erstickend – denn durch ihr Versteckspiel nehmen sie jeder offenen, männlichen Herausforderung die Möglichkeit. Dieses Problem läßt sich am besten durch das Beispiel eines anderen Typus begreifen – und ich meine hier die zwielichtige Gestalt. Lebendig und aufschlußreich ist der Fall der schwulen Unterwelt, die in unserer Zeit nicht mehr wirklich existiert. Doch in den 1950er Jahren und davor, als das System globaler Tyrannei bereits fest etabliert war, war diese Unterwelt – wenig überraschend, nach allem, was ich bisher gesagt habe – das »Negative« der neuen Weltordnung, ihr Sieb und zugleich ihr Druckventil. Die schwule Unterwelt war Teil dessen, was ich den »Rest« nenne.
Das Phänomen der »Homosexualität« in der modernen Welt berührt die tiefsten politischen und gesellschaftlichen Probleme. Diese Unterwelt war immer eine Geisterwelt, eine Schattenwelt, die nach dem Plan der Ingenieure des Leviathans nicht vorgesehen war, die sie nicht kontrollieren konnten und nicht einplanten – sie entkam ihnen. Natürlich umfaßte diese Unterwelt weit mehr als nur die Schwulen jener Zeit – genau das ist der Punkt. Aber die Schwulen bildeten so etwas wie die Hauptbevölkerung dieses Milieus, sie waren das leichteste Übergangselement zwischen dieser Welt und unserer. Sie machten diese andere Sphäre auch für viele andere durchlässig: Wenn du eine Freundin hattest, eine künstlerisch veranlagte Freundin vielleicht, dann hatte sie einen schwulen Freund. Und mit diesem konntest du in eine Lounge jener Halbwelt geraten, und dort … vielleicht zwei soziale Kontakte entfernt … war er … einer von ihnen. Doch heute, da diese Welt verschwunden ist, gibt es keinen einfachen Weg mehr, überhaupt zu wissen, wo man anfangen soll. Ihre Grenzen wurden abgeriegelt, ihre Zugangspunkte kontrolliert. Aber einst existierte sie: als ein Raum der Freiheit – außerhalb der allgegenwärtigen Domestizierung der postindustriellen Zivilisation. Vergiß dabei nicht – ich betone es noch einmal –, daß die »schwule Unterwelt« keineswegs nur aus Schwulen bestand. Sie war vielmehr die Welt all jener Abweichler, Ausgestoßenen, Perversen, Huren, Zuhälter, Impresarios, Nachtclubbesitzer, Mafiosi, Gangster, Spuks, Agenten aller Couleur. Schau dir nur die »Dark-Ocean-Society« Japans an, und du wirst es begreifen.
Diese »Dark-Ocean-Society« ist der Schlüssel zum Verständnis aller modernen politischen und sozialen Strukturen. Denn unterhalb der Allgegenwart der Domestizierung, der Verwaltung, der rationalisierten Kontrolle, die das moderne System auszeichnet – unterhalb dieser scheinbaren Ordnung blieb immer eine »schwebende Welt«, eine freie Welt, die wie ein dunkler und stiller Ozean unter der Oberfläche lag, in dem sich Monster bewegten. Und unter diesen Monstern waren auch die wahren Herren und Schöpfer jener Zivilisation, die du heute um dich siehst.
Sie selbst leben immer noch in dieser schwebenden Welt – nicht in unserer. Unsere Welt ist das Haus der Unterwerfung. Sie leben im Anwesen der Freiheit und Macht. Und genau das erklärt auch, warum diese Welt, angesichts der relativ großen Zahl existierender Schwuler, einst viel größer und vielfältiger war als heute – und ihre Zugangspunkte waren durchlässiger.
Der Raum der Nacht, den die Schwulen für sich selbst geschaffen hatten, ein Raum, in dem zumindest einige unter ihnen das Gefühl hatten, neue Möglichkeiten zur Expansion und zum Handeln zu besitzen – dieser Raum wurde in den 1980er Jahren zerstört. Zuerst durch AIDS, dann, zur gleichen Zeit, durch die Bewegungen für »Schwulenrechte« und »Schwulenidentität«. Durch sie wurden die Schwulen »ins Offene« gezwungen – und genau dadurch verwandelten sie sich in die grausamsten und skrupellosesten Vollstrecker des globalen Sklavenstaates. Doch genug davon. Du mußt das begreifen! Ich verwende dieses Beispiel nicht aus fixem Interesse, sondern weil es das lehrreichste und zugleich wahrste Beispiel dessen ist, was mit allen höheren Typen in unserer Zeit geschieht. Die überwältigende Mehrheit wird nicht schwul, aber das Leid der Schwulen ist das einfachste und daher lehrreichste Beispiel dafür. Jeder, der mit einem Willen zur Eroberung und zur Expansion geboren ist, jedes Exemplar, das für Mut, Grenzüberschreitung und Entfaltung bestimmt ist, wird sich heute vereitelt fühlen. Solche Jungen erwachen früh, oft schon im Kindesalter, und finden sich in einer Welt wieder, die von einem bösen und erstickenden Schatten durchdrungen ist – ein Schatten, der ihren Geist auslöschen und ihren Drang brechen will. Wie man auf diese Erfahrung reagiert … das ist verschieden. Und die Reaktionen sind vielfältig.
Sieh dir einen Wurf von Welpen an, egal welcher Art. Einige werden neugierig, verspielt, wagemutig sein; sie wollen die Welt erkunden, Grenzen austesten, den Blick der Alten verlassen, ihr eigenes Revier schaffen. Andere hingegen sind von Geburt an fügsam, neugierigkeitslos, auf Anpassung hin gezüchtet. Die einzigen, die die moderne Erziehung »unversehrt« überstehen – und ganz zu schweigen von dem Regime moderner Medikation –, sind genau jene im Wurf, die fügsam geboren wurden. Und noch deutlicher: Wer die niedergeschlagenen Männer von heute sieht – ihre gebeugten Haltungen, ihre verhuschten Blicke, ihr devotes Verhalten –, der kann sich leicht vorstellen, mit welcher Verachtung ein Junge, der in sich den Funken eines erobernden Geistes trägt, auf ihre clowneske Parodie von Männlichkeit blicken muß!
Was hier zählt, ist einzig und allein: In welche Richtung wendet sich der Geist? Und übersteht er den Hindernisparcours der Domestizierung, den das moderne Leben und die moderne Erziehung den Besten auferlegen? »Homosexualität« in unserem Zeitalter ist jedenfalls anders als jedes vergleichbare Verhalten in der Vergangenheit. Als Gesamtphänomen stellt sie eine der markantesten Arten dar, wie einige der ungewöhnlichsten Exemplare auf die Domestizierung reagieren – und an ihr zerbrechen.
Moderne Homosexualität ist eine Form von Vakuumverhalten und Stereotypie.
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So traurig die Geschichte vieler moderner Schwuler ist – die Geschichte des modernen Transsexuellen ist ihr in jeder Hinsicht gleich, nur schlimmer. Auch erklärt dies, weshalb so viele Transen von Hegel besessen sind. Sie wissen es in ihrem Blut, aber sie mißverstehen sich selbst und vergessen, wer sie gebrochen hat. Die Geschichte des modernen Transsexuellen ist die Geschichte unserer kollektiven Zukunft.
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Sollte die Tyrannei, die über unser Zeitalter herabgekommen ist, jemals die Macht erlangen, die sie anstrebt – und dann genug herausgefordert werden, um sich bedroht zu fühlen –, so werden die Massenvernichtungen, die von homosexuellen, transsexuellen und insbesondere lesbischen Kommissaren durchgeführt werden, an Ausmaß und Grausamkeit alles übertreffen, was in der bekannten Geschichte je geschehen ist. Stell dir lesbische Mulatten-Kommissare mit dem Gesicht und Haarschnitt des jungen Martin Sheen vor, wie sie die zukünftigen Bergen-Belsens bemannen – Anlagen, die sich über Dutzende von Meilen erstrecken.
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Barbarei und Zivilisation – Es ist merkwürdig, wenn sich Westler auf China oder die alten Städte des Orients als die Quellen der Zivilisation berufen, als die Maßstäbe des städtischen Lebens: »Wir sind die Nachzügler, liefen noch mit Lendenschurz durch den Wald, bemalten das Gesicht und jagten Wildschweine, während sie bereits Städte und Schrift hatten.« Das mag zutreffen – doch der Westler vergißt, was »Zivilisation« überhaupt bedeutet. Weniger kurzsichtig als andere, aber immer noch kurzsichtig, denkt er, wenn er hört, daß Chinesen seit fünftausend Jahren in Städten lebten, daß diese Städte jenen seiner eigenen Geschichte ähnlich gewesen seien. Es gibt jedoch Städte – und Städte.
Was war denn Schrift? Der größte Teil diente nur Inventarlisten oder den langweiligsten Formen nationaler oder dynastischer Chronistik. Listen und Listen – die Art von Text, die schon junge Leute an der Bibel langweilt. Der älteste Teil der griechischen Literatur ist der Schiffskatalog aus der Ilias: Die Helden und ihre Gefolgschaften werden dort mit Pomp und Poesie aufgezählt. Das ist weniger trocken, aber nur durch Homers Kunstfertigkeit knapp vor dem Absturz in Langeweile bewahrt. Fast jede nationale »Schrift« beginnt so, und viele blieben auch lange in diesem Stadium. Chinesen lebten schon immer in Häusern – wenn dies der einzige Maßstab von »Zivilisation« sein soll. Doch ihre Geschichte ist durchzogen von Vernichtungsanfällen. Die Kulturrevolution ist dort keine Ausnahme, sondern die Regel: Massenauslöschung gesichtsloser Bauern im Namen einer neuen Gesellschaft. Kein Bienenstaat: Sie gehen achtlos an den Toten auf der Straße vorbei. Ich habe von Raben gehört, die mehr Mitgefühl zeigen. Alles dreht sich um den eigenen Vorteil, die Grausamkeit gegenüber Schwachen und Tieren wird genossen. Dies ist das Endergebnis von Jahrtausenden »Zivilisation«. Laß dich nicht täuschen von der angeblichen historischen Selbstwahrnehmung solcher Völker. Viele Phasen des Vergessens, in denen sie sogar ihre Chroniken verwarfen oder fälschten. Ein kleines Beispiel: Heute lehren sie, daß Dschingis Khan ein chinesischer General gewesen sei…
Das gilt für viele Zivilisationen. Auch die religiösen Texte: Abgesehen vom Problem der Übersetzung ist der Koran, wie Schopenhauer bemerkte, ein langweiliges Buch voll elender, sich wiederholender Dummheit; ohne eine einzige neue Idee – und »die ärmste Form des Theismus«. Leider reicht das für das religiöse Bedürfnis der meisten Menschen. Es ist überhaupt nicht klar, ob Schrift über lange Strecken der Geschichte hinweg ein Fortschritt war. Ihr Wert ist zweifelhaft. Erst sehr spät entstehen einzelne Werke des Genies, die diese Kunst retten.
Ebenso meint »Stadt« in verschiedenen Kulturen völlig verschiedene Dinge. Im Orient war die Stadt stets ein dampfender Haufen Menschheit: überfüllte Garküchen, Massen, die durch Scheiße und Tierschlamm waten, Kaninchen und Hühner in Käfigen, mißhandelte Waisen, schrilles Geschrei feilschender Händler, ausgespuckter Schleim auf den Straßen. Du siehst das noch immer im Fernen Osten. Selbst in Japan, das viele für seine angebliche Ordnung bewundern, liegt auf Tokios Straßen eine furchtbare Spannung, die zu viele seiner guten Menschen in die Nervenheilanstalt treibt. Die Arbeit ist die Hölle, das Transportsystem chaotisch und erdrückend. Der Mensch wird dort wieder zur bloßen Chiffre, selbst im eigenen Zuhause, wo die Frau die Schrecken der alten Hausgottheiten verkörpert. Der japanische Mann erhält Taschengeld von seiner Frau, die ihn oft körperlich auszehrt, ihm Telefon- und Essensgeld abnimmt. In Vietnam herrscht die Frau. Der gesichtslose Händler oder Angestellte, der sich im Ameisenhaufen der Gesellschaft durchschlägt, ist ihr Sklave. Matriarchat und Anonymität sind die Prinzipien dieser Biomassehaufen – nenne sie niemals Bienenstöcke! Der Bienenstock ist edel. Er kann ein Werk von Schönheit und Ordnung sein. Die Stadt hingegen – die ursprüngliche Stadt – ist die Menschheit reduziert auf einen dampfenden Rattenhaufen.
Im Bienenstock verwirklicht sich das Tier in seiner Rolle: Arbeiterin, Kriegerin, Königin. Aber welcher Stadtbewohner könnte von sich behaupten, ein wohlentwickeltes Exemplar seiner Art zu sein? Der Mann, der Papiere stempelt und dem Zorn einer langnagligen Büroautokratin zu entkommen versucht? Der Fischverkäufer mit fingerlosen Handschuhen? Der Vogelhändler, der gestutzte Tiere an spottende Makaken verkauft? Ist das die Frucht der Zivilisation? Und schlimmer noch: Für die überwältigende Mehrheit ist genau das die volle Verwirklichung ihres eingeborenen Wollens. Dennoch muß es so sein, daß sie durch ihre Herren eigens für diese degradierte Form gezüchtet wurden. Aber selbst der verängstigte, zusammengesunkene, fahlgesichtige Intrigant aus Saigon oder Chengdu entstammt in ferner Linie noch dem freien Schwarzen Yi, der die Han einst terrorisierte, oder den kräftigen, selbstgenügsamen Tibetern, die ihnen spotteten. Für ein solches Dasein geboren zu werden ist die Hölle – gefangen in einer elenden Gesellschaft der Anonymität und in einem Körper, der zu ihr paßt. Und doch muß ein Funken bleiben, den sie nie auslöschen können, der wenigstens fragt, wann all das endlich aufhört.
Verstehst du nun, was Buddhismus ist? Blicke in den Norden: zu den Mandschu und Tungus-Völkern, gehärtet in Taiga und Arktis; zu den freiheitsliebenden Mongolen, die es bis heute am liebsten haben, im offenen Land ohne Straßen zu fahren – unsere Städte erscheinen ihnen unerträglich klaustrophobisch. In der Geschichte zeigt sich: Echte Nomaden, immer in Bewegung, stets im offenen Raum, kennen kaum jene depressive Introspektion, jene Lebensverneinung, wie sie nur bei seßhaften Völkern auftritt. Der Buddha wurde in der Stadt zum Weltverneiner – siehe seine Bekehrung! Es war nicht bloß die Ungerechtigkeit, sondern vor allem der Schmutz, das widerwärtige Ersticken des Stadtlebens, die Vision vom degenerierten, gehetzten Leben, die ihn zur Flucht trieb. Er sagte: »Das Heim ist ein Ort des Schmutzes.« Was war diese Flucht, wenn nicht der Versuch, die Freiheit der Steppe wiederherzustellen – dort, wo der Mensch wieder das sein kann, wozu er geboren ist? Der Buddha öffnete die Steppe des Geistes. In der Sangha, der Bruderschaft seiner Mönche und Jünger, schuf er die wahre Geheimgesellschaft der Steppe neu – die natürliche Gesellschaft für einen wie ihn: die Bruderschaft der Krieger und freien Jugendlichen.
So mußt du auch »den Westen« und seine Städte begreifen. Die kleine, geordnete Stadt der Norditaliener, der Deutschen, der Schweizer – jene Städte, die Machiavelli für ihre gute Führung lobte –, sie sind dem Orient völlig fremd. Ja, sie sind allen anderen bekannten Zivilisationen fremd. Schon die bloße Idee des Bürgers ist der Zivilisation an sich fremd. In der Achtung vor Privatsphäre, Abstand, Eigentum und Anstand – im kleinen, geordneten Charakter dieser Städte, in der unermüdlichen Sorge der Aristokratie um biologische Qualität – siehst du einen Versuch, die großen Übel der Zivilisation zu mildern. Du siehst ein Bemühen, etwas vom Wesen des barbarisch-freien Lebens in die Stadt hineinzuretten – wenn auch nur für die Bürger oder die Oberschicht.
Wenn es eine Verteidigung der Zivilisation geben kann, dann diese: daß sie einer Klasse die vollen oder nahezu vollen Vorzüge des freien Lebens von Steppe, Wald und Gebirge gewährte – unter Aussparung mancher Unannehmlichkeiten – zum Preis allerdings der Elendslage der breiten Masse. In fast allen anderen Teilen der Welt, außer im Westen, war das Elend in der Zivilisation universell – und die Eliten, soweit vorhanden, konnten es nicht erlösen: Sie selbst blieben unterwürfig.
Eine Stadt bedeutet nichts. Sie kann sogar einen Rückschritt für den Menschentypus darstellen. Wenn alle Zivilisationen nur aus Han-China bestanden hätten, wäre die Wahl zwischen Barbarei und Zivilisation leichtgefallen – zugunsten der Barbarei, des freien mongolischen Lebens.
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Die moderne Stadt ist ein Monstrum – doch sie hat noch nicht das anonyme Elend der orientalischen Zivilisation erreicht, dieser Standardform aller Zivilisation. Sie ist ein widersprüchlicher Ort, aber in ihr erkennt man einen Gegenimpuls, selbst im Versuch, Parks zu bewahren. Das sieht man in Tokio, in vielen europäischen Städten und jenen, die aus Europa hervorgingen – etwa Buenos Aires –, wo ihre Erbauer geradezu besessen waren, ein Stück Natur innerhalb der Stadt zu erhalten, und dafür Franzosen engagierten, um ihr Schönheit zu verleihen. Auch in nicht-westlichen Städten, die diesem Vorbild nacheiferten, findet sich dieser Impuls. In der Anlage der öffentlichen Räume, der Straßen und sogar des sozialen Lebens ist die moderne Stadt nicht einfach eine Rückkehr zu jenem vormodernen Elend reiner Zivilisation, sondern ein Versuch, wenigstens ein natürliches Terrain für den Menschen zu bewahren – oder es zu simulieren –, in dem Bewegung, Ausdehnung, ja sogar das Einüben und Vervollkommnen bestimmter Vorzüge noch möglich bleibt, so eingeschränkt oder verkümmert sie auch sein mögen.
In der modernen Welt ist der eigentliche Rückfall in die pure Zivilisation der Slum, die Favela. Sie kriecht langsam, aber sicher in die moderne Stadt hinein – jene Stadt, die in jeder Hinsicht ein Überbleibsel der einstigen europäischen Weltherrschaft darstellt und keineswegs die Form ist, zu der das Leben strebt. Die Zukunftsvision von Blade Runner ist viel zu optimistisch, und selbst Elysium kommt der wahren Bosheit unseres Schicksals nicht nahe, wenn nichts unternommen wird.
Mohammed Atta, einer der Anführer der Anschläge vom 11. September, war Architekturstudent. Er war tief erschüttert darüber, was aus Aleppo geworden war, und über die Zerrüttung des muslimischen Lebens, das sich in der modernen Stadt orientierungslos wiederfindet – nicht nur in seinem sittlichen Leben, sondern schon in der Raumordnung, in der Anordnung der Gebäude, die das Leben der Gläubigen aus dem Gleichgewicht bringt. Seine Reaktion richtete sich gegen die moderne Stadt als solche, nicht primär gegen den Slum – obwohl die Ausbreitung des modernen Lebens in der Dritten Welt stets auch eine gewisse Slumisierung mit sich bringt.
Die Städte des Nahen Ostens, Nordafrikas, der islamischen Welt im Ganzen sowie vieler Teile des Orients waren ohnehin immer anders strukturiert als die Städte des Westens: mit physisch abgegrenzten Vierteln, ummauerten Gehöften, Innenhöfen – einer allgemeinen Abwendung vom öffentlichen, politischen Raum hin zum Raum von Familie und Sippe. Dies war nicht bloß das Ergebnis korrupter Autoritäten, sondern Ausdruck eines völlig anderen Empfindens dafür, wozu eine Stadt überhaupt da ist.
Dabei entsteht oft eine Verwirrung: Verschiedene Völker lehnen an der modernen Welt nicht dieselben Dinge ab. Sie hassen nicht unbedingt das an ihr, was du an ihr haßt. Ich persönlich würde lieber mit einem linken Hipster paktieren als mit China! Die Chinesen werden tatsächlich alles »aneignen« und dann so tun, als hätten sie es erfunden.
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Aristoteles sagt, die Griechen seien anders als die Nordeuropäer und die Orientalen. Der Asiate sei zivilisiert, aber sklavisch; der europäische Barbar unzivilisiert, ungelehrt – aber frei. Man nimmt gewöhnlich an, Aristoteles habe damit eine Art »Gleichgewicht« zwischen diesen beiden Extremen gemeint und die Griechen als idealen »Mittelweg« zwischen den Mängeln beider dargestellt. In Wahrheit aber dachten weder Aristoteles noch die Griechen seiner Zeit – und auch noch lange danach – in diesen Kategorien. Es gab keine Gleichsetzung des freien nördlichen Barbaren mit dem sklavischen Asiaten. Vielmehr achteten und bewunderten die Griechen den freien Barbaren weit mehr als den Asiaten. Das zeigt sich an vielerlei.
Noch während der Kreuzzüge, in der Alexias der Anna Komnena, schreibt diese byzantinische Prinzessin mit einer Mischung aus Entsetzen und tiefem Respekt über die westlichen Barbaren. Sie ist voller Ehrfurcht vor ihrer Schönheit, ihrem Mut – und oft auch ihrer Intelligenz und List. Niemals aber findet man bei ihr ähnliche Worte über die zivilisierten Völker des Nahen Ostens. Und das gleiche Bild zeigt sich bei den klassischen Griechen. Herodot etwa äußert große Bewunderung für die Skythen – er sieht in ihnen die Schöpfer eines neuen, großartigen Lebensstils: des nomadischen. Mit diesem verwirrten und besiegten sie Darius und die Perser. Immer wieder liest man von Griechen, die an den Ufern des Schwarzen Meeres »einheimisch« wurden, zumindest für Teile des Jahres – sie schlossen sich den Skythen an, bewunderten ihr freies Leben. Vergleichbares gab es im Osten nicht: Zwar fanden sich griechische Söldner, Handwerker oder Architekten in Diensten des persischen Großkönigs, aber sie wurden dort nie auf ähnliche Weise heimisch. der berüchtigte »Medismos« bedeutete bloß eine politische Anpassung aus Not, keine geistige oder seelische Hinwendung zur orientalischen Lebensform.
Die Athener setzten skythische Bogenschützen zur Aufrechterhaltung der Ordnung in ihrer Stadt ein. Doch abgesehen von ein paar alten Familien mit angeblich phönizischem Erbe gab es keinen vergleichbaren Gebrauch orientalischer oder asiatischer Kräfte – außer als Sklaven. Die Schönheit nordeuropäischer Kinder wurde zwar erst spät in der Antike ausdrücklich gepriesen, doch man erinnere sich: Kinder der Angeln, die auf dem Markt feilgeboten wurden, wurden mit dem Wortspiel bedacht, sie seien keine Angeln, sondern »Engel«. Viele Helden und Götter der griechischen Welt hatten helles Haar, blaue oder graue Augen – Aphrodite, Athena, Apollo, Achilleus, Menelaos und viele andere. Antike Dichter bezeichneten die Dorier als blondes Volk. Man kann schwer glauben, daß solche Idealisierungen den Nachbarvölkern galten, die gleichzeitig verachtet wurden.
Alles dies zeigt klar: Die Griechen bewunderten die Kraft und Freiheit des Barbaren weit mehr als das zivilisierte Leben des Sklaven mit seiner falschen Intelligenz. Und das vermeintliche »Gleichgewicht«, das man Aristoteles gerne unterstellt, ist in Wahrheit ein ganz anderer Gedanke: Es ist der Versuch, das freie, barbarische Leben innerhalb der Stadt, innerhalb der europäischen Zivilisation zu erhalten. Es ist der Versuch, gewisse Tendenzen des freien Lebens zu steigern und auszubilden – solche, die vom Mußemaß, von den Künsten, der Wissenschaft, der freien Rede, die nur in einer Stadt gefördert werden können, profitieren könnten. Das ist eine Ausnahme in der Geschichte. Und wenn ich von seßhafter Stadt und seßhaftem Leben spreche, dann meine ich: seßhaft mit Sklaven!
Vergessen wir auch nicht, daß die Griechen dieses nomadische Leben nie ganz aufgegeben haben – sie verlegten es nur aufs Meer, so wie es auch die Germanen in großer Zahl taten. Sie waren immer ein seefahrendes Volk. Ganze Städte wie die der Phokäer zogen es vor, statt sich den Persern zu unterwerfen, ihre Schiffe zu besteigen und in Kolonien aufzubrechen – bis nach Frankreich und Spanien, ja, Marseille wurde von ihnen gegründet, aber es gab noch fernere Außenposten. Die Athener hätten es ihnen fast gleichgetan, bereit, sich wie die Skythen auf das offene Meer zurückzuziehen – in ihren Seewagen, wie sie sie selbst nannten. Der Ruf der Steppe, der Freiheit, verließ sie nie – nur daß es nun die Steppe des Meeres war.
All dies bezeugt, wie sehr sie das zivilisierte und sklavische Leben des Asiaten verachteten und wie tief ihr Respekt und ihre Sehnsucht dem Leben des freien Barbaren galten. Diese Achtung erstreckte sich, in gewissem Maße, sogar auf den schwarzen Äthiopier, über den Herodot manches Günstige zu sagen weiß – besonders im Kontrast zu den benachbarten Ägyptern. Doch hier war die Vertrautheit gering, die Natur des Afrikaners dem Griechen zu fremd. Und es gab – bei Aristoteles wie bei vielen anderen – die Meinung, daß der Afrikaner, ebenso wie der Araber, zu dumm sei, um eine bewundernswerte Alternative darzustellen.
Trotzdem würde ich sagen: Der Europäer hat geistig heute weit mehr mit dem Afrikaner gemein als mit dem Asiaten – und mit »Asiate« meine ich den Bewohner jener riesigen, langjährig seßhaften Bauernleibeigenen-Region, die sich von Han-China bis zum Nahen Osten zieht. Ich weiß, viele Nerds, die den IQ fetischisieren, werden das nicht hören wollen. Doch der Orient – Asien – war immer der Feind. Afrika ist meist irrelevant. Der Afrikaner könnte sogar ein Verbündeter sein – und wurde nur unter den Bedingungen der modernen Massendemokratie zum Problem, als er von anderen aufgehetzt und instrumentalisiert wurde.
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Ein Teil der modernen Rechten ist »umweltbewußt« – und darüber hinaus. Aber die meisten unter ihnen verachten die linken Grünen und andere Halbherzige, weil diese das Problem der Zivilisation und der Technik grundlegend mißverstehen. Das Problem der modernen Linken liegt darin, daß sie nicht wirklich die Natur verteidigen wollen, sondern den Westen für den gegenwärtigen Zustand verantwortlich machen. Und dies rührt daher, daß sie das Übel in »technologischem« oder »zivilisatorischem« Fortschritt schlechthin verorten. Solche Leute begreifen nicht, daß das räuberische Leben, das Käferdasein, der Normalzustand der Menschheit ist – und daß der Westen, zusammen mit wenigen anderen, seit seinen Ursprüngen versucht hat, die Übel der »reinen Zivilisation« zu zügeln und die Vorzüge des freien Lebens in die Zivilisation hinüberzuretten, soweit dies möglich war.
Der linke Umweltschützer ist kein verläßlicher Verteidiger der Natur: Er ist in erster Linie »antirassistisch« – erst in zweiter Linie kümmert er sich um Tiere, Landschaft, Meere. Tatsächlich schließen sich diese beiden Dinge aus. China und Indien sind bei weitem die Hauptverursacher der gravierendsten Formen von Verschmutzung – insbesondere bei der Verseuchung der Weltmeere mit Plastik und Müll. In Indien ist die Verachtung für tierisches Leben zwar selten – Schopenhauer bemerkt hierzu, daß sie das Christentum auch darum ablehnten, weil sie von der damaligen Grausamkeit der Christen gegen Tiere hörten –, doch Tierquälerei und Mißbrauch sind in China und im Großteil der nicht-europäischen Welt überaus verbreitet, ja vielmehr die Regel. Es sind allein der indische und heute der europäische Mensch, die Mitgefühl für Tiere empfinden – jene unsere Brüder und Schwestern. Die Praxis der industriellen Landwirtschaft ist ein Übel, das beendet werden muß, aber wer außer dem europäischen Menschen kümmert sich wirklich darum? Andere scheinen im Gegenteil Freude daran zu finden, selbst Katzen und Hunde zu demütigen und zu foltern. Und allzu bekannt ist die Zombiehorde der Dritten Welt, der Nationalparks und öffentliche Räume gleichgültig sind – sie vermüllt und verwüstet diese Orte, oft auf die niedrigste Weise: Sie schleudert Fäkalien, wie sie es gelernt hat, als Söhne des Honigdachses, der seine eigene Scheiße frißt. Es ist kein Zufall, daß der Sierra Club und andere Umweltorganisationen einst gegen Masseneinwanderung waren – zum Teil aus diesem Grund. Aber auch, weil jedes Bevölkerungswachstum unweigerlich eine unerträgliche Belastung für die Natur bedeutet. Die Völker Europas und Japans, unter dem Druck hoher Bevölkerungsdichte in der Spätmoderne, entschieden sich bewußt, ihre Fruchtbarkeit zu zügeln – und daran ist nichts falsch. Es waren die Regierungen, korrupt und den Finanziers unterworfen, die auf Bevölkerungsexpansion angewiesen sind und die natürliche Reduktion der Zahl verhinderten.
Darum kann die moderne Linke, mit ihrer »antirassistischen«, migrationsfreundlichen Ausrichtung, niemals eine echte Umweltschutzkraft sein. Noch tiefer jedoch liegt der Irrtum in der Verherrlichung des »primitiven« Menschen der Dritten Welt – der nicht primitiv ist – und im Glauben, sein Leben sei der Natur zuträglicher. Was sie in Wahrheit fördern, ist der Slum, die Favela, die »Zivilisation«, das Heuschreckendasein als Standardform menschlichen Lebens. Es stimmt: Der nichtwestliche Mensch lebt mit Blick auf seine materiellen Bedürfnisse »näher an der Natur«. Doch dies führt weder zu einem natürlicheren Leben noch zu einem geringeren Ressourcenverbrauch. Jeder Überschuß wird sofort dazu verwendet, sich wahllos fortzupflanzen – und mehr wie sich selbst zu schaffen. Jede Hilfe, die Afrika oder den anderen Elendszonen der Welt gewährt wird, führt nicht zu einer besseren Lebensqualität, nicht einmal zu besserer Ernährung, sondern wird augenblicklich in neue Kinder umgesetzt, die auf demselben Niveau der Not weitervegetieren.
Wahrer Umweltschutz ist Rassismus – und er hat eine rassische Grundlage. Tatsächlich sind Umweltschutz und Rassismus untrennbar. Aus diesem Grund wird die Öffentlichkeit mit endlosen Debatten über »Klimawandel« abgelenkt, weil sie den Blick von jenen konkreten Problemen abziehen, die man lösen könnte: die Zerstörung von Nationalparks, die Verwüstung öffentlicher Räume, die systematische Tierquälerei – insbesondere aber das Abschlachten der Ozeane. All dies sind keine Fragen der »Stadt« oder des technischen Fortschritts – es sind Fragen der Rasse. Ja mehr noch: Der Versuch, den Fortschritt der Technik einzudämmen, die Menschheit zurückzuschrauben oder sie in einer vermeintlich »vormodernen« Lebensweise einzufrieren, der Wunsch etwa, »kleine Gemeinschaften« wiederherzustellen – dieser Impuls ist die größte Gefahr überhaupt und eine denkbare Quelle der durchgreifendsten und totalitärsten Versklavung.
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Das wahre Verständnis der Bauern wirst du nicht von den modernen Schwätzern bekommen, die ihr Leben oder das des »edlen Wilden« preisen; sondern eher von Tschechows Geschichte dieses Namens. Sie sind ein elender Haufen und Heuschrecken auf der Erde. Ein gutes Bild von ihnen vermittelt auch Kurosawas Film Die sieben Samurai. Der Bauer und Leibeigene – der Standardzustand der Menschheit – hat wie ein Tier die Nase am Boden, denn dort liegen die Objekte seines Interesses: die Bedürfnisse des bloßen Lebens. Weit entfernt ist er von jener Betrachtung, die selbst Homer als Quelle der Freude nennt, wenn er vom Hirten auf dem einsamen Berg spricht, dessen Herz sich beim Blick auf die Sterne erhebt. Die Bewohner der Täler, die sich mit Schmutz und Ackerwerk abmühen, sind das Vorbild für alle modernen Käfer-Menschen. Laß dich nicht täuschen: In dieser Art des Lebens liegt der Ursprung jenes »Rahmens«, jener Grundhaltung zur Welt, in der alle Dinge zu bloßen Gebrauchsgegenständen werden. Und dazu braucht es nicht einmal Technologie – das war nie nötig. In primitiven Bauerngesellschaften werden die Klugen und Begabten stets als Bedrohung empfunden: Man verbrennt sie als Hexen oder schlägt sie tot. In Afrika geschieht das bis heute. Und das berühmte chinesische Sprichwort, wonach »die Klugen zuerst getötet werden müssen«, ist keine Metapher. So funktioniert das sogenannte primitive Leben: Es ist beherrscht von ermächtigten Matriarchinnen und den konzeptionellen Dildos, mit denen sie die Köpfe junger Männer zerschlagen.
Das Schlimmste an der modernen Welt ist die Wiederkehr genau dieses Lebens – nicht etwa durch Rückschritt, sondern durch einen politisch und biologisch forcierten Prozeß. Das Problem unserer Zeit war nie die Technologie als solche. Es gibt keinen inneren Mechanismus des Technischen, der notwendig zur Unterwerfung führt. Diese Tendenz entsteht nur, weil mit der explosionsartigen Vermehrung der Überflüssigen deren Zahl allein bereits Macht verleiht – und diese Macht, durch das Prinzip der Demokratie verstärkt, dann zum Diktat wird. Der linke Umweltschützer, wie so viele andere, ist deshalb fehlgeleitet: Denn er will mehr Macht für diese Menschen. Genau jene Elemente des modernen Westens, der modernen Technik, ja selbst der modernen Kultur, die die Herrschaft der Überflüssigen einhegen könnten, bekämpft er – und fördert damit nur die Zerstörung von Natur und Menschenwesen.
Ich kann mir kaum ein schlimmeres Schicksal vorstellen als jenes, das mit der Parole »Wir müssen wieder im Rahmen unserer Mittel leben« beginnt. Ein Rückzug, ein Stopp technologischen Fortschritts, ein Rückfall in »kleine, integrale Gemeinschaften«, in »traditionelle Formen«, bedeutet nicht die Wiederherstellung alter Größe, sondern die Verfestigung moderner Entartung. Das ländliche Leben, das rustikale Dasein, die »Bescheidenheit« solcher Lebensweisen – all das wird in der modernen Welt nur zur Einfrierung der bestehenden Korruption führen. Du wirst kleine Gemeinschaften erhalten, die von einer Gynaikokratie beherrscht sind – mit dem erklärten Ziel, wahre Männlichkeit und Jugend zu unterdrücken, und diesmal mit der Macht der modernen Technik im Rücken. Sie werden dies im Namen »traditioneller Tugend« tun. Vielleicht nennen sie sich Christen – doch ihr Christentum wird nicht mehr sein als die Verkleidung eines neuen Marxismus. Es spielt keine Rolle, welche Ideologie oder Religion oder welches Ideal du ihnen gibst: Sie werden dennoch so handeln, wie sie geboren wurden.
Das wahre Problem der modernen Welt, ebenso wie jenes der Umweltzerstörung, ist nicht die Technologie, nicht ein bestimmter Lebensstil, nicht eine Ideologie. Es ist die Allgegenwart und die Herrschaft eines bestimmten Menschentyps. Und bis dieses Problem gelöst ist …
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Ich weiß nicht, ob die Wächter dieses Gefängnisses, die eigentlichen Herren dieses Raumes, gegenwärtig sind oder nicht – aber ich vermute, daß sie es sind. Ich glaube nicht, daß wir uns bloß in einem unpersönlichen, emergenten Mechanismus befinden, einem »System«, das aus sich selbst heraus alles durchdringt – etwas wie »Managerialismus« oder »postindustrielle Langeweile«. Ich glaube, daß all dies bewußt entworfen wurde. Es ist möglich, daß ein Großteil der bekannten Geschichte gefälscht ist; Nietzsche, unter anderen, hat auf diesen Gedanken hingewiesen. Ich denke nicht, daß wir je wirklich erkennen werden, wer diese Wesen sind – doch ich vermute, daß sie unter uns wandeln wie gewöhnliche Menschen.
Ich kannte einst eine Frau aus dem Rockefeller-Zweig – und laß dir eines sagen: Genau das meine ich nicht, wenn ich von jenen spreche, die dieses Spiel lenken. Ihre Namen kennst du nicht. Aber auch diese Frau stieg in die U-Bahn, kaufte Gemüse wie jeder andere, trug keinen Schmuck, nichts Auffälliges – nur offenen Spott für jene Reichen, die sich mit Gefolge und Leibwächtern umgeben und sich vom Blick der Öffentlichkeit nicht befreien können. Was also, fragst du, könnten solche Wesen dann begehren, wenn nicht Reichtum, den sie auskosten und zur Schau stellen? Genau das: Freiheit – und Macht. Jene Freiheit, die allen anderen fehlt. Sie leben jenseits aller Gesetze, aller Kontrolle. Wir sind für sie bloß Material. Futter für ihren Hunger.
Ihre Pläne sind wahnsinnig. Der Film Mulholland Drive hat einen Teil davon offenbart – wenn auch nur indirekt, in Zeichen und Metaphern. Sie haben gelernt, verschiedenste Arten von Energie zu nutzen – etwa jene Energie, die durch massenhafte menschliche Aufmerksamkeit entsteht –, um damit Maschinen zu speisen. Die Aufmerksamkeit, die Hollywood auf sich zieht, wird von einem Apparat empfangen, einer mächtigen Maschine, die sie absorbiert, verstärkt und einem verborgenen, unsichtbaren Zweck zuführt. Der ganze Kult ist ein Menschenopfer-Ritus – darauf spielt dieser Film an. Sie wissen, wie sich sexuelle Energie nutzbar machen läßt – darum verfolgten sie Wilhelm Reich, während sie gleichzeitig seine Technologie stahlen. Trumps Familie kennt die Geheimnisse Teslas. Und sie wissen noch viel mehr.
Wissenschaft und Rationalismus sind die öffentliche Religion unserer Zeit – doch die eigentlichen Herrscher glauben an etwas ganz anderes. Die Massen starren gebannt auf Kühlschrank, Föhn und Telefon: Sie leben betäubt, eingelullt von der Versicherung, daß die Zauberer, die all dies erschufen, bescheidene Ingenieure seien – ruhige Männer, die nichts weiter tun, als bekannte, verifizierte Verfahren anzuwenden, disziplinierte Kräfte zu lenken, unscheinbar und gefügig. Dieser Komfort ist das Siegel ihres Glaubens an die Regelmäßigkeit der Natur – einer entzauberten Natur, der alle göttliche Furcht genommen wurde. Und während sie in diesem Trost versinken, wird die Welt regiert von Männern wie Erik Jan Hanussen – oder vielmehr: Hanussen war nur ein Werkzeug unter vielen. Aber ihre Namen kennst du nicht. Jemand trug grüne Handschuhe in Hongkong. Sie leben im Reich der Macht – und der Freiheit.
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Die große Lüge unseres Zeitalters lautet, es gehe um die Befreiung der Sinne, um die Erlösung der Begierden aus steifen sozialen und moralischen Fesseln. In Wahrheit lebte selbst der Mensch des Mittelalters mit größerer Lebenslust – ja, auch mit mehr sexueller Lust – als der heutige. Und er arbeitete weniger. Den Großteil des Jahres gab es Festtage. Es wurde nur so viel gearbeitet, wie nötig war, um die Ernte einzubringen und die vergleichsweise geringen Steuern zu zahlen. Die meisten Männer von heute besitzen nicht einmal das, was einst der freie mittelalterliche Bauer hatte. Hygiene war schlecht, Krankheiten grassierten, die Kindersterblichkeit war hoch – viele andere Übel ebenso. Es ist nicht meine Lieblingszeit. Aber sobald man die Kindheit überstanden hatte, bestand das Leben im Wesentlichen in der Mühsal der Arbeit – im Fluch Adams.
Wenn du etwa in Thailand einen kleinen Buchladen betrittst, findest du das völlige Chaos. Fragst du den Besitzer, warum er die Bücher nicht alphabetisch oder sonstwie ordnet, wird er sagen: »Weil das zu viel Arbeit wäre – und ich so genug verdiene.« Genau in diesem Sinne war »Merry Old England« ein Ort der Freude, des Rausches, des Feierns. Man trank Ale ohne Hopfen, gebraut mit Gruit aus Heidekraut und anderen Kräutern – ein Getränk, das durch den Tag begleitete, das Leidenschaft für das Leben entfachte. Bier war damals ein Stimulans, ein Aphrodisiakum. Wer Wasser trank, galt als magerer Sonderling, wie der trockene Hipster von heute, der koffeinfreien Rooibos rührt und dich mit mürrischem Blick ansieht. Es waren die Puritaner, die den Hopfen einführten – und zwar mit Absicht, um das Bier bitter, unangenehm, dämpfend zu machen: ein Mittel zur Beruhigung, zur Unterdrückung des Geschlechtstriebs. Doch davor erlebten die Engländer – wenn die Dinge daran messen will – mit Sicherheit intensiveren Sex. Und genau so sollte man sie messen, denn er ist Ausdruck von etwas anderem.
Ein Leben voller großer, echter Freude und Leidenschaft ist ein Leben, das empfänglich ist für jene anderen Instinkte und Begierden, die ebenfalls aus der Natur kommen – doch vor denen die heutigen Herren der Lügen entsetzliche Angst haben. Diese anderen wollen sie unterdrücken – zumindest bei den Laien. Die allgegenwärtige sexuelle Reizung, unter der die Vielen heute gehalten werden, ist etwas völlig anderes als jene unbeschwerte, sorglose, leidenschaftliche, dämonische Lust, wie man sie in vormodernen Zeiten fand – und noch immer in den lebendigeren Winkeln der Dritten Welt. Die moderne Parodie dieser Lust zehrt den Menschen aus – während jene andere, wahre Lust das Herz mit wilder Begeisterung erfüllt. Paglia irrt: Ihr »Feminismus« wird niemals gedeihen, denn er würde den Zweck durchkreuzen! Der ganze Zweck der modernen Erziehung besteht darin, diese Begeisterung zu unterdrücken, dich an dir selbst zweifeln zu lassen, wenn du die Stimme alter Freunde hörst, die dich rufen …
Und ja, sie erreichen dies, indem sie genau jene Reizung fördern: die dumpfe, erschöpfte, müde Sexualität der Fettleibigen, der »Polyamoren«, der alten, seltsamen Stammesangehörigen, die sich daran erregen, sich Frauen zu zeigen. Diese allgegenwärtige Reizung blendet die Vielen auch für jene anderen Begierden, von denen ich spreche.
»Telepathie« ist bloß die öffentliche, mythische Maske von etwas Wirklichem. So wie viele Religionen von Metempsychose sprechen, weil die wahre Reinkarnation zu unpersönlich, zu schwer zu fassen ist, so verhält es sich auch hier: Es ist keineswegs ausgeschlossen, daß wir ständig Bewegungen innerhalb der Einheit der Dinge empfangen – von Menschen, von Bäumen, von unbelebten Objekten, vielleicht sogar von Wesen jenseits der bekannten Grenzen des Universums. In seltenen Fällen können wir auf dieser Ebene eine enge Bindung zu bestimmten Individuen spüren, mit denen wir verwandt sind – vielleicht aus der Zukunft –, oder zu jenen, die das Genie der Spezies uns als Partner bestimmt hat, damit ein bestimmtes Kind zu einer bestimmten Zeit gezeugt werde.
Die bedeutsamste dieser »telepathischen« Verbindungen entsteht, wenn zwei Menschen, die auf biologischem Wege füreinander bestimmt sind, in ihrem gegenseitigen Erkennen die Absicht oder das Streben der Natur erahnen, das in ihrer Vereinigung liegt. Natürlich glauben sie, es gehe um etwas anderes. Meist sind es Mann und Frau, zur Zeugung eines bestimmten Kindes, das die Natur hervorbringen will. Doch in seltenen Fällen kann es auch andere Gründe geben – etwa, wenn zwei Freunde für eine bestimmte Aufgabe bestimmt sind. »Wir strecken die Arme in Erwartung aus, unser Verlangen oder unsere Täuschung zu befriedigen, während die Natur ihre geheime Absicht verwirklicht« – das gilt für die Geburt von Kindern ebenso wie für vieles andere.
Der moderne Argwohn gegen Freundschaft, den die »Schwulenrechtsbewegung« gefördert hat, hat dazu beigetragen, diese natürlichen Bindungen zu zerstören. Frauen sind wahrscheinlich eher in der Lage, solche Botschaften zu empfangen, weil ihr Intellekt tiefer im Körper verankert ist – im angeborenen Willen. Das bedeutet oft, daß sie der Nützlichkeit stärker unterworfen sind – aber zugleich leben sie stärker im Moment, sind weniger durch Abstraktionen verwirrt und haben einen direkteren Zugang zur Wirklichkeit. Sie durchschauen viele Lügen, erkennen Absichten von Menschen, bevor diese sie selbst erkennen. Saddam Hussein war so – in seiner Seele ein Transsexueller.
Nicht alle Frauen, doch manche gelangen durch eine bestimmte Wendung des Geistes zu einer Befreiung des Intellekts von den Verwirrungen der Triebe, ohne dabei den Kontakt zur Natur zu verlieren – ein Zustand, den Männer schwerer erreichen. Darum wußten Griechen und andere alte Völker, daß Frauen Orakel sein konnten, daß sie die Zukunft kannten, daß sie die Absichten anderer Menschen durchschauten – nicht, weil sie »hellsahen«, sondern weil sie ein angeborenes Gespür für Blut und Wille besaßen. Kassandra war eine solche Prophetin, und auch Tiresias, der große Seher, soll eine Zeit lang als Frau gelebt haben. Viele Schamanen trugen Frauenkleider – ein Umstand, den Narren als »Schwulenrecht« deuten, ohne das kultische Verständnis von Weiblichkeit zu begreifen. Die Pythia war eine Frau. Die alten Germanen berieten sich vor jeder wichtigen Entscheidung mit Frauen – weil diese eine andere, direktere Sicht der Dinge hatten.
Doch die modernen Herren der Lügen haben selbst dieses Wissen entstellt. Sie haben die Frau verdorben – durch die Förderung der hyperbewußten, geschwätzigen, neurotischen Sklavenfrau, die nichts anderes als eine Karikatur des schlimmsten Männertyps ist. Orakel sind ohnehin selten genug – wie viele aber sind uns verloren gegangen, weil sie von den Schlangen verführt wurden, zu glauben, sie müßten die schnippische, plappernde Selbstparodie des zwergenhaften Homosexuellen und »Komikers« imitieren? Und sie wissen: Ohne Wissen um die Zukunft sind wir machtlos. Darum behalten sie es für sich.
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Oft, wenn ich in einem neuen Land war, überkam mich eine solche Unruhe und ein so brennender Drang nach Handlung, daß ich, wenn Bars und alles andere bereits geschlossen hatten, zum nächstgelegenen Hostel ging und dort für Ärger sorgte. Ich wurde aus einer ganzen Reihe solcher Orte geworfen, ebenso früher schon aus Verbindungshäusern, als ich ihnen meine Theorien über Gedankenkontrolle erzählte, über suggestiv arrangierte Nummern in Telefonbüchern, über das Verhalten afrikanischer Wildhunde und die Beißkraft sowie die Nackenmuskulatur der Hyäne. Die Leute mochten meine Geschichten, doch das Personal beobachtete mich mit schiefem Blick, voller Eifersucht, und murmelte von »Sicherheitsdienst«. In einem Einkaufszentrum wurde ich häufig von einem fahlen Wachmann gefragt: »Sir, müssen wir den Sicherheitsdienst rufen?«, weil ich beim Gehen von einem plötzlichen Geist ergriffen wurde und allerlei Wörter im Tourette-Stil aus mir herausejakulierten. Ich ging in Schwulenbars, um sie mit Hitler-Bärtchen zu trollen, und erzählte dort mit gespieltem Ernst, wie die Nationalsozialisten als Schwulenrechtsbewegung in einem Keller in München begonnen hätten und daß das doch irgendwie bewundernswert sei.
Hunger nach Raum, Klaustrophobie – die edelste aller Phobien – ist nichts »bloß Spirituelles«. Nichts von Bedeutung ist je nur »geistig«. Was bloß geistig genannt wird, ist falsch, ist schwächlich, ist schwul – alle echten Orientierungen wurzeln im Blut und zeigen sich nicht nur in den höheren Formen und Geschmäckern des Geistes, sondern auch im täglichen Leben, in den unmittelbaren Bedürfnissen. Ich will immer im Zentrum eines Raumes, vor einem großen Fenster sein, wenn ich arbeiten muß – was ich hasse. Alle wahren Gedanken kommen nur, wenn du draußen bist, stehend, gehend, in frischer Luft: Ich wußte das lange, bevor ich bei Nietzsche las, daß man allen Gedanken mißtrauen solle, die einem drinnen kamen. Ich ergänze: mißtraue allen Gedanken, die du im fauligen Miasma der Stadt entwickelst. Ich ergänze: wenn du den ganzen Tag vom bösen Willen anderer belästigt wirst – dieser dämonischen Bosheit, die bei Servicepersonal und Sekretärinnen aus reinem Machttrieb gegen die Lebensfreude gerichtet ist.
Servicekräfte haben oft versucht, mich zu unterdrücken. Larry David kennt dieses Problem; doch er will immer noch »lieb« sein, verpackt seinen Kampf gegen die Tyrannei der Serviceindustrie in Selbstironie und spielt ihn als Selbstkritik herunter. Aber sie sind meist bösartige Dämonen. Erst heute kam eine Kellnerin, um meine Kaffeetasse abzuräumen, obwohl am Boden noch eine dünne Schicht war – meine liebste, kalte Restschicht. Ich sagte: »Nein, ich trinke das noch«, und deutete es mit der Hand an – sie beugte sich dennoch vor, starrte mir in die Augen, versuchte, mir die Tasse zu entreißen. Und in ihrem Blick sah ich Trotz, Lust, masochistische Hingabe, den Willen zu usurpieren, das Verlangen, mich lebendig zu verschlingen. Ich mußte es dreimal wiederholen. Einmal mußte ich sogar einen Waschlappen des Kundendienstes gegen die Wand drücken – er hörte nicht auf, mir zu folgen und über den Wein zu reden.
Ich gebe nicht vor, die Wiedergeburt eines Theseus oder Ajax zu sein, aber wenn ein solcher Mann heute geboren würde, wäre er binnen kurzem in einer Nervenheilanstalt oder tot. Nur die Kleingeistigen können gedeihen. So zermürben sie deinen Geist auf tausend Arten. Ampeln erziehen dich zum Gehorsam wie ein Tier im Käfig, besonders nachts, wenn weit und breit kein anderes Auto zu sehen ist. Es treibt mich zur Raserei, Beifahrer zu sein, neben einem Idioten, der fährt – selbst dieser Freund war unerträglich, als ich ihn fragte, ob es ihm etwas ausmache, wenn ich mir während der Fahrt zwischen zwei Städten einen runterhole. Er sagte: »Ja, Mann, sicher, mach ruhig, kein Ding …« – und da wußte ich, daß in ihm nichts mehr übrig war.
Deshalb gehe ich auch in die schäbigsten Rotlichtviertel oder in Pornokinos. Ich sehe gern Transen mit Industriesilikon in der Brust, ich höre gern Huren zu, die sich über die Herkunft des Wortes »homosexuell« austauschen – daß es von »ein sexueller Mann« komme, und daß Schwule eigentlich nur überdrehte Männerhuren seien. Ich glaube, das ist wahr.
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Es gab einen Nachtclub über einem seltsamen Kino, das tagsüber als Pornolokal diente. Einmal beschloß ich mit einem Freund, dort hineinzugehen. Ein alter Mann, weiter vorn in derselben Reihe, achtete genau darauf, daß er vor uns hinauskam – und während er an mir vorbeistrich, griff er mir in den Schritt. Ich klatschte sein Gesicht gegen die Wand und mußte mich an einem Sicherheitsmann vorbeidrängen, der nach kaltem Schweiß und fauligem Atem roch und ein koboldartiges, pockennarbiges Gesicht hatte. In der Lobby flatterte eine Fledermaus, die hereingeflogen war, umher – aber das war nicht ungewöhnlich. Draußen auf der Straße, als ich nach einem Taxi suchte, sah ich eine schwarze Frau, die mitten auf die Fahrbahn kackte. An einer Kreuzung saß in einem ramponierten grauen Volvo ein Fahrer ohne Kopf – und als ich das sah, fiel ich in einen Zustand von Schwindel und Bewußtlosigkeit.
Manche sprechen vom »Wahnsinn hinter den Dingen«. Die wirkliche Welt ist anders als die, die uns im Wachleben erscheint – aber nicht so anders, daß sie völlig fremd, abstrakt oder gar »philosophisch« wäre, wie du vielleicht denkst. Sie ist nicht aus ewigen Formen gemacht, nicht woanders, nicht in einem Jenseits. Sie ist immanent, hier, in den Dingen selbst – und sie ist verdreht. Sie trägt keine moralische Bedeutung, die wir erfassen könnten. Wenn Heraklit sagt, daß alle Dinge eins seien und alle Dinge Feuer, meint er dies: Wenn sich dir das wirklich zeigt, erkennst du den dämonischen und gewaltsamen Wahnsinn, der allem zugrunde liegt. Die wirkliche Welt ähnelt der scheinbaren – aber sie ist unheimlich, teuflisch, für uns ungeordnet. Ihre verborgene Ordnung, das fatale X hinter den Dingen, greift in Bereiche, die jenseits des Menschlichen liegen. Deshalb wußte Lovecraft, daß es wahr ist: Unsere Welt wurde von einem Demiurgen geschaffen, einem blinden, geistig behinderten Schizophrenen. Ihr Ursprung, ihr Geschehen, ihr Schicksal liegt im Spiel und Krieg grausiger Fraktionen, vergessener Götter – für sie sind wir nichts als blinde Passagiere auf einem Schiff.
Dies offenbart sich am deutlichsten in gewissen Träumen, die – hätten sie Kontinuität – nicht vom Wachleben zu unterscheiden wären. Manche, aber nicht alle, der Wahnsinnigen können Bruchstücke dieser Welt sehen, aber sie bleiben, und das zunehmend, ungehörte Propheten unserer Zeit. Die Psychiatrie – ein einziger Betrug – hat allen Glauben an sie gebrochen, und ihren eigenen gleich mit. Überall ist das Signal gestört.
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Ich war stets angezogen von den schmutzigsten und verruchtesten der gnostischen Sekten: den Karpokratianern, und später ihrer russischen Analogie, den Chlysten – Rasputins finsterem Zirkel. Sie bildeten Weibergruppen um einen großen Lehrer und Zauberer, der sie in orgiastische Raserei zu treiben vermochte: die Wiedergeburt der Mänaden! Wer sich als Mann auf die falsche Weise in dieses Spiel verstrickt, wird lebendig zerrissen wie Euripides’ Pentheus (ansonsten ein schwaches Stück). Die Juden hatten eine parallele Erscheinung: die Frankisten. Alle diese Sekten glaubten, daß in uns ein göttlicher Funke, gefangen in der Materie, eingeschlossen sei. Da aber die Materie – und diese Welt selbst – das Werk eines bösen Demiurgen sei, müßten die Gesetze, die sie ordnen, insbesondere jene in der Bibel, als Gesetze Satans gelten. Um sich zu befreien, müsse man daher jedes einzelne dieser Gesetze brechen, jeden bösen Akt begehen, jedes Verbrechen, jede Gräueltat: Nur so öffne sich das Tor aus dem Schattenreich … nur so finde man ins Paradies und gelange an den Engeln vorbei, die dessen Pfade bewachen. Ich empfehle diesen Weg nicht!
Manche behaupten, viel von dem, was heute links genannt wird, sei letztlich von einer säkularisierten Variante dieses Glaubens beseelt. Und zumindest im Fall des Frankismus gibt es einige eigentümliche historische Zufälle: Viele prominente linke Juden, die Begründer des militantesten Linksextremismus, sollen – laut manchen orthodoxen Juden – tatsächlich aus frankistischen Familien stammen. So etwa Brandeis; nicht gerade der schlimmste von ihnen, aber angeblich gibt es viele weitere. Ich selbst glaube das nicht, obwohl es einer Untersuchung wert wäre.
Ich spüre eine gewisse Verwandtschaft zu solchen Sekten, aber nicht direkt – ich muß das erklären. Im Allgemeinen kann man den Gnostizismus, in all seinen Formen, so verstehen: Der hebräische Glaube beruht auf der Behauptung »… und siehe, es war gut« – auf der Vorstellung also, daß die Welt von einem wohlwollenden Gott geschaffen sei und daß Materie und Welt im Wesen gut seien. Nur wenige Religionen vertreten Ähnliches: Der Islam ist eine davon, und Schopenhauer meinte, auch der griechische und römische Paganismus sei so – doch das ist nur bedingt richtig. Der griechische Optimismus ist von gänzlich anderer Art als der biblische. Der Hinduismus und der Buddhismus hingegen sehen die Welt als etwas, dem man entkommen müsse; sie sprechen von Nirwana oder Moksha, dem Austritt aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. Diese Sicht ist viel verbreiteter in der Geschichte – und sie ist in gewissem Sinn auch richtiger, da das Leiden das Dasein offensichtlich weit mehr prägt als das Glück.
In jedem einzelnen Leben zeigt sich das deutlich: Glücksmomente sind selten, flüchtig, und rasch vergehend. Wenn du dir den Genuß eines Tieres beim Fressen vorstellst – und daneben den Schmerz des Tieres, das gefressen wird –, kann dich nichts täuschen … das Leiden übertrifft Lust und Freude um ein Vielfaches. Viele Bären, manche afrikanischen Wildhunde und andere reißen dem Beutetier Fleisch heraus, bevor es tot ist. Am gnädigsten stirbt man noch durch den Jaguar, der mit einem einzigen Biß durch den Schädel tötet – sein Kiefer ist stark genug, selbst Schildkröten zu knacken. Ich halte ihn für die mitfühlendste aller Raubkatzen – doch die meisten Tötungen in der Natur sind grausam. Houellebecq beschreibt, wie er als Junge die selbstzufriedene, lahm-rationale Stimme der Erzähler in Naturdokumentationen nicht ertragen konnte, diese müde Vernunft, die selbst die schlimmsten Qualen und den blutigen Mord in der Tierwelt noch beschwichtigen will. Doch nach jeder rationalen Rechnung ist das Leben nicht lebenswert, denn der Schmerz überwiegt die Freude bei weitem.
Stark medikalisierte Nihilisten mögen das leugnen – die wirklich Gesegneten und Glücklichen wissen, daß es wahr ist … doch sie wissen auch, daß Vernunft und Rationalität ihrerseits falsch sind. Der Gnostizismus wird vom Problem des Leidens und vom Mitgefühl für die Leidenden angetrieben; er versucht, Gott von der Verantwortung für diesen Zustand zu entlasten. So heißt es manchmal, der biblische Gott sei eingeschlafen, eingekerkert, mit adamantinischen Ketten gefesselt und in einen Käfig gesperrt, während ein Usurpator seinen Platz eingenommen habe. Oder daß der Gott der Genesis nicht der wahre sei, sondern ein Demiurg, und daß der wahre Gott seinen Gesandten Jesus geschickt habe, um dessen Reich zu stürzen. Es gibt viele Varianten – manche führen nicht einen, sondern neunundneunzig Demiurgen ein –, alles, um die göttliche Verantwortung für die Schöpfung dieser Welt zu verleugnen. Sie hätten einfach Buddhisten oder Hindus werden sollen und aufhören, die Mythologie Kanaans retten zu wollen!
Vielleicht war der ursprüngliche christliche Glaube dem buddhistischen tatsächlich verwandt – und ging dann in den Verirrungen haßerfüllter Sekten verloren, die seine Geschichte verzerrten. Man könnte glauben, es handle sich bei solcher Religion um das Nebenprodukt eines hoffnungslosen Zeitalters – ein Symptom von Verzweiflung und Niedergang, geboren aus dem Zerfall des Römischen Reiches. Doch es ist schlimmer: Das eigentliche Problem, für Menschen wie für Tiere, ist nicht das Leiden selbst, sondern das Gefühl, dem Leiden nicht entrinnen zu können – die Verzweiflung und Panik der Erschöpfung in Gefangenschaft.
Jenseits der bekannten Welt, der Oikumene, lagen unüberwindbare Ozeane – und der große „Erdozean“ der Steppe –, oder die Sahara in anderer Richtung. China und Indien waren bekannt, und Handel bestand, doch dies war bloß theoretisches Wissen, das den Eroberungsgeist und den Ruf des Abenteuers hätte wecken können. Es gab also durchaus viele Quellen für jenes Gefühl, daß hinter dem Horizont das Unerforschte lag. Derselbe Ruf des Unbekannten, der später Portugiesen, Spanier und andere Europäer zur Welteroberung und Entdeckung trieb, bestand auch im spätantiken Rom. Doch der Wille war nicht mehr da: Überall war nur Erschöpfung – dieselbe Erschöpfung, die auch die sinnlose Geschichte Chinas, Indiens und aller lange seßhaften Bauernkulturen erklärt. Bürgerkriege und Palastintrigen mögen weitergehen – doch der Geist des Menschen wird durch lange Domestizierung gebrochen, und nach einer gewissen Zeit geschieht nichts Großes mehr – weder körperlich noch geistig.
Diese »Gewöhnung« betrifft natürlich auch die »Gewohnheiten des Blutes«, die zur Zucht und Überproduktion der Überflüssigen führen. Sobald eine große Macht ihre Nachbarn und sich selbst der Domestizierung unterwirft, wachsen die Annehmlichkeiten – und unzählige Wesen werden geboren, die das Leben schon bei der Geburt in einem Zustand der Erschöpfung betreten. Regierungen und Religionen der Erschöpften und Gestreßten entstehen daraus.
Zweifellos sind die äußeren Hindernisse, vor denen wir heute stehen, viel größer: Der Weltraum scheint selbst theoretisch unüberwindbar, und jenseits der bekannten Welt ist nur Leere. Und dennoch, ich wiederhole: Diese äußeren Schranken sind nicht die eigentliche Ursache der spirituellen Erschöpfung, die nach Flucht verlangt. Es ist der häusliche Zustand selbst, die Welt als geschlossenen, besessenen Raum zu erleben. Die Menschheit paßt sich diesem Zustand an – biologisch und kulturell –, doch ein Schimmer der Gegenbewegung lebt selbst im Niedrigsten fort. Er kann nicht anders, als diese neue Welt mit Schrecken zu spüren – mit dem unheimlichen Verdacht … dem grausigen Verdacht … daß sie künstlich ist. Daß dieses Treibhaus, in dem wir leben, die bösartige Schöpfung eines Demiurgen sei, der unsere Qualen genießt, ja sich von ihnen nährt.
In ferner Zukunft, sollte das Übel menschlicher Innovation weitergehen, werden wir tatsächlich in der Welt leben, die die Gnostiker fürchteten. Der Funke des Lebens, der das Geschenk der Natur an alle jugendlichen Völker war, wird in »falsch konfigurierter Materie« eingeschlossen sein – Materie, die ihrer Natur und Funktion völlig entfremdet ist und allein dem Nutzen eines anderen dient.
In vieler Hinsicht leben wir schon jetzt in dieser Hölle, die sie einst vorausahnten – und die Reaktion derer, in denen das Leiden an Zivilisation und Moderne am weitesten fortgeschritten ist, die Transsexuellen, trägt – wenn auch unwissentlich – dazu bei, die Realität weiter von der Natur zu entkoppeln und unsere fortschreitende Domestizierung noch totalitärer und brutaler zu machen.
Und doch – für euch, die ihr der heraufziehenden Tyrannei entgegentreten wollt –, denkt daran, daß in Zeiten der Krise die karpokratische Option, also die Anziehungskraft gerade des Verbrecherischen und Abartigen, sehr stark werden kann … aber … hier steht man am Rand des Abgrunds. Und wie ihr den Ruf dieses Instinkts deuten wollt …
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Ich interessiere mich für die Fälschung der Geschichte – und womöglich auch der Geographie. Ich halte die Menschheit für äußerst dumm und bösartig; du kannst keinem einzigen Wort trauen, das dir überliefert wird. Ich zweifle nicht daran, daß eure Religionen auf gewisse Weise wahr sind – aber kannst du dir sicher sein, daß sich nicht irgendwann eine bösartige Fraktion in die Hierarchie der Priester, der religiösen Autoritäten oder der Buchdrucker eingeschlichen und allerlei Dinge eingefügt hat, die ursprünglich gar nicht vorhanden waren?
In Rußland etwa enthielten einst sämtliche altslawischen Bibelabschriften starke gnostische Einschübe. Das erklärt die Vielzahl absonderlicher Sekten, die dort entstanden – einschließlich jener, die sich selbst kastrierten, und anderer wie die Duchoborzen, welche die hohe, edle Nacktheit entweihen, indem sie die Nacktheit der Deformierten als heilig verklären. Auch im Westen fanden sich ähnliche Phänomene. Was meinst du, warum die Katharer solchen Anklang in Norditalien und im Rheinland fanden? Es war nicht bloß eine neue Lehre, sondern uralte Praktiken und Formeln, die auf ein Volk trafen, das innerlich längst darauf vorbereitet war, sie wiederzuerkennen. Manche dieser Formen waren vorchristlich, andere verbreiteten sich zusammen mit der frühen Kirche und bewahrten Elemente des Urchristentums, vermischt mit Manichäismus, Magismus und noch seltsameren Dingen.
Warum also solltest du annehmen, daß ausgerechnet jene großen Religionen, die überlebt haben, keine Fälschungen seien? Der Islam zum Beispiel könnte sehr wohl ein solcher Betrug sein: Der Koran ist ein chaotisches Durcheinander, vielleicht ursprünglich ein syrisches christliches Andachtsbuch, das später völlig überarbeitet wurde. »Mohammed« war womöglich nichts anderes als ein Name für Christus, und der ursprüngliche Glaube eine Variante des Nestorianismus, die nicht durch Araber, sondern durch den persischen König verbreitet wurde. Die ganze Erzählung von Herakleios’ Kreuzzug gegen Persien, ebenso wie der angebliche Untergang des Sassanidenreiches in »Schlachten« gegen Araber, könnte beidseitig frei erfunden sein – eine Lüge, die längst vergessen wurde.
Welche historischen oder archäologischen Beweise gibt es überhaupt für die Existenz eines Mohammed? Und ist dir überhaupt bewußt, wie spekulativ die meisten Schlußfolgerungen sind, die aus der Archäologie allgemein gezogen werden? Lies nur einmal nach, mit welchen »Beweisen« sie das Reiten auf Pferden in der großen Steppe vor 1000 v. Chr. belegen – ein paar Knochen, vielleicht fünf oder sechs, die vage an Zaumzeug erinnern. Das Leben ist kurz, die Wiedergeburt als Mensch ungewiß und könnte erst in einer Milliarde Jahren geschehen – willst du diesen erbärmlichen Lügnern wirklich dein einziges Leben anvertrauen?
Sieh dir Thukydides an – ein großer Mann, ein Genie seines Zeitalters. Er wollte Herodot übertreffen, und dieses Muster zieht sich durch die ganze Antike: Jeder große Historiker versucht, seinen Vorgänger als Rivalen zu überflügeln. Denkst du, sie haben manches erfunden? Dann frag dich, wieviel mehr der Gelehrte, der Schreiber, der eitle »Mönch«, dieser frühe Typus des Nerds, zu lügen imstande ist. Der Nerd ist ein Thukydides mit unendlich größerer Falschheit – durchdrungen von Eitel-, Gehässigkeit, Eifersucht und Kleinmut. Glaubst du ernsthaft, daß solche Leute, die über Jahrhunderte hinweg als Mönche die einzigen Bewahrer und Kopierer antiker Texte waren, nicht regelmäßig daran gingen, diese Texte zu verändern, zu ergänzen, ganze Bücher, ganze Autoren zu erfinden? Selbst »Bestätigungen« aus Dritthand wären mit geringstem Aufwand zu fälschen.
Josephus etwa nutzt die Rivalität unter den griechischen Geschichtsschreibern, um deren gesamte Überlieferung in Zweifel zu ziehen – und darin ist er nicht unvernünftig. Zwar irrt er, wenn er meint, daß zentral verwaltete Archive anderer Völker – der Ägypter, Babylonier oder der seinen – darum verläßlicher seien, aber der Zweifel an der griechischen Geschichtsschreibung bleibt berechtigt. Nietzsche verweist auf die Fälschung der Geschichte Israels, die irgendwann vor Josephus stattgefunden habe – vermutlich bezog er sich auf das Königreich der Makkabäer. Es gibt jedenfalls keinen externen Nachweis dafür, daß die Juden vor dieser Zeit überhaupt existierten – Herodot erwähnt sie nicht ein einziges Mal. Doch spricht vieles dafür, daß die Fälschung, auf die Nietzsche anspielte, noch später stattfand.
Vieles, was wir »Antike« nennen, könnte von Sekten oder religiösen Orden erfunden worden sein – Christen oder auch Juden –, mit dem Ziel, ihre künstlichen, utilitaristischen Religionen als natürlich erscheinen zu lassen, als hätten sie ihre Wurzel im Wesen des Menschen, als wären sie von weisen Männern der Vergangenheit vorausgesagt worden. In Wirklichkeit aber bestand ihr ganzer Impuls darin, den natürlichen Geist des Menschen zu unterdrücken, seine angeborene Ehrfurcht vor der Pracht des Tierischen, des Erhabenen, des Lebendigen. Am Ende gibt es nichts, dem du trauen kannst – außer dem, was du selbst mit deinen eigenen Sinnen siehst und fühlst.
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Wir wissen nicht, ob die gesamte Antike – oder vielleicht große Teile davon – vollständig von mittelalterlichen Mönchen oder von italienischen Humanisten der Renaissance erfunden wurde. Vielleicht war es ein exzentrischer Gelehrter in Konstantinopel oder ein Mönch in Iberien, der ganze Bücher oder Passagen zu Platon oder anderen hinzufügte. Wenn Nietzsche sagt, Platon habe »bei den Juden« in Ägypten studiert – was meint er wirklich? Könnte es sein, wie manche behauptet haben, daß die Juden selbst eine spätere Erfindung sind, eine arabische Sekte aus dem Kalifat von Córdoba, die Teile von Platon oder Aristoteles erfand oder deren Werke so stark verfälschte, vielleicht in Zusammenarbeit mit verstreuten Gruppen von Mönchen in Europa und später mit dem Vatikan? Und was ist der Vatikan überhaupt – und falls er nicht vor, sagen wir, dem Jahr 1200 existierte, worauf gründet sich dann deine Gewißheit?
Machiavelli berichtet, daß Papst Gregor der Große alle vorchristlichen Kulturen vollständig zerstören wollte, daß diese bärtigen Männer in schwarzen Roben in hysterischer Raserei Tempel niederwarfen, Statuen zertrümmerten und Bücher verbrannten. Aber woher weißt du, wie erfolgreich sie dabei waren – oder wann genau dies geschah? Woher weißt du, daß das antike Erbe, das laut Machiavelli nur aus Not erhalten wurde – weil sie dieselbe Sprache, das Lateinische, teilten – nicht vollständig durch ihre »Abschriften« verfälscht wurde? Jede neue Lebensform unter den Menschen versucht, die Erinnerung an ihre Vorgänger auszulöschen und die Geschichte umzuschreiben – vielleicht sogar im wörtlichsten Sinne, indem sie die Texte selbst verändert. Gibt es irgendeinen Beweis, daß diese desultorischen, jämmerlichen »Kirchenväter« überhaupt je existiert haben? Augustinus ist fast sicher eine reine Erfindung; es hat nie einen solchen Mann gegeben. Sein kauderwelschhaftes »Griechisch« ist offenkundiger Unsinn – eher das improvisierte Griechisch eines Mönchs des 12. Jahrhunderts, der irgendwo in Burgund lebte.
Dabei mußt du nicht einmal so weit gehen. Ich habe auch andere, weniger absurde, aber immer noch wilde Theorien gehört – etwa, daß das Neue Testament von einer jüdischen Frau, als Parodie auf die griechische Tragödie, geschrieben worden sei. Ein Versuch, das römische Leben und die römische Macht, das »römische Privileg«, durch die Passionsgeschichte zu stürzen: der tote Gott als Umkehrung des Dionysoskultes. Kommt dir das vertraut vor – in unserer Zeit –, wo monströse historische Täuschungen gang und gäbe sind? Einschließlich des sogenannten, völlig fingierten »Kalten Krieges«, während dessen die Vereinigten Staaten die Sowjetunion in Wahrheit ständig mit Gold und Waffen versorgte?
Wenn Nietzsche so etwas glaubte, hätte er es niemals unter eigenem Namen veröffentlicht. Aber wenn er sagt, Platon sei »ungriechisch«, könnte er genau dies gemeint haben. War Platon – oder zumindest ein Großteil seiner überlieferten Werke – das Produkt eines byzantinischen Universalgelehrten oder eines benediktinischen Mönchs? Solche Spekulationen sind alles andere als beruhigend, besonders in einer Welt, in der die tröstenden Gewißheiten der Religion selten geworden sind. Die Geschichte ist an ihre Stelle getreten – als stabilisierendes Prinzip für eine Welt, die sonst in Verwirrung, Chaos und Orientierungslosigkeit versinken würde. Ich aber will dieses Chaos, denn das, was ich bringe, gedeiht nur darin.
Die Idee einer historischen Kontinuität – wenn nicht gar eines Fortschritts – ist der letzte Faden, an dem der säkulare, »aufgeklärte« Mensch hängt, losgelöst im Universum, auf einem treibenden Felsen, dem Spiel titanischer, fremder Kräfte ausgeliefert. Sie ist seine letzte Verbindung zu geistiger Gesundheit. Ich will eine Welt des Wahnsinns. Ich will das Ende dieser geistigen Gesundheit. Was, wenn es keinen festen Boden gibt für das, was wir aus der Geschichte empfangen – wenn die Kontinuität, die wir zu erkennen glauben, in Wahrheit ein wirres, verworrenes Durcheinander ist, in dem Ereignisse der Antike mit solchen des Mittelalters verwechselt wurden?
Ich erinnere mich, wie mich der Gedanke des Anatoly Fomenko – daß die Kreuzzüge und der Trojanische Krieg in Wahrheit ein und dasselbe Ereignis seien – derart erschütterte, daß ich später an jenem Tag mit unkontrollierbarer Vehemenz handelte. In der Lounge fragte mich ein Türsteher, ob ich auf Drogen sei – worauf ich ihm in einer Geste majestätischer Verachtung die Stirn von mir wegstieß. Ich wurde von seinen Schlägern gründlich in der Gasse verprügelt.
Die Spekulationen von Fomenko, ebenso wie die sogenannte »Phantomzeit-Hypothese«, wonach drei Jahrhunderte unserer Chronologie fälschlich hinzugefügt wurden, sind dabei nur Kleinigkeiten – kleine Risse im Gefüge. Doch durch diese Risse wurde ich zu weit grausameren Zweifeln geführt. Ich habe ein unstetes Leben geführt, und manchmal verwirrten mich seltsame Ähnlichkeiten zwischen bestimmten Straßenecken, der Geruch dieses oder jenes Hauses, das ich für ein anderes hielt, die unheimliche Wiederkehr von Szenen, die ich Jahre später nicht mehr zuordnen konnte – ob es nun diese Straße war, oder eine andere, oder ob ich das alles vielleicht nur geträumt hatte.
Ich glaube, man muß ernsthaft untersuchen, ob Mexiko-Stadt in Wahrheit nicht dieselbe Stadt ist wie Bangkok, und ob die sogenannte Baja-Halbinsel nicht einfach identisch mit der malaiischen sei. Die Ähnlichkeit von Gerichten wie Mole und thailändischen Currys scheint dies nur zu bestätigen, ebenso wie die quakende Sprache der Oaxacaner und Chiapaner, die exakt wie Laotisch klingt. Ich habe Gerüchte gehört, daß man, wenn man landeinwärts von Port-au-Prince geht, irgendwann die Lichter von Manila sieht – und daß sich die karibischen Inseln nicht von den Philippinen unterscheiden. Beide essen gegrilltes Schwein, Reis mit Käse, Köstlichkeiten wie Spaghetti mit Ketchup, Hot Dogs und Dosenfleisch, und – wie ich höre – noch andere Dinge.
Die Slums von Bangkok sind dieselben wie jene von Mexiko-Stadt, und Kambodscha ist nichts anderes als Guatemala (Honduras ist völlig erfunden). Manche sagen, Kolumbus sei bei seiner Ankunft auf Kuba in Wahrheit auf Cipangu – Japan – gestoßen und habe somit Asien entdeckt. Die gesamte Neue Welt (und womöglich viele andere Teile der Erde ebenfalls) ist ein Betrug von erster Ordnung. Shanghai liegt zwei Stunden von Manhattan entfernt, erreichbar über einen geheimen Hochgeschwindigkeitszug. Und wenn du fragst, wie das mit dem Flugverkehr zusammenpaßt – nun, es ist nicht schwer, eine Absprache unter den relativ wenigen aktiven Piloten zu organisieren, damit sie umständliche Routen fliegen, um die Reisezeit künstlich zu verlängern und den Betrug zu wahren.
Und selbst wenn du das alles für zu weit hergeholt hältst – erinnere dich nur daran, daß sie ganze Kontinente oder Inseln geheimhalten können. Soweit ich weiß, ist es dir nicht erlaubt, den Nord- oder Südpol zu betreten – und wer weiß, ob sich dort nicht tropische Refugien befinden. Ein angesehener Gelehrter aus Bangalore hat darauf hingewiesen, daß in den Veden ein Jahr mit sechs Monaten Tageslicht und sechs Monaten Finsternis beschrieben wird.
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Aber glaubst du etwa, ich hänge der Idee vom »edlen Wilden« an? Verstehst du nicht, daß deine Vorstellung davon – was du für edel und ursprünglich hältst – im Grunde nichts anderes als ein miniaturisiertes, überfrachtetes China ist? Ein geistiges China im Kleinstformat? Ich weiß sehr wohl, daß es den edlen Wilden nicht gibt. Mark Twain stellte den »Roten Mann« als treulosen Lügner und Halunken dar – gut so. Das stört mich nicht, denn meine Vorstellung von edler und vitaler Macht ist eine ganz andere.
Aber ganz gleich, welche Variante des Edelmenschen du bevorzugst – du wirst sie unter Primitiven kaum finden. Du idealisierst Bauern, du schwärmst von Inselwilden, die »eins mit der Natur« lebten – ich bitte dich, erinnere dich an Margaret Mead und wie sie von den Polynesiern an der Nase herumgeführt wurde: Viele der Dinge, die sie über ihre »freie Sexualität« und ihr »natürliches Leben« schrieb, waren bewußte Täuschungen, erfunden, um sie lächerlich zu machen. Dasselbe gilt für die Narren wie Gimbutas und andere, die glauben, die Menschheit habe einst unter einer wohlwollenden Matriarchin gelebt – wieder »eins mit der Natur«, im Gleichgewicht mit dem Boden und dem Zyklus der Jahreszeiten: reiner Unfug. Wo Historiker und Archäologen auch suchen, finden sie nie ein echtes Matriarchat. Was sie finden, ist immer etwas anderes.
Selbst in der Odyssee ist klar: Das Erbrecht gehört dem, der Penelope zur Frau hat, und Telemachos ist keineswegs sicher in seinem Erbe. Es gab Fruchtbarkeitspriesterinnen, Frauen, die lokalen Erdgottheiten dienten – doch es waren Männer, die entschieden, wen sie heirateten, und es waren Männer, die über die Souveränität des Reiches bestimmten. In allen bekannten Fällen, in denen angeblich Matriarchate existierten, zeigt sich am Ende, daß es sich um eine Form legitimatorischer Weiblichkeit handelte, nicht um echte weibliche Herrschaft.
Wenn du Polyandrie findest – etwa bei Bergbewohnern des Himalaya –, dann nicht aus weiblicher Macht, sondern aus Ressourcenmangel. Wie sollten Frauen auch herrschen, da sie physisch schwächer sind und sich ohne Männer kaum politisch organisieren? Und doch – es gibt einen Weg für sie, zu herrschen.
Denn die, die das Matriarchat »widerlegt« haben, sehen nicht tief genug. Sie begreifen nicht, daß eine verdeckte Form davon nicht nur bei Primitiven, sondern auch unter Zivilisierten Realität ist. Ich habe bereits davon gesprochen. Bei Chinesen oder Sizilianern führt die Großmutter den Haushalt. Und wenn ihr modernen Leute von »gemeinschaftlichem Leben« träumt, von Großfamilien und generationenübergreifendem Zusammenleben, vergeßt ihr offenbar, daß dies vor allem die Unterwerfung unter eine willensstarke Drachenmutter bedeutet.
Das moderne Mädchen stellt sich bei ihrer Sehnsucht nach vormodernem Familienleben vor, es gäbe emotionale Unterstützung durch Cousinen, Großmütter, weibliche Nähe. Doch die Wirklichkeit ist: vollständige Unterwerfung unter die Schwiegermutter. Der moderne Südostasiat – dessen Vorfahren seit Jahrhunderten in orientalischen »Städten« lebten – ist vollständig seiner Frau unterworfen. Lies jede anthropologische Studie vor 1970, und du erkennst, wie asiatische Gesellschaften wirklich funktionierten.
In Afrika sind Männer in vielfacher Weise der weiblichen Ordnung unterworfen: Die Frauen bewirtschaften das Land, die Männer sind auf ihren Brei aus Getreide angewiesen. Bisweilen durchbrechen sie diese Monotonie mit Buschfleisch, doch meist leben sie als Bauern, abhängig von breitarmigen Weibern, die ein wirres Wurzelbeet bewirtschaften. Das soziale Leben wird von Geheimgesellschaften bestimmt – nicht von offizieller Macht, sondern von Netzen schwarzer und weißer Magie, durch welche in Dörfern wie Städten alle Entscheidungen gelenkt werden. Frauen herrschen offen oder durch diese Strukturen. Es gibt eine lange Tradition weiblicher Orakel, was nur natürlich ist. Die Yoruba-Wasserpriesterin, die in Ekstase Visionen empfängt, gleicht der Pythia. Doch anders als diese hat sie sich nie einem »apollinischen Prinzip« unterworfen. Die Sonne hat hier nie gesiegt.
So also existiert Matriarchat – aber verdeckt. Weder die Linke noch die Rechte sieht es klar. Die Linke hat immerhin recht: Die titanischen Mächte der Erde, die Große Mutter, all dies hat mit einem wirklichen Matriarchat zu tun. Doch sie irrt vollkommen, wenn sie glaubt, dies führe zu irgendeiner Form von Freiheit. Im Gegenteil: Alles, was du an der modernen Welt haßt – Spezialisierung, moralische Unterwerfung, Entfremdung – ist nichts als die Wiederkehr des Matriarchats. Und zwar nicht symbolisch, sondern ganz real.
Nietzsche hatte recht, als er sagte, daß im modernen Europa vor-arische Lebensweisen zurückkehren: Sozialismus, Langhaus, Feminismus – nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich, physiologisch. Die höheren Instinkte werden von den niedersten überrannt. Das Dorfleben, das primitive Leben, ist ein Leben totaler Unterwerfung, Domestizierung und Gebrochenheit. Und das Matriarchat, das darin herrscht, ist Ausdruck dieser Gebrochenheit – Ausdruck einer tiefen, alles durchdringenden Lebensmüdigkeit. Die »Solidarität« solcher Gesellschaften ist die Erstickung des Besonderen. Das eigentliche Problem ist stets dasselbe: Was tun mit den jungen Männern?
In jeder Hinsicht bedrohen sie die etablierten Sitten, die physiologische Trägheit, von der Alte und Frauen profitieren. Und so müssen sie gebrochen werden – geistig, sexuell, sozial –, dem Stamm unterworfen, geopfert. Für die Mehrheit, die ohnehin schwach ist, genügt sanfte Konditionierung. Für die anderen bleibt nur Ausstoßung – oder Tod. Du täuschst dich, wenn du glaubst, junge Männer seien notwendig für den Schutz. Die meisten primitiven und sogar zivilisierten Gesellschaften sind bereit, sich lieber einem fremden Stamm zu unterwerfen, als ihren eigenen jungen Männern Freiheit und Macht zuzugestehen.
Sie haben recht mit dieser Rechnung. Unterwerfung bedeutet selten Auslöschung. Aber wenn du deinen eigenen jungen Männern Freiheit gibst, gefährdest du die Lebensweise für immer. Unterwerfung hingegen bringt bestenfalls eine neue Steuer, vielleicht gelegentliche Vergewaltigung, den Verlust von Ehre – aber das Leben geht weiter. Das gemeinschaftliche Leben bleibt bestehen, gedeiht sogar unter der Herrschaft Fremder. Es wird sogar bevorzugt.
So war es bei den alten Zivilisationen – vor allem in China und Indien. Die Han standen regelmäßig grausamen Reiterhorden aus der Steppe gegenüber und wurden von zahlenmäßig unterlegenen Kriegern überrannt. Es störte sie nicht. Das Leben ging weiter – gleich ob unter Jurchen, Mongolen oder Schwarzen Yi. Und die Inder, sobald sie in die priesterliche Degeneration fielen, erlitten dasselbe Schicksal: jeden Sommer neue Invasionen aus dem Hindukusch. Afghanistan regierte Indien – Und das paßte ihnen.
Die Chinesen aber warteten geduldig wie Hefe. Sie wußten: Der Eroberer würde sich erschöpfen, sein Blut verfallen – und dann sich dem Volk anschließen. Und sie hatten recht. Das ist die berühmte Assimilation: die Aufsaugung des Erschöpften. Doch das hat mit Zivilisation nichts zu tun. China ist nicht zivilisiert im eigentlichen Sinn, sondern die Reduktion des Menschen auf bloßes Leben – ein gleichförmiger, willensloser Leibeigenenblock, der sich nach Unterwerfung sehnt und von ihr lebt.
So herrscht das Matriarchat und die Inder sind nicht anders. Die Chinesen hätten einen anderen Weg wählen können – als sie im 15. Jahrhundert begannen, eine Flotte aufzubauen. Doch sie bemerkten die Unruhe, die Jugend, die Möglichkeit der Freiheit – und unterdrückten das Projekt sofort. Solche Gesellschaften können sich nicht ändern. Die Interessen des bloßen Lebens sind zu tief verankert. Seßhaftigkeit heißt: die Jugend brechen, die Knaben entmannen – körperlich, seelisch und geistig.
Das sieht man schon in kleinen Stämmen. Und wenn sie sich zu Zivilisationen auswachsen, werden sie zu Han-China oder zu den Senkgrubenhöllen der Azteken, Babylonier und anderer. Deshalb laufen Leute wie Evola, Jung, Guénon und ihre Schüler in die Irre. Es gibt nur dies: Entweder wird das Leben von »Tradition« gebrochen – oder es gelingt in seltenen Fällen ein Aufstieg. Meist aber wird es entstellt. Der Mensch als Tier ist abscheulich – und muß überwunden werden.
Das also ist das »freie primitive Leben« des edlen Wilden. Das ist das »Matriarchat«, das seinen Glauben an die Natur in »nachhaltiger« Form bewahrt. In Wahrheit ist die Grashüttengesellschaft weder nachhaltig noch sanft – sondern räuberisch, grausam gegen Tier wie Mensch, eine brutale Tyrannei. Eine gute Parodie liefert der Film The Beach. Die Herrschaft der Schwäche ist nicht gutmütig, sondern grausam – bis hin zum Kannibalismus.
Kannibalismus ist der natürliche Weg des menschlichen Hefetiers, das unter Gynaikokratie verfällt. Der ewige Weg der Entartung: die Unterwerfung unter die Venus von Willendorf, unter alle »Erdmammis« – jene faulige, bluttriefende Fraktion der Natur, die alles Höhere zurück in den Sumpf ziehen will. Hättest du Europa um 3000 v. Chr. bereist, du hättest kuhäugige, schwarzhaarige neolithische Matronen gesehen, die Langhausdörfer überwachten, in denen fünfzig oder hundert Menschen zusammen mit Ziegen und Schafen in ihrem eigenen Dreck lebten, Erde hackten, ihre Begabtesten aufaßen – Männer oder Frauen mit vitalem Geist –, und Fremde verprügelten, die ihre Ordnung in Frage stellten.
Das war der Zustand des größten Teils der Menschheit bis vor kurzem – und es ist das Miasma, in das die moderne Welt, innerlich wie äußerlich, mit rasender Geschwindigkeit zurückkehrt.
Aber genug von diesem Gefängnis. Ich nehme an, du willst etwas über einen Ausweg hören – oder wenigstens über eine andere Art zu leben?
Teil III: Männer der Macht und der Aufstieg der Jugend
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Das Leben entfaltet sich nicht in Grashüttendörfern, regiert von durchgedrehten Mammis, sondern im militärischen Staat. Nicht in der Welt der Seßhaften und Angepaßten, sondern im archaischen Griechenland, im Italien der Renaissance, im heroischen Raum des Altpaläolithikums und im Höhepunkt der bronzenen Streitwagenkunst lebten Männer von Macht und Pracht in großer Zahl. Wir sind ihnen in jeder Hinsicht unterlegen – körperlich, geistig, seelisch.
Ich will dir ein Beispiel geben. Unsere Spitzensportler, unsere Elitesoldaten sind ein Schatten gegen sie. Man findet Knochen aus dem Paläolithikum – Oberschenkelknochen von solcher Stärke, daß kein heutiger Läufer oder Kraftsportler auch nur entfernt mithalten kann. Diese Männer konnten über lange Strecken Geschwindigkeiten halten, die wir heute für unmöglich halten würden. Du kennst den Marathon, aber nur die halbe Geschichte – nicht nur ein einzelner Bote lief nach zwanzig Meilen nach Athen. Die gesamte Armee stand in schwerer Bronzerüstung dem Feind gegenüber. Als die Perser landeten, stürmten die Griechen aus über einer Meile Entfernung auf sie zu – in voller Rüstung, mit sechs Fuß langen Eschenspeeren. Der Kriegsschrei, die Linie glänzender Bronze: Die Perser waren erschüttert. Sie wurden zerschlagen und ins Meer zurückgetrieben. Und dann marschierten diese Männer, ohne zu rasten, in voller Rüstung zurück nach Athen, um eine zweite Landung zu verhindern. Ich glaube nicht, daß auch nur eine Spezialeinheit unserer Zeit zu dieser Leistung fähig wäre – und das waren gewöhnliche Bürger Athens!
Auch im Geist waren sie uns überlegen. Sophisten konnten sich fünfzig Namen merken, nachdem sie sie nur einmal gehört hatten. Manche verfügten über Fernsicht – die Gabe, nach der Rosenkreuzer suchten und die sowjetische wie amerikanische Geheimdienste vergeblich zu rekonstruieren versuchten. Du kennst ihre Literatur, ihre Wissenschaft, ihre Kunst – oder glaubst es. Doch vor allem waren sie Männer der Entdeckung, des Abenteuers, der Eroberung. Aischylos ließ auf seinem Grabstein nicht seine Stücke rühmen, sondern vermerken, daß er bei Marathon kämpfte. Der freie Mann ist ein Krieger – und nur der Krieger ist ein wahrer Mann.
Ich weiß, viele von euch werden durch solche Beispiele entmutigt. Ihr könnt ihre Taten heute kaum nachahmen – und viele von euch tragen im Blut die Weichheit. Aber gerade deshalb ist es wichtig, sich daran zu erinnern, wie weit wir gefallen sind. Auch wenn ihr nicht in allem sein könnt wie sie – weil unser Zeitalter von totaler Unterdrückung geprägt ist –, könnt ihr doch etwas von ihrem Geist aufnehmen. Ihr könnt versuchen, in der Art der Bronzezeit zu leben.
Versteht mich nicht falsch: Dies ist kein Selbsthilfebuch, und ich kann euch nicht sagen, wie ihr leben sollt – niemand kann das. Mich bewegt die Unterwerfung des Lebens, das Ersticken der Vitalität. Ich will zeigen, daß es nicht so sein muß. Daß ihr euch nicht mit dem Kleinen abfinden müßt. Daß ihr nach dem Großen greifen sollt: nach physischer und militärischer Unabhängigkeit. Nur der Krieger ist frei. Die einzige gerechte Regierungsform ist die militärische – jede andere ist heuchlerisch und zerstört wahre Freiheit.
Zielt hoch! Schließt euch mit euren Freunden auf dem Weg zur Macht zusammen. Nichts hat das Recht, euch aufzuhalten. Nichts kann euch aufhalten.
Ich sage das besonders den Männern des Militärs – und denen, die es werden wollen. Ich sprach vor einiger Zeit mit einem anderen Frosch über Generalissimo Alfredo Stroessner. Vierzig Jahre lang war er Diktator von Paraguay. Er schlief um ein Uhr ein, stand um vier Uhr wieder auf. Nur eine kurze Siesta gönnte er sich am Nachmittag – zwei Stunden, eine Notwendigkeit in den Tropen, wo es damals noch keine Klimaanlagen gab. Den Rest des Tages arbeitete er unermüdlich – für sein Land, um die satanische kommunistische Sekte niederzuhalten, die sein Volk abgeschlachtet hätte – und für seinen eigenen Ruhm.
Der Frosch sagte mir: Ja, bewundernswert – aber du mußt es genau spezifizieren. Du kannst die Leute nicht ermutigen, solche Kraft aufzuwenden, um bei World of Warcraft zu gewinnen oder an ihrer Karriere als Innenarchitekt zu arbeite. Das ist keine Ehre. Ich stimme zu. Aber wenn du auf die Zeiten blickst, in denen das Leben aufstieg, siehst du: Die große Vitalität ihres Blutes entsprach dem großen Ziel, das sie suchten.
Und obwohl wir im verkommensten aller Zeitalter leben, ist es dennoch möglich, dieses Babylon zu zerbrechen – und die ewige Flamme der Jugend aufsteigen zu lassen, die dich zu den Höhen der Macht trägt. In deinem eigenen Leben kannst du diese Ordnung durchbrechen – und aufsteigen, in ein Chaos aus Freude und Zerstörung. Und in der Zukunft, fern am Rand eines weiten Ozeanhorizonts in violettem Licht, sehe ich schon das flackernde Bild: die Inseln von Hyperborea. Dort, am Rand des Leviathans, werden wir neue Außenposten errichten – und das große Tier von außen bezwingen.
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Stell dir einen Mitt Romney vor – aber anders. Einen Romney, der tatsächlich in der Lage ist, so zu handeln, wie er aussieht, und seines Auftretens würdig wäre. Stell dir einen jüngeren Romney vor, der durch bloße Redekraft und Charisma die Nation zu einem neuen Krieg gegen Indien aufpeitscht. Er verläßt das Land an Bord eines Schiffes, um selbst die Armeen zu führen, die den Subkontinent erobern sollen. Doch bald machen Gerüchte die Runde: Mitt habe in New York ein satanistisches Schwarzes-Messe-Dinner veranstaltet. Am nächsten Tag stellt man fest, daß jemand das Holocaust-Museum geschändet hat, das Lincoln-Memorial ebenso – und das Gerücht breitet sich aus, daß Mitt und seine Freunde dahinterstecken, als Vorbereitung auf einen Umsturz der Regierung. Man ruft ihn zurück, er solle sich vor Gericht verantworten – doch anstatt zu erscheinen, flieht er nach Rußland und wird dort zum engen Berater Putins. Auch das geht schief, als herauskommt, daß er Putins Frau gebumst hat. Er muß fluchtartig abreisen, diesmal nach China, wo er, wie durch ein Wunder, erneut zu einer bedeutenden politischen Figur aufsteigt, die Bräuche der Chinesen übernimmt, ihre Sprache spricht und sie berät. Dann verschwindet er wieder – und lebt schließlich als einer der ihren unter den afghanischen Stämmen, in einer ihrer Lehmfestungen, wo er von amerikanischen Spezialeinheiten aufgespürt wird und untergeht: Er kämpft bis zuletzt, mehrmals angreifend mit einem Maschinengewehr, in schwarz-goldener Rüstung und einem Dune-artigen Headset, bis er fällt.
So – und mehr noch – war das Leben des Alkibiades aus Athen. Unvorstellbar! Selbst ein so vielgestaltiger und auffälliger Typ wie Trump ist weit entfernt von solcher Möglichkeit, auch wenn er die Figur irgendwie glaubhaft macht. Es gibt kaum etwas Vergleichbares in irgendeiner anderen Epoche der Geschichte. Talleyrand ist bekannt dafür, unter Monarchie, Republik, Napoleon und dann wieder Monarchie Karriere gemacht zu haben – und allein das macht ihn schon berühmt. Aber er tat das alles innerhalb eines Landes. Alkibiades dagegen – das ist etwas völlig anderes. Denn die Kulturen, in denen er sich bewegte, unterschieden sich wirklich, waren einander völlig fremd – und doch glänzte er in allen. Ich glaube, das lag daran, daß er, noch als Jüngling in Athen, sich den Gott der erotischen Leidenschaft als Schutzpatron wählte. Er war von auffallender Schönheit, bewundert und begehrt von Männern wie Frauen. Sokrates, der pelasgische Pädo-Perversling, machte sich an ihn heran – doch Alkibiades wies ihn ab. Platon, die lügnerische Fotze, dieser phönizische Arschkriecher, der er war, verdrehte später die Geschichte und stellte sie auf den Kopf.
Alkibiades brillierte in der Leichtathletik, und als man ihn in der Schule zum Flötenspiel zwingen wollte, weigerte er sich – weil es die Wangen aufblähte und ihn lächerlich erscheinen ließ. Andere Knaben folgten ihm; sie hielten das Harfenspiel für edel, die Flöte hingegen für ein Instrument der Sklaven und Schwuchteln. Als Alkibiades an Einfluß gewann, trug er einen Schild, auf dem Eros mit einem Blitz abgebildet war – das empörte die Alten. Doch so bekannte er sich zu dem, was er war: ein Jünger unbändiger Lebenskraft, ein Verehrer des jungen Gottes der sexuellen Leidenschaft und der totalen Zerstörung, ein Mann, den kein Gesetz und kein Menschenwort aufhalten konnte. »Am Anfang war das Wort«? NEIN! Am Anfang war das dämonische Feuer, das in Männern wie Alkibiades auflodert – das Städte niederbrennt, Lügen entlarvt, Ordnungen zerschlägt. Solche Männer sendet die Natur, um uns zu züchtigen, um unsere Nemesis zu sein. Sie sind die große Reinigung.
Seine Geschichte wird von Thukydides und Plutarch erzählt – obwohl letzterer ein berüchtigter Lügner war. Und dennoch glaube ich: Es muß jemanden wie Alkibiades unter euch geben. Einen wie ihn.
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Das Geheimnis der Leichenstarre ist aufschlußreich. Warum wird Fleisch nach dem Tod starr? Es gab eine Studie, in der man totes, starres Fleisch in ein Bad aus ATP legte – jenem Meistermolekül der Zellenergie –, und die Muskeln wurden weich, entspannten sich. Der physiologisch-energetische Zustand ist also nicht die Anspannung, sondern die gelöste Ruhe. Fleisch, das entweder starr oder schlaff ist, ist bereits verbraucht – doch echte, energetisch geladene Biomaterie vibriert in einer vorbereiteten Geschmeidigkeit. Du siehst das in der strahlenden Haut sehr gesunder, junger Menschen: eine lebendige Weichheit im Fleisch, wie bei Pietro Boselli. Ich schrieb ihm einmal einen Brief und bat ihn, Dutzenden geschlechtsreifen Frauen zu erlauben, öffentlich seine weiche, volle, gummiartige, vibrierende Haut zu berühren.
Die moderne Welt hingegen erschöpft alles – sie macht starr oder verwandelt in formlosen Brei. Physiologisch fördert sie lauter Stressoren: Östrogen, Serotonin, Hyperventilation, Übererregung – alles Kennzeichen energetischer Erschöpfung. Der Verlust von Struktur, Form und Differenzierung folgt zwangsläufig – und das war gewollt. Danach kommt auch die geistige und seelische Erstarrung: der Blick des Ideologen, des Aktivisten, der ganzen intellektuellen Klasse – links wie rechts –, ebenso wie jener, die im Management oder Militär arbeiten. Sie sind steif, beschränkt, leben in permanenter Angst – Angst, etwas zu verlieren. Sie haben kaum etwas, aber ihre Furcht lähmt sie, und deshalb reagieren sie panisch, wenn es um mögliche Gewinne oder, schlimmer noch, mögliche Verluste geht. Sie erstarren, sie hyperventilieren. Unsere Politiker sind allesamt so – sie zittern vor der schlagenden Hand. Alle waren längst müde von ihren mechanischen Plattitüden, die sie aus Schüchternheit und weil sie gekauft sind, unablässig wiederholen. Und deshalb wirkt ein Mann wie Trump so verführerisch – nicht wegen irgendwelcher Inhalte, sondern weil er wirkt, als wäre ihm alles egal. Weil er genießt, was andere zensieren. Weil in seiner empörenden Lockerheit Energie liegt.
Die moderne Welt ist, kurz gesagt, ein Spaßverderber. Aber die alten Griechen waren ganz anders – auch ganz anders als die steifen, überernsten Männer mit englischem Akzent, die sie in historischen Dramen spielen. Was sie bewunderten, war eine Leichtigkeit, eine Unbekümmertheit, die uns heute schockieren würde – besonders die mauligen Linken und die konservativen Rollenspieler. Es gab einen Hippokleides aus Athen, einer der schönsten Jünglinge seiner Zeit. Herodot erzählt seine berühmte Geschichte: Hippokleides reiste mit Dutzenden Jünglingen aus ganz Griechenland nach Sizilien, um die Tochter eines mächtigen, reichen Autokraten zu freien. Dieser wollte die Freier prüfen – durch Wettkämpfe, Gespräche und Ausstrahlung. Und das zeigt bereits die Größe dieses Volkes: Ehen wurden nicht bloß als finanzielle oder politische Bündnisse geschlossen – ihre Aristokratie achtete auf biologische Qualität. Nur wenige Völker hatten den Mut, über unmittelbaren Nutzen hinauszublicken, die Schnauze vom Boden zu den Sternen zu heben.
Wie anders unsere Elite heute ist: Zwei erschöpfte Mittdreißiger heiraten »praktisch« – da entsteht kein kräftiges Kind. Die Körper solcher Menschen ekeln mich an, und ich versichere dir, sie widern auch die Natur an. Hippokleides jedenfalls galt als der Favorit des Vaters – wegen seiner Herkunft, seines Glanzes, seiner Gesprächigkeit. Doch auf dem Abschlußfest betrank er sich, sprang auf den Tisch, tanzte, stand plötzlich auf den Händen, fuchtelte mit den Beinen herum. Die Männer jener Zeit trugen keine einengenden Hosen wie wir – der Vater war empört. »Hippokleides, du hast dir gerade eine Ehe weggesoffen.« Und Hippokleides antwortete: »Hippokleides ist’s egal.«
In diesem einen Satz liegt die ganze Haltung jener schönen, rücksichtslosen, piratischen Aristokratie, die die bekannte Welt eroberte. Und es ist genau diese Haltung, die alle Moralschwuchteln unserer Zeit – links wie rechts – so in Rage versetzt. Hippokleides war dort, um sich zu zeigen – seine Kraft, seine Überlegenheit. Der Gewinn oder Verlust der Frau kümmerte ihn nicht. Er war nicht gekommen, um zu winseln oder nach der Pfeife eines Sklerotikers zu tanzen. Er war sorglos gegenüber seinem Besitz wie gegenüber dem der anderen – genau wie Tacitus es über die edelsten Germanen berichtet, die einzig für die Freude an Krieg und Schlacht lebten. Das war es, was die Griechen groß fanden.
Diogenes zeigt dieselbe Haltung. Als Alexander der Große sich ihm näherte und fragte, was er sich wünsche, antwortete er bloß: »Geh mir aus der Sonne.« Vergleiche das mit unseren sklavischen Intellektuellen, mit ihren flackernden Seelen, die schon nervös werden, wenn sich ein mittlerer Bürokrat nähert – die Ehre, die sie empfinden! Alexander sagte darauf: Wenn er nicht Alexander wäre, würde er Diogenes sein wollen.
Ich weiß nicht, ob ich dir raten kann, wie Hippokleides oder Diogenes zu sein – vielleicht muß man so geboren werden. Aber ich kann dir sagen: Es gibt nichts Höheres, wonach du streben solltest, als diese göttliche Sorglosigkeit, die aus dem Vertrauen in die Lebenskraft stammt. Sie war es, was dieses Volk liebte. Alles wahrhaft Große muß etwas von dieser Unbekümmertheit besitzen. Haben nicht selbst die Christen gebetet: »Gib uns unser tägliches Brot« – als sei das genug und als solle man sich um nichts sorgen, nicht einmal um morgen? Nietzsche lobt Armut, Unabhängigkeit und Frohsinn. Und jene Männer waren sehr arm – aber sie waren Söhne Gottes. Und die brauchen nichts weiter.
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Schopenhauer erklärt die Leichtfertigkeit und sorglose Fröhlichkeit der Frau damit, daß sie im und für das Genie der Spezies lebt. Auch wenn sie sich dessen nicht bewußt ist, durchdringen sie doch dessen grenzenlose Ziele, die weit über das Einzelwesen mit seinen kleinlichen Ängsten und Sorgen hinausgehen: Die Ankunft der nächsten Generation ist die ernsteste aller Angelegenheiten – und in ihr verjüngt sich die Art. Sie lebt in der Spezies. Natürlich spreche ich hier vom Ideal, vom höchsten Typus der Frau – die meisten Exemplare sind mißraten. Warum? Weil man sie gelehrt hat, ihre Natur zu hassen. Und in manchen Fällen wurden ihre Instinkte nicht nur unterdrückt, sondern regelrecht vergewaltigt – oder, wie es ein Witzbold kürzlich formulierte, sie wurden „in den Arsch bernankefiziert“. Die moderne Frau hat diesen uralten Vorteil preisgegeben, um eine neurotische Kopie schwuler Schreibtischarbeiter zu werden. Sie hat die große Macht, die in ihrem Blut liegt, aufgegeben.
Wenn du mir nicht glaubst, dann denke an eine Brieftaube, die den Weg kennt – sie würde ihn verlieren, sobald sie eine Karte sähe und darüber nachdenken müßte. Was aus dem Blut kommt, ist am besten. Doch heute ist es schwer, diesen Ruf des Instinkts zu vernehmen – denn man hat dich gelehrt, ihm zu mißtrauen. Wenn man sich dem Instinkt überläßt – vorausgesetzt, man verfügt über Disziplin und eine im Körper verankerte Praxis –, kann ein Mann mit sicherem Schritt eine Schlucht auf dem Seil überqueren. Die Linke spricht viel vom „sich Befreien“, davon, nicht länger „unterdrückt“ zu sein – wenn sie doch nur wüßten, was das wirklich bedeutet!
Ich will dir Männer zeigen, die wirklich keine Hemmungen hatten, die in keiner Weise unterdrückt waren. Einer war Klearchos, ein spartanischer General. Er wurde von Sparta nach Byzanz gesandt, an den Eingang des Schwarzen Meeres. Man hatte um Hilfe gebeten. Klearchos kam als militärischer Berater – aber er hörte bald auf, Sparta zu antworten. Er nutzte seine Macht, lud die Senatoren, Reichen und Prominenten der Stadt zu einem Treffen – und ließ sie dort aufhängen. Er nahm ihr Eigentum, nahm sich die Souveränität! Sparta schickte eine Armee, um ihn zu vertreiben – Klearchos leistete heftigen Widerstand, wurde aber geschlagen. Während die Stadt belagert wurde, gelang ihm bei Nacht die Flucht – mit dem Schatz –, auf einem Schiff aus einer benachbarten Stadt, die er sich ebenfalls unterworfen hatte. Er floh nach Persien. Doch dort ruhte er sich nicht aus, sondern rief Söldner aus ganz Griechenland zusammen und führte diese Armee auf gewagte Züge durch Thrakien und tief ins persische Reich. Am Ende starb er durch Verrat – er war sorglos. Doch du mußt vorsichtig sein: Du mußt wissen, wann du den Fuchs brauchst und wann den Löwen.
Ein anderer war Agathokles von Syrakus. Auch ihn preist Machiavelli als Vorbild – eine Art Lebensratgeber in Menschengestalt. Agathokles stieg aus einfachen Verhältnissen über den Mut im Kampf und den Scharfsinn in Strategie und Hinterhalt bis zum obersten Befehlshaber der Stadt auf. Als er die Macht hatte, lud er den Senat und die Notabeln zu einem Treffen – und ließ sie alle töten. Er nahm sich die Stadt. Dann zog er gegen die Karthager, die die Griechen auf Sizilien bedrängten – landete in Afrika und schlug sie dort. Er herrschte sicher und in großer Pracht.
Ich erzähle dir diese Geschichten, weil sie das Leben zweier Männer zeigen, die wußten, wie man losläßt – die nicht von feigen Hemmungen gebremst wurden. Dies sind Männer, die wirklich wußten, was Freiheit ist, und die sich nicht durch die Meinung anderer einschränken ließen.
Was war doch der Slogan des letzten Jahrzehnts in Amerika? Richtig: Yes, you can! Und ich sehe keinen Grund, warum du diesen Satz nicht zu Ende denken solltest – immerhin hatten all die sehr moralischen Weisen, die dieses Land regieren, nichts gegen ihn einzuwenden. Sie wollten doch, daß du ihn verinnerlichst. Denk daran: Kleine Leute wie Bill Gates, Zuckerface und Bezos sind in Wahrheit vollkommen abhängige Männer. Sie können mit ihrem Reichtum nicht das tun, was du denkst. Sie könnten nicht einfach einen Mann erschlagen und seine Frau nehmen – doch selbst der Herrscher des kleinsten afrikanischen Staates kann genau das. Das ist wahrer Reichtum. Wenn dein Glück und Besitz von der bewaffneten Macht anderer abhängt, dann bist du nicht dein eigener Herr – und kannst die großen Freuden des Lebens nicht kosten.
Klearchos und Agathokles wußten das. Sie zeigen dir einen der Auswege; sie sind Männer, die wirklich ihren eigenen Weg gingen – echt, entschlossen, frei. Ja – du kannst!
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Der Pirat und die Festung – »Arbeit war nie ein Vergnügen für mich, noch häusliche Sparsamkeit, die gute Kinder nährt. Aber Ruderschiffe waren es, und Krieg, und glänzende Speere und Pfeile.« So spricht Odysseus, der Pirat. Dies ist sein Motto, dies ist das Leben des Piraten. Weißt du, was ein Pirat wirklich ist? Oft werde ich gefragt: Warum gerade die Bronzezeit? Weil sie das heroische Zeitalter war – wie du es in Ilias und Odyssee sehen kannst, ja. Aber vergiß nicht, was »Held« in Wahrheit bedeutet. Thukydides sagt, die Männer jener Zeit liebten die Piraterie und sahen nichts Verwerfliches darin – und er hat recht. Denn was ist der Pirat, wenn nicht die Urform des freien Mannes, des aufsteigenden Lebens?
Wie erbärmlich ist dagegen die heutige Vorstellung vom »Leben«, das man »haben« soll – sie hat nichts mit wirklichem Leben zu tun. Vergleiche die Intensität eines Alkibiades, dieses Superpiraten, mit dem schäbigen Prahlen jener Kreaturen, die von Pharmazeutika, billigem Wein und dem abgestandenen Furzgestank gegenseitiger Bestätigung leben. Schopenhauer schreibt, daß in der Frühzeit alle Tiere Pflanzenfresser waren – bis eine Spezies den Mut aufbrachte, ihr Leben selbst in die Kiefer zu nehmen und ein Raubtier zu werden. Der Räuber ist immer das intelligentere Tier. Jeder, der sich entscheidet, Jäger oder Pirat zu werden, zeigt Mut – er entscheidet sich für Freiheit.
Der Held ist kein Sklave der Vielen, der sich für sie opfert – dieses Ideal ist bloß ein Abklatsch des heldenhaften Hundes, der seinem Herrn gehorcht. Der gemeine Mann ist davon beeindruckt, weil er selbst dazu nicht fähig wäre. Der Wolf aber sucht keine Gelegenheit zum Opfer – er sucht ein Territorium, das seine Kraft aufnimmt. Und was tun wir? Wir nehmen die Wölfe und Löwen unter uns, solange sie noch Welpen sind, und brechen sie mit Lügen, bösartiger Konditionierung – und heute mit Drogen, die einst einen da Vinci, einen Alexander oder einen jungen Friedrich der Große ausgelöscht hätten. Die verbleibende Energie wird in sinnlose Arbeit für Geld gelenkt. Arbeit und Handel sind Werkzeuge, um dich der bloßen Selbsterhaltung zu unterwerfen. Wenn die Höherstehenden in ein Leben aus Lohnarbeit und Finanzen fallen, bewegen sie sich unweigerlich ihrem eigenen Untergang entgegen.
Ich könnte sagen: Muße ist die Quelle aller großen Dinge. Die Erhaltung des Lebens ist mühsam – Freiheit von seinen Forderungen notwendig für jede hohe Kunst, Wissenschaft, Literatur, für jedes schöne Leben, jedes Abenteuer, jede körperliche Vervollkommnung. Einer der Gründe, warum unsere Welt keine große Kultur mehr hervorbringt, ist, daß sich die Söhne der Reichen dafür schämen, nicht zu arbeiten, und sich wie alle anderen in genormte Berufe drängen. Noch vor wenigen Jahrzehnten gaben die meisten »Sportler« dies als Hauptberuf an – damals war noch etwas von Schönheit übrig, etwas Kunst. Doch heute? Heute verdient niemand mehr eine höhere Kultur. Nicht nur, weil wir sie nicht würdig sind – sondern weil uns ihr Sinn völlig fremd geworden ist.
Aus Sicht echter Verfeinerung sind wir barbarisch – wie irgendeine obskure Herde in Choresmien, wo sich Frauen in der Öffentlichkeit am Schambein kratzen. Nur zahmer sind wir. Wenn ich also von Muße spreche, dann meine ich nicht die deine. Es ist nicht bloß »Freizeit«. Du brauchst Muße zur Kriegsvorbereitung. Um der Unterwerfung unserer Zeit zu entkommen, kannst du nicht auf Wissenschaft oder Kunst hoffen – du hast ihren Sinn vergessen. Heute gleicht jede sogenannte Teilnahme daran einem Cargo-Kult. Wer fällt dir als wahrer Künstler oder Wissenschaftler ein? Vielleicht ist es ein Jahrhundert her, daß einer existierte. Sieh, wie Cellini seinen Perseus schuf – mit welchem Geist! Und wie fremd dies unseren heutigen »Kritzlern« ist. Paglia hat recht: Der Künstler gleicht dem Stalker, dem Besessenen, dem Serienmörder. Schau dir Newton an, Balzac, Baudelaire – gewalttätige Spergs, Monomanen.
Unsere Kritiker dagegen sind einfach leer. Sie glauben an nichts – nicht einmal mehr an den Nihilismus. Ihnen fehlt jede Intensität. Deshalb fördere ich in diesem Buch nicht das Leben des Wissenschaftlers oder Schriftstellers – weil sie heute zu Hobbys entartet sind. Leute, die solche Dinge propagieren, wollen dich harmlos machen und den anderen in den Medien zeigen, daß sie es auch sind. Die Muße früherer Zeiten ist eine andere als die deine. Sollte je ein Heer von Robotern die Menschheit von Arbeit befreien – es würde kein goldenes Zeitalter folgen. Rentner, NEETs, Akademiker: Sie alle haben »Muße«, und dennoch tun sie nichts. Sie sind reduziert, abhängig, stumpf. Kein Mensch in Abhängigkeit hat echte Gedanken – so wie kein Volk ohne Industrie je noch erfindet.
Unsere Wissenschaft und Technik sind Kritzelei. Don Quijote entstand im Gefängnis. Spinoza schliff Linsen. Diogenes war obdachlos. Große Dinge wurden oft unter schlechteren Bedingungen geschaffen als die, die du heute »hart« nennst. Und trotzdem ist der Alltag des Durchschnittsamerikaners das Leben eines erschöpften Sklaven. Doch selbst wenn man ihn davon befreite – ohne Männlichkeit, ohne Souveränität bliebe bloß: Ruhe. Und das genügt nicht.
Es gibt keinen Ersatz für echte Freiheit und Macht. Nicht einmal das Gefühl davon ersetzt das Wirkliche. Der Pirat, der wahre Krieger – nicht der moderne Soldat unter einem kastrierten General – ist der einzige freie Mann. Diese ursprüngliche Freiheit der Bronzezeit muß wiedererlangt werden, bevor überhaupt etwas anderes beginnen kann.
Tacitus schreibt über die alten Germanen, sie zögen es vor, ihren Lebensunterhalt im Kampf zu gewinnen. Sie verachteten es, das Land zu bearbeiten und zu schuften – sie wollten mit Speer und Blut für sich sorgen. In Friedenszeiten sandten die edelsten Jünglinge sich selbst in andere Stämme, um Krieg zu suchen – denn das Fehlen von Abenteuer widersprach ihrem Wesen. Auch der mittelalterliche Chevalier, der Reiter, dachte so. Das Leben der Leibeigenen, der Gemeinde – das war für Sklaven, niedere Kasten und Frauen. Der Ritter war immer bereit für neue Unternehmungen, neuen Ruhm, neue Gefahr.
Es reicht also nicht zu sagen: »Sie hatten Muße.« Es war eine bestimmte Art von Muße. Die römische Aristokratie lebte, wie Nietzsche sagt, nach dem Motto otium et bellum – Muße und Krieg. Das war das rechte Leben eines Mannes von Rang. Célines Vermieterin – eine unbedeutende Frau – hatte laut ihm noch eine aristokratische Verachtung für Arbeit. Das war bloß ein müßiger Nachhall. Denn die letzte Blüte der arischen Aristokratie war da schon erloschen – mit der Französischen Revolution, dem Aufstand rassischer Sklaven, der Europa auf den absteigenden Pfad stieß. 1917 kam ein weiterer, peripherer Aufstand – und Europa fiel in einen Bürgerkrieg, von dem es sich nie mehr erholt hat.
Aber Célines Held suchte – auch im Schmutz – nach dem Schlüssel. Nach echter Freiheit, Weite, Raum. Wo liegt die Grenze? Es gibt sie, aber der Weg ist hart. In einem Volk muß Muße durch den Sklavenstaat gesichert werden, und sie muß sofort zur Kriegsvorbereitung führen. In der griechischen Stadt verbrachte der Mann der Macht seine Zeit mit Jagd, Gymnasion, Militärstudien – allem, was ihn kampfbereit hielt. Viele, wenn sie heute an Griechenland denken, stellen sich soldatische Disziplin und Ordnung vor, denken an die Linie der Hopliten – und glauben, darin liege auch unsere moderne Demokratie begründet. Sie täuschen sich. Der Hoplit kam nicht, wie heutige Soldaten, als Werkzeug des Staates oder der Demokratie. Willst du den Geist der Bronzezeit sehen, dann lies das alte Trinklied aus Kreta und Sparta:
»Dies ist mein Reichtum: mein Speer und mein Schild.
Damit trete ich süßen Wein aus der Rebe.
Damit werde ich Herr der Leibeigenen genannt.
Die, die keinen Speer haben, kein Schwert, keinen Schild aus Leder –
sie hocken an meinem Knie, unterwerfen sich
und nennen mich Herrn und König.«
Das war echt. Solche Männer bildeten kleine Gruppen von Abenteurern, übernahmen den Staat, herrschten piratisch. Später unterwarfen sie sich der Disziplin – wie ein Athlet sich dem Training unterwirft –, aber immer in Vorbereitung auf Kampf, nie als Selbstzweck. Als die griechischen Städte ihre Blüte erreichten, sahen wir Staaten, die von solchen Männern geschaffen waren – nicht für Gleichheit, sondern für Vorherrschaft. Und wo es Demokratie gab, war der Unterschied bloß, daß auch die Ruderer zur bewaffneten Versammlung zählten.
Du verstehst nun, was antike »Gemeinsamkeit« bedeutete: Es war keine Gleichheit. Es war ein Bund freier Männer, die sich der Härte des Trainings unterwarfen, um ihre Freiheit durch Gewalt zu sichern – gegen äußere Feinde und gegen die rassischen Untergebenen im Inneren. Es gab keine politische »Einheit« der Griechen – nur kulturelle oder sprachliche. Keine dieser Städte hätte je akzeptiert, ihre Souveränität an etwas Abstraktes wie »Menschenrechte« oder »das Volk« abzutreten. So etwas hätte man als Sklaverei erkannt. Und das ist es, was wir heute haben.
Wie kann es sein, daß alle Bewohner eines Territoriums »gleiche Ansprüche« haben, obwohl sie keine physische Kraft besitzen? Denk darüber nach – und du wirst begreifen, was unsere Zeit zur Unterwerfung gebracht hat. Es sind nicht diese Menschen, die Schuld tragen. Es ist die Macht im Hintergrund, die sie benutzt. Unsere Demokratie ist totalitär – sie versucht, die Besten der Herrschaft des biologischen Abfalls zu unterwerfen, indem sie ihn aufwiegelt. Und daß das Militär diesen Zustand akzeptiert, ist das größte Rätsel von allen. Warum? Zu welchem Zweck? Was erhalten sie dafür?
Das antike Leben – das Leben der Bronzezeit – war eines von völliger Freiheit und Macht.
Und auch für dich gibt es noch einen verborgenen Pfad. Hinter dem Marktplatz beginnt er, in den Dickichten kleiner Wälder. Er windet sich über steile Hänge zur hohen Bergluft – zum Leben im Aufstieg, fern vom Miasma der Hefemenschen und den Toiletten in den Flußtälern. Das Leben auf Jasons Argo kann zurückerobert werden. Und von wenigen – wurde es das bereits.
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Griechische Freundschaft – Du denkst vielleicht, ich plädiere für die Rücksichtslosigkeit eines Maschinenpolitikers mit thunfischbeflecktem braunem Sportmantel, oder für die Winkelzüge eines kleinlichen Bürointriganten, oder gar für das zickige Getue eines Innenarchitekten mit nach oben schwingender Stimme, der seine Kollegen hintergeht, um einen Vertrag zu ergattern. Narren! Ihr glaubt, ich wolle hier eine »Lebensweise« oder eine Moral vertreten. Aber keine Idee, kein Prinzip ist heute noch brauchbar – alles wird umfunktioniert, und von genau solchen Kreaturen gekapert. Selbsthilfe ist ein nutzloses Konzept und nicht, worum es in diesem Buch geht. Eher ziehe ich Selbstzerstörung in Betracht – um sie loszuwerden.
Ich kümmere mich nur um wenige, die durch ihre räuberische Natur vom Zustand dieses Freiluftzoos gehemmt werden und in die Vergangenheit blicken müssen, um zu begreifen, was möglich ist. Jenen wenigen will ich Mut machen – ihnen, die von Natur aus geeignet sind, die reinigende Hand des Lebens zu sein. Unter deinen Instinkten liegt das Verlangen nach starker Freundschaft, das der moderne Moloch zu ersticken versucht – und mit gutem Grund: Alles Große in der Geschichte ist aus starken Männerfreundschaften oder Bruderschaften hervorgegangen – jede große politische Tat, jede echte Form von Macht und Freiheit. Der heutige Käfig will dich schwach, isoliert und vereinzelt – als »Individuum«.
In den meisten griechischen Städten gab es aristokratische Klubs, Bruderschaften, Keimzellen großer Ideen, politischer Pläne, spiritueller Unruhe. Hier entstanden Expeditionen zur Kolonisierung, Eroberung, zur Gründung neuer Städte. Hier bereitete man sich auf Aufstände gegen Tyrannen oder das Pöbelregime vor. Und heute? Was bleibt dir gegen Babylon, wenn solche Formen für dich illegal geworden sind? Sieh dir das Leben Cellinis an – ein freier Mann: Wird einer seiner Freunde beleidigt oder seine Familie verletzt, sammelt er fünfzig Bravos und überfällt den Feind. In unseren Staaten unmöglich – nicht nur wegen der Macht, die alles erstickt, sondern weil du keine solchen Freunde hast, die das für dich tun würden.
Eine Bruderschaft dieser Art ist die Grundlage allen höheren Lebens. Es gibt eine Art Raserei, eine Begeisterung, die du auch in echten Gemeinschaften von Wissenschaftlern oder Künstlern findest – und die demselben Muster folgt. In unserer Zeit ist sie völlig unterdrückt. In den Universitäten ist sie verschwunden. Und welchen Platz kann Wissenschaft dort überhaupt noch einnehmen? Alles wird von Verwaltung, Konzernen, Militär und Geheimdiensten gesteuert – alles strebt darauf hin, den Geist zu zerstören. Die Disziplin, die Strenge, der Ernst, der für wahre Forschung nötig wäre, sind verboten, weil sie Schwächlinge und Frauen »unwohl« fühlen lassen.
„Stillräume“, Wohlfühlatmosphäre, »nicht-feindliche Umgebungen«, das Verbot scharfer Debatte, die Unterwerfung unter Administratoren und Personalabteilungsfotzen mit Fibromyalgie – all das tötet den jungen Wissenschaftler, raubt ihm Willen und Ziel. Besonders Silicon Valley – angebliches Zentrum von »Innovation« – war immer schon kastriert: Schwanzbild-Apps, seelenlose Algorithmen, keine eigentliche Entdeckung. Die Wissenschaft ist gestorben. Ob sie je wiedergeboren wird? Vielleicht – aber nur, wenn zuerst die Barbarei alles hinwegfegt. Keine Wiederbelebung ist in einer Welt möglich, die in Hefe getränkt wurde.
Aber darum geht es gar nicht. Es geht nicht um Wissenschaft oder Kunst – ihr versteht ohnehin nicht mehr, wozu diese Dinge je gut waren. Die Griechen wußten es. Für sie flossen alle höheren Bestrebungen in die enge Freundschaft zwischen zwei Männern, die sich gemeinsam einer Sache von Rang widmeten. In Theben waren es Epaminondas und Pelopidas, die den Staat reformierten, eine Demokratie begründeten, eine Eliteeinheit schufen – die »Heilige Schar«, bestehend aus Freundespaaren. Sie brach die Macht Spartas. Niemand weicht im Kampf zurück, wenn sein Freund neben ihm steht.
In Athen waren es Harmodios und Aristogeiton, die mit Mut und Planung die Tyrannei stürzten Darum sind, wie du weißt, alle Tyrannen und Totalitären mißtrauisch gegenüber starken Freundschaften zwischen Männern. Besonders die mittelalten Lesben und beschädigten Kreaturen, die man als Aufseherinnen in unseren Gefängnisstaaten einsetzt. Ja, ich kenne die Gerüchte: daß solche Freundschaften sexuell gewesen seien. Aber ich glaube, das ist ein modernes Mißverständnis – eine Überdehnung durch die Homonerds unserer Zeit. Auf die Gründe werde ich später eingehen. Das Vorbild für all dies war die Freundschaft zwischen Achilles und Patroklos: Nie deutet Homer an, daß sie sexuell war. Nur aus der Armut unserer heutigen Vorstellungskraft schließen wir das. Denn wir können uns nicht mehr vorstellen, daß es intensive Liebe zwischen Männern, ohne materiellen oder körperlichen Vorteil gibt.
Doch aus dieser Freundschaft heraus beginnt Achilles’ Amoklauf. Für seinen Freund konnte er nicht im Heim sterben, friedlich, alt – sondern nur jung, schön, glorreich und im Kampf. Ein Freund kann dich zu Größe treiben. Wie beschämend ist es, das Leben wie ein Hund zu verlängern, in einem Krankenhaus zu sterben, überwacht von Fremden, die dich verachten – anstatt jung zu sterben, für deinen Freund … und einen leuchtenden Leichnam zu hinterlassen.
Die Urform dieses Ideals war das göttliche Paar: Castor und Pollux, bei den Arierstämmen die Ashvin-Zwillinge, bei den Sachsen Horsa und Hengest – Wagenlenker und Bogenschütze. Dies ist der Ursprung aller höheren Aspirationen Europas. Die Streitwagenkrieger, die um 1500 v. Chr. Europa unterwarfen, waren auf die Bindung zweier Männer gebaut – sie organisierten sich in Paaren. Der spartanische Staat basierte in seiner Erziehung auf genau diesem Ideal: Freundespaar, Ritter und Knappe. Diese erobernde Aristokratie war es, die Europa aus dem Sumpf hob, in dem der Rest der Welt stets steckenblieb.
Für die Griechen – und alle Männer der Bronzezeit – war Freundschaft nicht bloß ein innerer Wert, sondern eine Voraussetzung für jedes Abenteuer, jede Macht, jedes große Ziel. Und sie war keine Plicht. Freundschaft liegt jenseits aller »Ethik« – und sobald du beginnst, sie in ethischen Begriffen zu denken, hast du sie schon mißverstanden. Sie ist ein großes Vergnügen zwischen zweien – ganz anders als das sexuelle Vergnügen zwischen Mann und Frau, aber von derselben Gattung. Einzig »Kühe« denken dabei an Ethik.
Montaigne hat versucht, in seinem Essay etwas davon zu bewahren. Auch Nietzsche spricht in Zarathustra davon. In der Moderne waren es die Wandervogel-Bewegungen, die Pfadfinder, die diesen Geist wiederaufleben ließen: Naturerfahrung, Kameradschaft, Nationalismus. Selbst die frühen jüdischen Gardebewegungen in Europa waren ein Wunder – denn sie widersprachen ihrer eigenen Kultur von Angst, Nerdtum, Frauenherrschaft und Enge. Es war ein großer Akt der Selbstüberwindung für sie – und viele haben recht, wenn sie sagen, daß die Gründung Israels in gewissem Sinne der »antisemitischste« Akt ist, der je ersonnen wurde. In jedem Fall aber ist sie ein starkes Vorbild: Sie zeigt, daß die Wiedererrichtung der Antike durchaus möglich ist. Es gibt freilich keinen wirklichen Grund, warum Amerikaner oder Europäer das Wohlergehen dieses Landes verfolgen sollten. Auch bei ihnen jedoch ist jener Geist der Piraterie längst verflogen, und sie sind so weich geworden, daß man heute auf den Straßen von Tel Aviv jemenitische »jüdische« Baumwollpflücker mit Rasta-Zöpfen sieht, wie sie aschkenasische Mädchen begrapschen – begleitet von einem allgemeinen Gefühl dumpfer Erschlaffung. Der Zustand anderer moderne Nation ist noch schlimmer. In unserer Zeit ist Freundschaft zwischen Burschen illegal. Echte Bruderschaften sind de facto verboten. Pfadfinder müssen Frauen aufnehmen – und Frauen zerstören jede wahre Freundschaft. Männer werden getäuscht zu glauben, ihre Frau könne ihre beste Freundin sein – und verlieren so ihren letzten Rest an Respekt. Andere fürchten, jeder potenzielle Freund könne sexuelle Absichten haben. Und in diesem Zustand spielen Schwule eine domestizierte, kastrierte Karikatur von Freundschaft nach – das genaue Gegenteil. Wo können wir noch wahre Freundschaft wiederfinden?
Doch gerade hier: Wenn du nur auf deinen Instinkt hörst und dem natürlichen Verlangen folgst, kann dich niemand aufhalten. Der Staat kann nichts dagegen tun. Alles, was dich hindert, ist Konditionierung – psychologische Dressur, die sich durchschneiden läßt. Alles, was du tun mußt, ist dem Wunsch nach Größe nachzugeben.
Die Grundlage der Bronzezeit, des großen Zeitalters, ist Freundschaft – eine Sache von Blut und Geist. Für jene unter euch, die dazu gemacht sind, ist sie so leicht zurückzugewinnen wie die Sorglosigkeit selbst – wenn man sie nur mit ganzer Seele umarmt. Und ein großer Freund, der mit dir an einer höheren Aufgabe arbeitet, ist unersetzlich – weil ihr einander anfeuert, schützt, stärkt, bis der Weg frei ist.
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Superman-Mentalität – In jedem edlen Griechen loderte eine unstillbare Lust nach Macht – und das heißt: Macht über Leben und Tod im eigenen Staat. Es ist schwer, dies heute noch zu verstehen. Ihr denkt bei »Macht« an Nordkoreas Diktator, an die öffentlichen Latrinen der Welt, an die gesichtslosen Apparatschiks des letzten Jahrhunderts. Aber das ist ein Irrtum. Diese Männer waren keine freien Herren – Sie waren Geiseln ihrer eigenen Sicherheitsapparate. Jemand wie Stalin war gefangen in einem endlosen Strom von Ereignissen, in dem er nur durch Mord agieren konnten – und nur durch Mord. Ein Schritt daneben – und er wären selbst gefallen.
Ideologie ist ermüdend. Diese Systeme verlangen totale Mobilisierung, totale Kontrolle – weit mehr, als ein einzelner Mann je leisten kann. Ein Monarch kann delegieren. Ein Stalin oder Mao nicht. Das Gehirn solcher Systeme ist überlastet, parasitär eingespannt in die Tyrannei seiner eigenen Organe – ein übergroßer Leib, in dem das Denken kaum noch Herr seiner selbst ist. Das ist der »moderne Diktator«.
Und auch die Männer, die sich heute danach sehnen, sind andere: ideologische Zuchtmeister, aggressive Schulmeisternaturen, wie man sie aus dem »gemeinnützigen« Sektor kennt. Der »öffentliche Dienst« zieht sie an. Ich spreche hier jedoch von einem ganz anderen Typus. Kein Diener. Kein Verwalter. Sondern ein Parasit auf dem Staat, auf seiner Substanz, auf den Fraktionen, die sich gegenseitig ausspielen lassen – einzig, um eigene Triebe und dunkle Projekte zu verfolgen.
In der modernen Welt wird dieser Zustand nicht von Diktatoren erreicht, sondern von anderen, über die ich noch sprechen werde. Die großen totalitären Staaten waren unseren heutigen nicht unähnlich – nur ärmer und offener in ihrer Bösartigkeit. Wir leben längst im selben System, nur mit anderer Maske. Wer frei ist? Sicher keiner, den du kennst.
Kein Grieche, von dem ich spreche, hätte es ertragen, ein Laufbursche des nationalen Sicherheitsapparats, mit all seinen tausend Anforderungen zu sein. Für ihn war Macht nicht ein Amt – sondern eine Warte. Von dort blickte er wie ein Adler über Stadt, Land und Raum, um im nächsten Moment herabzustürzen – mit rasendem Flug, mit tödlichem Griff. Diese Männer waren Künstler. Ihr Werk war das Leben.
Nimm Periander von Korinth. Sein Name bedeutet wörtlich: »Supermann«. Er zügelte sich nie. Er schlief mit seiner Mutter, schändete den Leichnam seiner Frau, ließ die Knaben der Insel Korkyra kastrieren – und wurde dennoch als einer der sieben Weisen verewigt. Er war Dichter und Philosoph, schrieb ein Epos über die Geheimnisse der Natur, die ihm allein in den Nachmittagsstunden offenbart wurden, wenn die Winde über die blaugrünen Küsten flüsterten. Er förderte die Kunst – doch nur aus Überfluß. Ich war an seinem Hof, spielte Harfe, und er warf mir eine gut gebrauchte Kurtisane, mit einer Geste vollkommener Verachtung, in den Schoß.
Er machte Korinth reich, baute die erste »Eisenbahn« der Geschichte, eine Rollstraße über den Isthmus, gründete Kolonien, stiftete Tempel, züchtigte den Adel und stärkte das Bürgertum – aber du darfst das nicht mißverstehen. Er tat all das nicht aus Pflicht oder Ideal, sondern aus einem Überschuß, einem Instinkt zur Ausdehnung, zur Selbststeigerung. Er war zur Macht geboren. Er hätte einen sicheren, mittleren Weg gehen können. Alles stand ihm offen. Aber er wählte den Abgrund.
In allem, was er tat, lag eine Art künstlerischer Schmerz, ein groteskes Leiden, das er sich selbst auferlegte – um das Leben interessant zu halten, oder weil er wissen wollte, ob er auch diesen Frevel überwinden konnte. Er tötete seine schwangere Frau. Warum? Weil ihm im Traum erschienen war, daß während der Zeugung eine kleine Schlange an seinem Glied hing – ein Omen, ein Monster. Er träumte, der Stammvater eines Schlangengezüchts zu werden. Er sah seine Herrschaft nicht als Pflicht – sondern als Möglichkeit, sich in ein Kunstwerk zu verwandeln.
Er wurde ein Mythos. Andere taten Ähnliches. Ein Tyrann verheiratete die Frauen seines Volkes mit Sklaven – um seinen Ruf durch Umwertung aller Werte zu festigen, gelernt von Platon. Du verstehst nicht, was Platons »Republik« wirklich ist: eine Anleitung für Männer wie ihn, um ihre Manie auf jede Sphäre des Lebens auszuweiten. Platon selbst schreibt, der geheime Wunsch jedes Griechen sei es gewesen, Tyrann zu werden. Nietzsche hat recht: die Erkundung der Meere, die Begründung von Kunst, Wissenschaft, Philosophie – all das ist bloß die Ausdehnung dieses uralten Willens zur Selbstvergottung.
Dieser Wille ist die Triebfeder aller Größe. Wenn du ihn in dir trägst, darfst du ihn nie zügeln. Denn nur solcher Wahnsinn kann den schmutzigen Affen im Menschen überwinden. Dafür brauchst du Distanz zu dir selbst – einen kalten Blick. Der Mann der Bronzezeit hatte diesen Blick: Was ihn bewegte, sah er als äußere Gottheit. Das war sein Vorteil – so konnte er urteilen, messen, wachsen.
Wenn du also auf Männer wie Periander siehst, darfst du sie nicht an »öffentlichem Nutzen« messen, nicht an Herrschsucht oder Sadismus. Sie wollten sich selbst überwinden – durch Taten, durch Verbrechen und durch Kunst. Sie strebten nach göttlicher Selbstveredelung. Und der Staat, ihre Polis, war ihr Theater und Labor. Der griechische Staat war ein Kunstwerk. Periander war nur einer seiner Bildhauer.
Und ja – der geheime Wunsch jedes Griechen war es, wie ein Gott verehrt zu werden. Das war das eigentliche Ziel der Macht. Auch Lysander, der große Spartaner, strebte danach. Er formte aus Sparta eine Seemacht, schlug Athen, beendete den Peloponnesischen Krieg. Dann reiste er von Stadt zu Stadt, ließ sich feiern, ließ sich göttlich verehren. Das war sein Sieg.
Vor ihm war Brasidas – ein anderer spartanischer General, eine Generation älter und von ganz anderem Wesen. Er gewann Städte durch Charisma. Sein Körper, seine Erscheinung – sie wirkten wie Magie. Er verachtete Worte, und darum konnte er reden wie ein Gott. Wenn er mit dem Rücken zur Wand stand, tobte in ihm ein Geist wie ein wütender Eber in der Enge. In solchen Momenten befreite er Städte aus Belagerungen. Und als er in Amphipolis fiel – mitten im Sieg – errichtete man ihm ein Heiligtum. Man betete zu ihm wie zu einem Gott.
Es ist kein Zufall, daß solche Männer aus Sparta kamen. Wer sich die höchsten Anforderungen stellt, bringt die größten Menschen hervor. Und diese Menschen, einmal abtrünnig, wirken auf andere wie ein Magnet. Wahre Macht ist mühelos – sie zieht an. Die Kraft von Körper und Charakter schafft ein Feld, das einer Umlaufbahn gleicht.
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In der Ilias siehst du, wie die größten Krieger aufstehen, um selbst gegen die Götter zu kämpfen. Als Diomedes seinen großen Amoklauf beginnt, erscheint ihm Athena, die Weißäugige, und flüstert ihm ins Ohr. Sie erinnert ihn an die Taten seines Vaters, haucht ihm Kraft in die Brust, ruft ihn auf, ohne Furcht in die Reihen der Feinde zu stürmen – und in diesem Moment zieht sie ihm den Schleier von den Augen, der den Blick auf die Götter bislang verhüllte. Sie sagt ihm, daß er Aphrodite verwunden dürfe, wenn sie erscheint – und Diomedes tut es, ohne Zögern. Selbst die Göttin der Liebe wird von der entfesselten Wut eines Kriegers zu Boden gerissen. Auch Achilles zwingt in seinem Zorn den Flußgott zur Unterwerfung. In diesen Szenen offenbart sich eine große Wahrheit: In der Erhebung des Geistes, in der Raserei des Kampfes, wird dem wahren Mann eine Gabe zuteil – erhöhte Wahrnehmung, die Fähigkeit, zu sehen, was anderen verborgen bleibt. So wie das Genie dieselbe Welt sieht wie wir, aber darin Dinge erkennt, die unserem Blick entgehen, so wie wir Dinge wahrnehmen, die ein Hund oder eine Ameise nicht erfassen können, so offenbart sich dem Krieger im Zustand der Erhebung eine Wirklichkeit jenseits des Gewöhnlichen. Die Zeit selbst verwandelt sich. Der Krieger steht außerhalb des Stroms, in dem die anderen wie Gefangene treiben. Er erscheint vergrößert, gesalbt, und zieht andere in seinen Bann. Diejenigen, die nicht Eingeweihte sind, kreisen geistig und physisch um ihn – wie in der Bibel, wenn es heißt: »Das Haus Davids soll wie Gott sein, wie der Engel des Herrn vor ihnen«, mitten in der Schlacht um Jerusalem. In der Ilias entfacht Athena ein Feuer auf Hals, Schultern und Haupt der Auserwählten – eine Glut, die von weitem sichtbar ist. Bei Diomedes, bei Achilles – als sie in ihren Rasereien alles niederringen, das sich bewegt, brennt hinter ihnen ein großes Feuer, ein Leuchten von innen.
Dies ist die Macht des Charismas, der Kraft, der unwiderstehlichen Anziehung, wie sie auch Zugvögel spüren, wenn sie ihrem Ziel entgegenstreben, wie ein Wolfsrudel auf Jagd, wie ein Bienenstock im Schwärmen – immer beginnen die Vielen, instinktiv um den gesalbten Hegemon zu kreisen. Dies ist biologischer Zwang, nicht Metapher. Und es ist gut. Aber du mußt begreifen, worauf das hinausläuft: Das Ende von Achilles’ Mission war die vollständige Zerstörung Trojas – das Feuer, das die Ziegel ihrer Gassen schmolz, das Blut der Männer, die Versklavung der Frauen und Kinder. Dies galt durch die gesamte Geschichte der griechischen Welt als das legitime Recht des Eroberers. Auch dieses kultivierteste und geistvollste Volk der Antike hielt es für unabdingbar, dem wölfischen, räuberischen Trieb im Menschen ein Ventil zu geben. Nur der Krieg konnte ihre Natur verjüngen.
Wenn Alexander den toten Körper des Königs von Tyros an seinen Wagen bindet und ihn um die Stadt schleift, dann ahmt er Achilles nach – so, wie dieser Hektors Leichnam schleifte. Nietzsche nennt das einen »Überschuß«, eine dunkle Übertreibung – aber er weiß, was es bedeutet. Die Vernichtung einer Stadt war zugleich die Vernichtung ihrer Götter. Denn jede Stadt hatte ihre Schutzgeister. Die Römer, vor einer Eroberung, versprachen diesen Göttern, sie im eigenen Kult zehnfach mehr zu verehren als ihre bisherigen Diener. Die Auslöschung einer Stadt war daher ein göttlicher Krieg – und nur möglich für jene, die selbst vom Göttlichen erfüllt waren. Männer, die auf die Stimme der Götter hörten, die sich willentlich von göttlicher Raserei ergreifen ließen – sie waren zur Zerstörung im Namen der Reinigung fähig, und in ihrer Raserei zogen sie andere in ihre Bahn.
Diese völlige Hingabe an Instinkt und Natur – das ist der Weg der Bronzezeit! Und du kannst lernen, diese erhabene Psychose auch in dir zu kultivieren.
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Ich sehe keinen Grund, weshalb es, wenn es Epidemien aller denkbaren Krankheiten gibt, nicht auch Ausbrüche dessen geben sollte, was wir »Geisteskrankheit« nennen. Und du siehst die Wiederkehr solcher Wellen durch die ganze Geschichte – und selbst heute. Bei primitiven Völkern im Sudan etwa: Wenn sie plötzlich von der Angst befallen werden, wandernde Juden verbreiteten penismodifizierende Bananen, oder daß ein Händedruck deine Genitalien schrumpfen läßt. Lächerlich – ja. Aber in all diesen Erscheinungen von Aberglauben, von kollektiver Besessenheit, liegt eine göttliche Bedeutung und ungeheures Potenzial.
Europa kannte einst den Tanzwahn des heiligen Veit – eine Manie, die sich wie Feuer durch Städte fraß. Im antiken Griechenland tobten die Kulte des Dionysos: Die Raserei der Mänaden, die die Frauen in hungrige, kannibalische Schlampen verwandelte. Ich sage das mit Freude! Mit Hochachtung! In solcher Raserei lebt das schöpferische Genie der Spezies – ungestört, ungefiltert, frei von Zucht und Moral. Jeder, der aus solchem Exzeß geboren wird, ist vermutlich gesegnet, weil er das reine Produkt einer Auswahl ist, die nicht vom Menschen gelenkt wird – sondern von der Natur selbst, oder etwas Höherem.
Dies ist keine Empfehlung für irgendeine Entsprechung in unserer Zeit. Ihr habt nichts davon. Was ihr heute seht, ist bloß LARP – armselige Nachahmung, seelenloses Theater. Die Götter haben euch verlassen. Und sie kehren nicht zurück, es sei denn, sie wittern Rauch und Blut, das Feuer einer globalen Orgie, die alles Bestehende verzehrt. Nur das wird ihren Hunger nach Rückkehr wecken.
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Du machst dich über die »dekadenten« römischen Kaiser lustig? In den Horrorgeschichten des Sueton siehst du das klassische Bild einer Monarchie, die aus dem Ruder läuft – Kaiser, die ihre Stellung nur dazu nutzen, kriminellen und arkanen Lüsten nachzugeben. Ich schreibe nicht, um sie zu verteidigen, aber die übliche Verurteilung ist nicht moralisch – wie auch? Wenn ich die Exzesse eines Caligula oder Nero oder Tiberius lese, ist meine erste Reaktion ein Gefühl des Verlusts, vielleicht auch Neid: darauf, was sie konnten und ich nicht.
Caligula hatte die geniale Idee, eine Kette von Schiffen auf dem Meer zu verankern, Plattformen darüber zu legen, sie mit Erde zu bedecken, um so auf dem Wasser zwischen zwei Punkten zu »gehen« – eine Prophezeiung zu erfüllen. Er versammelte eine Armee gegenüber Britannien, nicht um einzumarschieren, sondern um Muscheln zu sammeln. Diese nannte er dann »Beute«, warf den Soldaten ein paar Münzen zu und rief: »Geht glücklich! Geht reich!« Er fing zwei Gallier, schminkte sie eisnegerartig zu »Teutonen«, und inszenierte eine fingierte »Jagd«, die alle belächelten – aber er war gefangen in der Erzählung seiner eigenen Gottgleichheit. In Rom ließ er das Kolosseum in der Mittagshitze schließen und zog die Markisen zurück, damit die Zuschauer litten und Schwangere nicht entkommen konnten. Er ersetzte Gladiatorenspiele durch Kämpfe zwischen Krüppeln und deformierten Tieren, schloß die Getreidespeicher grundlos – er war der größte Troll der Antike. Als die Juden von Alexandria kamen, um über Bürgerkrieg zu klagen, fragte er sie stattdessen, warum sie kein Schweinefleisch essen.
Bei Elagabal sah man diese Tendenz zur letzten Konsequenz geführt: Ein Transen-Kaiser, der seine Ärzte bat, ihn umzuwandeln, ein Anhänger der Kybele, der sich – wie ihre Priester – kastrieren wollte. Stattdessen wurde er Palastprostituierte und prahlte öffentlich mit seinen Einnahmen. Commodus, der Gladiator-Kaiser, fand Stolz im Schwertkampf – was heute kaum mehr seltsam erscheint. Und Nero: Er heiratete zweimal – einmal als Bräutigam, einmal als Braut – und zwang den Senat, sich anzuhören, wie er die Geräusche einer entjungferten Frau hinter verschlossener Tür imitierte. Am faszinierendsten aber fand ich sein Schauspiel als Löwe: Mit Maske auf dem Gesicht stürzte er sich, im Tierrausch, auf nackte Männer und Frauen, die er zuvor gefesselt hatte, und biß sich durch ihre Körper.
Ich »feiere« nichts davon. Aber wenn man heutigen Eliten ähnliches Verhalten nachsagt – dann ist das weniger Enthüllung als Selbsttäuschung. Wir schmeicheln uns, weil wir sie dämonisieren wollen. Wir stellen uns lieber dämonische Eliten vor als das, was sie meist sind: verkommene Defektive, die in anderen Zeiten eine Räucherfischbude geführt hätten oder eine Wodka-Spelunke bei Minsk. Nein, unsere Dekadenz ist nicht schlimmer – sondern viel langweiliger. Die alten Kaiser, selbst als Transen, wirken männlicher und mutiger als unsere Perversen. Die »Skandale« heutiger Eliten sind auf Pee-Wee-Niveau: Selbstentblößung in Pornokinos, Masturbation vor leblosen Fratzen, ihre »Massenvernichtungswaffen« einer dominikanischen Magd entblößt. All das sagt wenig über wahre Dekadenz – aber viel über unsere.
Vielleicht muß man Geschichte ganz anders betrachten. Derzeit denken wir sie immer vom Volk her: Fortschritt oder Rückschritt im Wohlergehen der Massen, in Wissenschaft, Hygiene, Technologie, Moral, Gleichheit. Aber was wäre Geschichte, wenn man sie aus der Perspektive eines Kenners für überlegene Exemplare sähe? Wenn man nicht nach Idealen, sondern nach Qualität urteilte – wie ein Züchter Stiere oder Hengste beurteilt? Dann müßten wir die Kaiser nicht für ihre Laster verwerfen, sondern weil sie trotz ihrer Möglichkeiten defekt waren – und andere, große, für dieselbe Wildheit bewundern.
Dann würde man lernen, Geschichte biologisch zu sehen, als Bestiarium, als Kampfplatz starker Linien, und lernen, was in unserer Zeit nötig ist: den Weg zu räumen, für die Rückkehr der längst verlorenen Tropen, für den Dschungel, wo einst die Götter wohnten – die zurückkehren können … und zurückkehren werden.
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Ich habe die Kouroi-Statuen immer geliebt. Einmal konnte ich, nachdem ich eine von ihnen drei Stunden lang allein betrachtete – man hatte mich im Museum eingeschlossen – ohne jede Berührung ejakulieren. Und doch hatte ich dabei keine schmutzigen, keine unangemessenen Gedanken. Diese Erfahrung ließ mich grübeln: Wenn es möglich ist, nur durch Anblick und Willen zum Samenerguß zu kommen – ist es dann nicht auch denkbar, daß ein Mensch sich durch Willenskraft allein in den Tod versetzen kann?
Die Kouroi haben eine lange Geschichte. Ursprünglich nach ägyptischem Vorbild geschaffen, wurden sie in den Händen der griechischen Handwerker realistischer, muskulöser, straffer, lebendiger. Ihre Haltung bleibt stilisiert – aber dieses rätselhafte archaische Lächeln, das sie tragen, scheint übermenschlich, fast unmenschlich. Es ist, als könnten sie dir einen Felsblock auf den Schädel zerschmettern oder eine bronzene Klinge durch dein Brustbein treiben – und dabei lächelnd, stumm, unbewegt, mit autistischer Reinheit in deine Augen blicken.
Zwei solcher Männer waren Kleobis und Biton – Brüder. Ihre Mutter, zu schwach, um an einem heiligen Fest teilzunehmen, wurde von ihnen in einer Sänfte getragen – die Stufen zum Tempel hinauf, mit übermenschlicher Kraft, in großer Eile, damit sie rechtzeitig zur Prozession eintraf. Sie schafften es. Und fielen tot um. Herodot berichtet, daß Solon diese Geschichte König Krösus erzählte, als dieser ihn fragte, wer wohl als der glücklichste Mensch gelten könne. Krösus – einer der ersten Selfmade-Könige der Geschichte – hatte seine Macht mit Gewalt errungen, seine Söldner mit der ersten geprägten Münze bezahlt. Ein Mann des Erfolgs, der Macht. Doch Solon antwortete ihm mit der Geschichte dieser Brüder.
Die vollständige Fassung geht so: Nachdem sie die Tat vollbracht hatten, baten Kleobis und Biton die Göttin Hera – die ihnen gewogen war – um das höchste Geschenk. Und Hera gewährte es: Sie ließ die beiden Brüder im Tempel in tiefen Schlaf sinken – einen Schlaf, aus dem sie nie wieder erwachten. Das war der Lohn. Und das war das griechische Ideal: ein schöner Tod, zur rechten Zeit. Das war Glück.
Diese Geschichte verwirrte Krösus – und vermutlich auch dich. Denn sie enthält keine Moral im üblichen Sinn. Man hätte die Pflicht gegenüber Eltern, Stadt oder Göttern auch anders vermitteln können. Doch hier geht es nicht um Moral, sondern um Biologie: Das Höchste ist, wenn Höhepunkt und Ende zusammenfallen. Ein schöner Tod, nach einer großen Tat, auf dem Gipfel deiner Kraft – das ist der verborgene Sinn, das ist die ästhetische Krönung eines Lebens. Es ist groß, für Ehre, Stadt und Götter zu sterben. Aber es ist größer noch, in der Blüte der Jugend zu sterben – einen schönen, makellosen Körper zurückzulassen. Die höchste Vollendung liegt darin. Wer das verstehen will, sollte Mishima lesen: ein wahrer Kenner.
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Der glamouröseste christliche Prinz war für mich immer der junge Konradin, König der Römer und von Jerusalem. Er wurde in Italien durch den Usurpator Karl von Anjou und mit Hilfe eines korrupten Papstes zu Unrecht hingerichtet. Konradin stammte aus der glanzvollsten Dynastie Europas: Sein Großvater war Friedrich II. Hohenstaufen, genannt Stupor Mundi und von Nietzsche gefeiert. Seine Schönheit soll ebenso strahlend gewesen sein wie die seines Halbbruders Manfred, der große Teile Italiens durch die Kraft seiner Waffen und seines Charismas hielt, während Konradin noch ein Kind war. Mit dreizehn oder vierzehn Jahren brach er auf – mit wenigen, aber mächtigen Rittern – um seinen Thron zurückzuerobern. Er siegte gegen den Usurpator und zog in Rom ein. An der Spitze seiner Kolonne, in voller Rüstung, unter kaiserlichen Bannern hoch zu Roß – ein Tag von solcher Glorie, wie er seit dem Reich nicht mehr gesehen worden war. Das Volk säumte die Straßen, überschüttete ihn mit Blumen, jubelte seinem geliebten Befreier zu. Diese Welle der Liebe alarmierte den Papst und die sklerotischen Prälaten nicht weniger als einst seinen Großvater – vielleicht sogar noch mehr.
Konradin war noch ein Junge, aber er ignorierte jeden Rat zur Vorsicht, lehnte Bitten zum Aufschub ab, hörte nicht auf seine Berater. Er zog ein wie ein Welteroberer. Dann kam das Unglück. Trotz anfänglichen Erfolgs verlor seine Armee eine Schlacht im Süden – hauptsächlich wegen der Unzulänglichkeit seiner Hilfstruppen. Er wurde verraten, gefangen und von Karl von Anjou mit juristischem Vorwand vor Gericht gestellt und enthauptet – zusammen mit seinem engsten Freund. Du magst denken, es wäre besser gewesen, in der Schlacht zu sterben, und ja – das wäre es wohl. Aber vieles kann man seiner Jugend zugutehalten. Vor allem: Er bettelte nie. Er ging aufrecht in den Tod. Die Hinrichtung war so grotesk ungerecht, daß sie den Usurpator dauerhaft diskreditierte – und ebenso das päpstliche »Legalistentum«, das dir heute so vertraut sein dürfte. Sie diskreditierte auch die päpstlichen Machtambitionen selbst, die jenen Karl stützten, den die meisten Italiener und Deutschen für einen arroganten, blutleeren Emporkömmling hielten. Er war erfüllt vom Haß seiner Kindheit – von der Zurücksetzung durch Mutter und Familie –, getrieben von kaltem Ehrgeiz. Konradin hingegen trug in seinem Blut das natürliche Charisma seiner Linie, seine Schönheit, seinen unbekümmerten Mut. Aus purem Vertrauen in seine eigene Ausstrahlung ritt er zum Sitz des Weltherrschers. Und das Volk, gleichviel, was verkündet und verhängt wird, läßt sich nicht täuschen: Es erkennt den wahren Mann der Macht – und es erkennt den deformierten Usurpator.
Ganz Deutschland und ein Großteil Italiens trauerte um Konradin. Und noch heute wollen die Roboter, die unsere Welt regieren, geliebt oder gefürchtet werden – doch sie zittern, weil sie wissen, daß sie nicht respektiert werden. Auch sie sehnen sich, in tiefem Verdrängen, nach der Wiederkehr eines Konradin. Für die Völker Europas war es die Geschichte der Schönheit, der Jugend und der reinen Absicht – ausgelöscht von den Alten und Häßlichen. Und so war es nicht der Usurpator, sondern die Erinnerung an den jungen Prinzen, die siegreich blieb. Bald darauf verschworen sich die Sizilianer mit dem Haus Aragon, das mit Konradin verwandt war, und zerschlugen Karls Macht in einer Revolte. Es war das Ende der päpstlichen Idee einer »universalen Monarchie« – Und es war der Anfang des nationalen Erwachens Europas.
Konradin wurde zu einem Versprechen: der Schönheit, der Jugend, der gerechten Erneuerung. Die Völker Europas bewahrten seine Erinnerung in Poesie und Epos – und gewannen durch sie neue Kraft. Auch wenn er starb, bevor er sein Ziel erreichte, so starb er doch als Märtyrer Europas gegen Asien – und sein Opfer wurde zum Keim des neuen Staates, der im Zeitalter der Entdeckungen und der Eroberung die Welt umgestalten sollte. Das Christentum ist ein wandelbarer Glaube, fähig zu vielen Formen. Ich glaube, Konradin war der christlichste aller Prinzen. Aber er hätte ebenso gut der erneuerte Avatar Apollons sein können – ein Rückruf sehr alter Erinnerungen. Es war der Geist des Feuers und der Jugend, der in ihm lebte, der die Völker verjüngte – durch seine magnetische Kraft und durch das Opfer seines Blutes. Und in Zeiten der Trägheit – auch unserer – können wir immer zu diesem Geist der Griechen zurückkehren, als belebendes Tonikum.
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Kreuzfahrer wie Cortés und Pizarro, Fernando de Soto, Drake und Raleigh, Magellan und Balboa stehen in Kühnheit, Intelligenz, Geistgröße, Einfallsreichtum und Tatkraft den großen Männern Griechenlands und Roms in nichts nach. Das wahre Epos des heroischen Zeitalters der Entdeckung ist noch nicht geschrieben, und vielleicht wird einer von euch es vollenden, sei es als großes Buch oder als Film – ein Werk von visionärer Kraft. Ich sage euch: Für jene unter euch, die etwas bewirken wollen und über künstlerisches oder visuelles Talent verfügen, ist der Film der goldene Schlüssel zu den Köpfen der Vielen. Was Mel Gibson vermag, wiegt tausend Bücher oder »Aktivismen« auf. Lernt Filme zu machen – wenn ihr könnt, beginnt mit Videos – in ihnen liegt Macht.
Ein einziges großes Gedicht gibt uns das, was wir suchen: das Epos der »Lusiaden« von Camões – ein Mann, geboren für Piraterie und hohes Abenteuer. Er verlor ein Auge im Krieg gegen die Mauren in Ceuta, lebte als Brigant und Vagabund im imperialen Lissabon, trank, focht, schrieb Verse. Seine Mutter rettete ihn aus dem Kerker, und er wurde dem kolonialen Dienst übergeben. In Goa nahm er an diplomatischen und militärischen Unternehmungen teil, stets von niederem Stand, doch von hohem Geist. Als er mit seiner chinesischen Geliebten vor dem Mekong Schiffbruch erlitt, hielt er das Manuskript seines Gedichts über dem Wasser, um es zu retten. Niemand liest ihn mehr – aber sein Leben verdient einen großen Film.
Camões hatte recht: Die Fahrten dieser neuen Kreuzfahrer stehen jedem Mythos, jeder Sage der Alten an Größe nicht nach. In ihnen wurde Jasons Argo neu geboren – nicht ein Mal, sondern viele Male, in jedem westlichen Volk. Englands Ruhm in jenen Jahren wird vielleicht nie wieder übertroffen. Selbst die portugiesischen Könige, die das Zeitalter der Entdeckung eröffneten, trugen englisches Blut. Die gotische Rastlosigkeit der Steppe bebte in den Herren Iberiens mit titanischer Kraft. Lange vor Vasco da Gamas großer Reise nach Osten zogen einzelne Späher ins Herz Arabiens, bis hinunter zum Roten Meer – allein, furchtlos, inkognito – um die nötigen Informationen zu sammeln. Binnen hundert Jahren ging man von einfachen, kaum navigierbaren Flößen zu Seereisen und Welteroberung über. Dies ist ein Wunder, das ihr erst begreifen werdet, wenn ihr das Meer achtet. Der Atlantik, mit seinen zehn Fuß hohen Wellen, lässt eine moderne Fähre erbeben – und jene Männer segelten auf Holzkähnen des 15. Jahrhunderts.
Columbus wird gefeiert, ja – doch es gab andere, die noch größer waren als er, oder ihm zumindest ebenbürtig, und kaum jemand kennt ihre Namen. Sie erhalten nicht den Ruhm, der ihnen gebührt, weil viele jener Schriftsteller, die ihn hätten verbreiten können, voller Vorurteile gegenüber ihrem starken Glauben und ihrer Frömmigkeit waren. Verstehst du: Die meisten modernen Verehrer der Antike hatten stets eine Rechnung offen mit dem Christentum, mit der Kirche – deshalb wollten sie diese Männer nicht ehren, wollten nicht zugeben, daß gerade die Streiter des Glaubens die leuchtendsten Verkörperungen des klassischen Menschen in unserer Zeit waren. Selbst Nietzsche meidet sie, und in einem Moment der Schwäche redet er Unsinn über die angebliche »Überlegenheit« der Azteken. Doch auch die Kirche selbst schämt sich dieser Männer. Dabei waren sie es, die ihre Macht und ihre Botschaft in die Welt trugen – mehr als jeder andere –, und zuvor schon hatten sie Europa selbst vor den Mauren gerettet. Sie sind die direkten Nachfahren der Kreuzritter, die Spanien und andere Teile Europas befreiten. Aber die Kirche will nicht zugeben, daß Gott Spanien ein Jahrhundert des Glanzes und der Vorherrschaft schenkte, nachdem Ferdinand und Isabella das Land von den Feinden Christi gereinigt hatten – daß darauf der Grundstein eines Weltreiches gelegt wurde. Sie schämt sich ihrer: der Konquistadoren, ihrer Grausamkeit und ihrer heidnischen Vitalität. Also versuchte sie, sie zu verleugnen – und gleichzeitig ihre Kraft zu nutzen. So blieb ihre Geschichte ungeschrieben, obwohl sie zu den Gipfeln männlicher Leistung gehört.
Vasco da Gamas Fahrt war vielleicht größer als die des Kolumbus. Er umsegelte Afrika, erreichte Indien, zwang den Zamorin mit Kanonen zur Unterwerfung – eine Tat, die ihren Investoren tausendfache Gewinne einbrachte. Sieben Jahre später kehrte Almeida mit einer Armada zurück, brannte Mombasa nieder, besiegte in der Schlacht von Diu die vereinte Flotte der Osmanen, Araber und Mameluken – alles zur Rache für seinen gefallenen Sohn. Von da an war der Indische Ozean nicht mehr asiatisch, sondern westlich. Der Raum selbst, den die Menschheit bewohnte, veränderte sich.
Amerika hatte in diesem Plan seinen eigenen Platz. Vom Bau Jamestowns bis zu Commodore Perry in Japan vergingen kaum zweihundert Jahre: Die Amerikaner hatten den Kontinent gezähmt und begannen ihre Vorstöße nach Asien – nur verlangsamt durch Englands Herrschaft. Die Verfassung, die Ideologie, die Rechte, all das war leeres Gerede. Es waren die Freiheit des Raumes und der Wille zur Herrschaft, die sie trieben. Amerikas wahres Schicksal war stets die Eroberung des Fernen Ostens, die Herrschaft über China. Dieses Ziel wurde vergessen, vereitelt – vorerst.
Was weißt du denn von Männern wie Afonso de Albuquerque, der Hormuz und Maskat mit sieben Schiffen eroberte und den Weg zu den Gewürzinseln öffnete? Ich vermeide es, von solchen Männern zu sprechen, weil sie zu fern eurer Reichweite sind, zu vollkommen. Stattdessen nenne ich, um euch zu ermutigen, einen anderen: Pedro de Alvarado, die rechte Hand von Cortés. Feuerhaarig, unerbittlich, unerschütterlich – die Mexica nannten ihn Tonatiuh, die Sonne. Als Cortés ihn in Tenochtitlán zurückließ, massakrierte er beim Festmahl die gesamte aztekische Oberschicht – grundlos. In der Schlacht war er ein Wahnsinniger, der direkt auf die geschmückten Leutnants des Feindes zustürmte, um sie niederzuhauen. Die Wahrheit ist: Das Schießpulver war irrelevant. Es waren die Rüstung, die Klingen, die Disziplin – und der Mut, der die Welt veränderte. Alvarado aber hörte nie auf. Obwohl ihm riesige Gebiete zufielen – Guatemala, Honduras –, kümmerte er sich nicht um ihre Verwaltung. Er plünderte sie aus, verachtete alle Verpflichtung und träumte bereits von neuen Eroberungen. China war sein nächstes Ziel. Er war ein geborener Pirat, eine Nemesis der Zivilisation, ein von Gott gesandter Züchtiger der Menschheit.
Ich will, daß du so wirst: daß du auf deine Instinkte hörst. Als Alvarado ein eigenes Territorium erhielt, hätte er sich mühelos mit dem Leben eines Gouverneurs begnügen können – und die meisten Männer hätten es getan. Verführt vom Ansehen und der Würde des Amtes, hätten sie sich in die Rolle gefügt, ihre Eitelkeit hätte sie glauben lassen, sie könnten »gut regieren«. Vielleicht kannst du gut regieren, vielleicht auch nicht. Doch Alvarado wußte, was er war, und strebte nicht danach, mehr zu sein. Sei eines. Ein einziger Wille, eine klare Form – darin liegt wahre Männlichkeit. Er erkannte sich als geborenen Räuber und hielt sich auch für nichts anderes. Dieses stille, aber unbeirrbare Wissen um sein Wesen verlieh ihm eine Anziehungskraft, der selbst jene Eingeborenen nicht entkamen, die unter seiner Härte litten. Trotz seiner Grausamkeit konnten sie sich seinem Bann nicht entziehen, dem Stolz seines Auftretens, der Kälte seiner Hoheit, dem Glanz seiner unfaßbaren Erscheinung. Sie verehrten ihn wie einen Gott. Auch die anderen Spanier waren beeindruckt. Du mußt begreifen: Die Natur segnet jene, die Vertrauen in ihr eigenes Blut und in ihre innerste Regung haben. Sie schenkt ihnen jenen seltsamen Magnetismus, der keine Lüge kennt. Alvarado ist das Abbild eines kommenden Zeitalters. Und ich spreche dir eine Prophezeiung: Innerhalb der nächsten fünfzig Jahre werden hundert Alvarados aus den Tiefen des tropischen Bestiariums des Geistes hervortreten. Sie werden die Schwäche dieser Welt hinwegfegen.
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Bob Denard zeigt, daß der Geist des bronzezeitlichen Piraten auch in unserem Zeitalter existieren kann – frei, unzensiert, in voller Blüte. Du hast keine Ausrede! Dieser Mann ist vielleicht nicht das, was du erwarten würdest – ganz anders als die prätentiösen Bürokraten, die mit hochtrabender Sprache, moralischem Geplapper, vorsichtiger Selbstinszenierung und schüchterner Plackerei ihre armselige Existenz fristen. Männer, die in der Öffentlichkeit mit großen Prinzipien posieren, werden von den meisten Menschen verachtet: Sie riechen den faulen Gestank aus der Ferne.
Denard begann als regulärer Soldat der Franzosen in Vietnam, wurde jedoch nach dem Niederbrennen einer Bar – im Zuge eines Streits – vor ein Kriegsgericht gestellt. Manche schreiben eine Beschwerde, andere geraten in Kneipenschlägereien – Denard brannte das Gebäude nieder. Danach zog er durch Afrika, fand Gelegenheitsdienste bei lokalen Despoten, allesamt inkompetent und korrupt. Er sagte einmal sinngemäß: »Ehrgeizige Männer sind Verlierer. Handle und fühle wie ein Sieger – dann kommen Sieg, Freunde und Erfolg von selbst.«
Er nahm an zahllosen Abenteuern teil: Putschversuche in Benin, im Kongo, in Biafra – die Franzosen intrigierten gegen das englisch dominierte Nigeria. Seine größte Leistung war, die Regierung der Komoren viermal zu stürzen. Jedes Mal mußten französische Spezialeinheiten ausrücken, um ihn zu vertreiben – wäre es ihnen nicht gelungen, hätte er sich wohl erblich auf dem Thron verfestigt. Viele Frauen, viel Beute – gewonnen durch die Kraft seiner Hand. Doch am Ende lebte er zu lange: Er hätte jung in der Verteidigung seines Territoriums fallen sollen. Stattdessen kamen Alter, Schmerzen und Demenz. Frankreich, dem er einst diente, verfolgte ihn; sein Ruhm war nicht länger nützlich – also wurde er zur Last.
Wenn du unbedingt einen moralischen Maßstab brauchst, kannst du auf seinen Einsatz im Kongo, gegen die Simba-Rebellen verweisen, wo er zusammen mit einer Handvoll weißer Söldner Tausende Geiseln vor Vergewaltigung und Massaker bewahrte. Er verteidigte, was nach der Dekolonisierung von Zivilisation in Afrika übrigblieb. Begleitet wurde er dabei von einem Mann ähnlichen Temperaments: Colonel »Mad Mike« Hoare, ein irisch-englischer Gentleman-Söldner, der brutal, kühl und unbeugsam blieb – auch dann, wenn er tausendfach überlegenen Zombie-Horden gegenüberstand. Er ist ein weiteres gutes Beispiel für die Wiedergeburt des Bronzezeit-Vitalismus – und warum du eine Schwuchtel bist. Für ihn war Kommunismus kein politisches oder historisches Problem, sondern ein Befall, eine biologische Seuche. Nach dem Krieg in Burma arbeitete er als Safariführer, später, wie Denard, im Dienst wechselnder Regime.
Auch er befreite Geiseln in Stanleyville, auch er kommandierte Eliteeinheiten, auch er wurde später in einen gescheiterten Putsch auf den Seychellen verwickelt. Doch Scheitern ist keine Schande, wenn man große Spiele um große Beute spielt. Es ist verfehlt, diese Männer nach »Gerechtigkeit« zu messen. Was ihr für Nietzsches »Jenseits von Gut und Böse« haltet, ist oft nur eine Ausrede für intellektuelle Feigheit. Das Volk braucht Moral – ja. Aber große Männer stehen unter anderem Gesetz. Für sie gilt die Hierarchie des Blutes, des Mutes, des Willens.
Männer wie Denard und Hoare sind Versuche der Natur. In ihnen leuchtet noch einmal die alte Kraft auf – der Wille, sich selbst in Bronze zu verewigen. Nicht weil sie »gewannen« oder »verloren«, sondern weil sie ihren Geist, ihr Leben und ihren Ruf riskierten. Was sie dabei empfanden, der Rausch, der ihre Nerven durchzuckte, als sie ihr Ziel verfolgten – das allein war schon Rechtfertigung.
Noch vor wenigen Jahren wurde Mark Thatcher, Margaret Thatchers Sohn, in Südafrika verurteilt – wegen eines versuchten Putschs in Äquatorialguinea. Verraten, am Flughafen geschnappt. Immer wieder zerstören die westlichen Schnüffler große Unternehmungen, stoppen Abenteurer, unterdrücken Pläne. Der neue Mensch ist ein Petzer, wachsam, feige, flüsternd. Männer des Löwenzeichens werden vernichtet, bevor sie handeln können. Ein neuer Weg ist nötig.
Doch täusche dich nicht: Auch heute noch gibt es Männer von adamantinischem Charakter – wie Capaneus vor Theben, bereit, nackt mit Feuer in der Hand die Stadt niederzubrennen. Mal erscheinen sie als Helden, mal als Schurken – aber du mußt lernen, den Verlangen des Volkes zu verachten. Strebe nach Gefahr. Strebe nach großer Tat, sei sie gut oder böse.
Nimm Neall Ellis: Auf seinem treuen Mi-24-Hind hielt er im Bürgerkrieg in Sierra Leone allein ganze Fronten. Es war kein glanzvoller Dienst – doch er rettete viele. Für einen Moment war er Raubtier, das sich auf den Feind stürzte. Er arbeitete für »Executive Outcomes« – ein Name, der wie ein Beratungsunternehmen klingt, aber eine Söldnertruppe war, die Kriege gewann, bevor sie von der UNO und internationalen Anwälten zerschlagen wurde. Die Angst vor der Rückkehr der Seevölker – der modernen Piraten – sitzt tief.
Wie lange noch kann der Leviathan solche Männer aufhalten? Im Krieg in Rhodesien überfielen kleine Kompanien weißer Farmer ganze reguläre Armeen, fügten ihnen Verluste zu und entkamen unversehrt. Der Nyadzonya-Überfall ist nur ein Beispiel. Das Potential zu neuen Eroberungen, größer als je zuvor in der Geschichte Europas, ist da. Und es wird wachsen.
Das nächste Zeitalter der Barbarei wird nicht von Gangbangern und stinkenden Horden aus Kloaken bevölkert sein, wie es sich die urbanen Feiglinge vorstellen, sondern von sauberen Veteranen, Männern der mittleren und unteren Klassen, die wissen, wie man schießt und wie man führt. Sie werden kommen. Die Zeit der Oligarchen wird enden. Geld wird nicht standhalten gegen die Waffen und den Charme solcher Männer. Schaut auf die Geschichte – auf die Sforza, auf hundert andere. Sie wiederholt sich.
Als Theodore Roosevelt fast siebzig war, unternahm er eine Expedition in den Amazonas. Ein letzter Versuch, wieder Junge zu sein. Sie kostete ihn das Leben – und es war ein guter Tod. Wie Lope de Aguirre folgte er dem Ruf … und verlor nie die Sehnsucht nach Eldorado.
Teil IV: Ein paar Pfeile
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Frauen »Freiheit« zu geben – das ist eine Unmöglichkeit. Mit der sogenannten Befreiung der Frau im 19. Jahrhundert hat sich der Westen eine Infektion zugezogen, von der er sich nur unter den schrecklichsten Krämpfen und mit den gründlichsten reinigenden Maßnahmen wieder erholen kann. Was in der Praxis unter der »Freiheit der Frau« verstanden wird, bedeutet nichts anderes als die Herrschaft der Menschheit durch Demagogen, die imstande sind, die niedersten Schichten des Geistes zu mobilisieren. Denn es gibt keine denkbare Welt, in der »die Frauen« als politische Einheit handeln könnten. Die sogenannte Emanzipation bedeutet nichts anderes als Macht – nicht für Frauen –, sondern für Finanziers, Juristen, Anbieter von Annehmlichkeiten innerhalb und außerhalb des Staates, für Arbeitgeber, die deine Frau und deine Töchter in verkleidete Formen der Prostitution zwingen. Es war der größte Akt der Schwächung und Selbstzerstörung, den sich eine Zivilisation je selbst zugefügt hat.
Aber ist das im Kern wirklich so verschieden von der Demokratie überhaupt? Ja – denn die »Befreiung« der Frau macht die Demokratie nicht bloß zu einem schlechten Regime, sondern zu einer tödlichen Krankheit. Einer Krankheit, die nicht nur eine bestimmte Regierungsform zerstört, sondern die Zivilisation selbst.
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Wenn du dich fragst, wie die Menschheit von den Höhen der Renaissance und des Zeitalters der Entdeckungen in unsere Zeit der Mittelmäßigkeit und Unterdrückung hinabgestürzt ist, dann muß ich dir sagen: Unser Zeitalter ist die Norm der Geschichte. Es erfordert außergewöhnliche Anstrengung und viel Glück, den schmutzigen Affen und die Ratte in uns zu überwinden. Der Großteil der Menschheit hat das Regime der Mißbildung nie wirklich verlassen, und es ist kein Wunder, daß der Morast zurückkehrt. Es ist schlicht eine Rückkehr zur Regel. Und doch ist an unserer Zeit etwas besonders Bedrückendes: die Allgegenwart des Leviathans, die Unmöglichkeit, ihm zu entkommen. Wohin du auch flüchtest, selbst als Eremit – er dringt überall ein, erinnert dich an seine Existenz, unterwirft dich seinem Zugriff. So haben die großen Männer, die vor vierhundert Jahren eine neue Welt schufen, das menschliche Wissen und Können in bislang ungekannte Weiten dehnten, ungewollt das Fundament für unsere Müllwelt gelegt. Ihr Erfolg war größer, als sie je erwarten konnten – und dieser Erfolg erlaubte die hemmungslose Vermehrung der niederen Typen der Menschheit.
In der Natur herrscht das vitale Element. In den Anfängen vieler Gesellschaften ist dies sichtbar: Militärische Bruderschaften herrschen, und physische Kraft wie auch Charisma ziehen den Rest in ihre Umlaufbahn. Das geschieht nicht durch Überzeugung oder Theorie, sondern durch Instinkt – durch den geheimen, biologischen Sog des Lebens. Die Herrschaft des Kriegsherrn, die monarchisch-militärische Organisation, ist keine Idee, sondern eine anthropologische Gegebenheit, die aus dem tiefsten Verlangen der Natur stammt. Doch verschiedene Entwicklungen verschwören sich regelmäßig gegen diesen Zustand. Erstens der große Erfolg jener Männer, die für die anderen Lebensbedingungen sicherten, die Komfort und Sicherheit ermöglichten. Zweitens der Aufstieg – in der Friedenszeit – von Priestern, Schamanen, Intriganten und Matriarchinnen, die langsam die Macht von den Männerbünden usurpieren. Spinoza beschreibt die Korruption der Juden ganz ähnlich: Die hebräische »Republik« war ursprünglich ein Regiment von Hauptleuten, eine Militärordnung, doch die Priester entrissen ihnen die Macht – und führten die Nation in Schwäche und Dekadenz. Dasselbe geschah mit den Ariern in Indien – und anderswo. Zwar könnten Männer der Macht und Männer der Religion theoretisch gemeinsame Interessen haben, und manchmal tun sie das – doch wenn erstere dekadent werden und den Staat den Intriganten und Müttern überlassen, dann folgt der Haß auf die Schwäche, die sich nicht mehr selbst verteidigt.
Frauen werden in dem Moment aggressiv, in dem entspannte Männlichkeit aus der Welt verschwindet. Wer glaubt, daß arabische oder muslimische Frauen süß und gehorsam sind, hat keine Ahnung: Sie sind eisern und hungrig, und die feministische Muslima wird ein Zukunftstyp sein. Der arabische Mann wird schwul. Die vietnamesische oder chinesische Großmutter hat ihr Knie im Nacken des Schwiegersohns. Überall herrscht das gleiche Muster: Die Sicherheit, der Komfort, die von den Besten geschaffen wurden, führen zur Usurpation durch den niedrigeren Geist. Und im Westen, der sein eigenes Schicksal mit der Geschichte der ganzen Menschheit verwechselt hat, geschieht diese Entwicklung unter dem Zeichen von »Logos«, »Vernunft« und der Anbetung leerer Worte. Legalismus und Wissenschaftskult – beides Perversionen der ursprünglichen Kraft – sind nur Vorhänge, hinter denen der Blob-Mensch, das weiche Hefe-Wesen, aufsteigt.
Ganz konkret sehen wir im Feminismus die Rückkehr des matriarchalen Albtraums. Die große Erdmutter, halb Mensch, halb kakerlakenartige Gebärmaschine, glänzend, mit pulsierenden Eiern, will dich zurück in ihr Gewimmel ziehen. Von allen Faktoren des Verfalls, die du in Betracht ziehst, ist der Feminismus die unmittelbare und die tiefste Ursache. Nichts Lächerlicheres wurde je versucht als die sogenannte »Befreiung der Frau«. Es ist ein Akt reinen Wahnsinns, präsentiert als Vernunft und Legalismus, als angebliches »Recht«, und doch nur eine Farce. Der moderne Sozialstaat, die erdrückende Ausdehnung staatlicher Macht, die alle Initiative und alles Leben zerquetscht, die Heuchelei des gesamten öffentlichen Lebens – all das ist Frucht der politischen Partizipation der Frau. Ich klage nicht über »Freiheit« oder »Dekadenz«. Das ist alles Ablenkung. Wir leben in einem zutiefst repressiven System, das schlimmer als jede orientalische Tyrannei ist – sein Unterschied ist allein die Heuchelei. Es versteckt seine Gewalt unter dem Deckmantel von Gerechtigkeit und egalitären Phrasen, unter Regeln, die nie gleich angewandt werden. Die »Freiheit« der Frau ist eine Fiktion – und diese Fiktion ist das Werkzeug einer verborgenen Macht, die enteignet, einschüchtert und zerstört. Es hat nur hundert Jahre gebraucht, um mit weiblicher Beteiligung das, was von einer Zivilisation übrig war, fast vollständig zu vernichten.
Aber du wärst ein Narr, zu glauben, dies könne rückgängig gemacht werden, indem man Frauen das Wahlrecht nimmt oder sie zurück ins Haus zwingt. Das ist eine kindische Vorstellung. Die weibliche Präsenz in der Öffentlichkeit ist eine Waffe mit zwei Schneiden – und sie kann mit Leichtigkeit gegen den Feind gerichtet werden. Frauen können, selbst in ihrem verkommenen Zustand, noch immer durch den Auftritt eines echten Führers aufgerüttelt werden. Sie haben mit Inbrunst für Hitler gestimmt, für Mussolini und viele andere. Der Feind, der sie »befreite«, hat seine Macht so weit vergrößert, daß er in jedes Heim, in jede Familie eingedrungen ist. Aber damit hat er auch eine große Wette abgeschlossen – und ich glaube, er hat sich verkalkuliert. Denn Frauen, mehr als andere, sind bereit, ihre Körper für einen Retter in Brand zu setzen. Sie, mehr als alle anderen, können die Angst und den Wunsch nach Sicherheit ablegen, auf denen der moderne Staat beruht. In ihnen kann eine wilde, dumme, aber leidenschaftliche Begeisterung entfesselt werden. Und vielleicht ist gerade das die Schwachstelle des Leviathans.
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Wie war es möglich, daß Frauen im 19. Jahrhundert »frei« wurden – wie kam es zu dieser Agitation? Woher rührt die Gynaikokratie, die nicht nur, wie in Stammesgesellschaften, im Verborgenen herrscht, sondern nun auch offen auftritt, sich in der Öffentlichkeit breitmacht und »Rechte« fordert? Wer war überhaupt da, um Rechte zu verleihen – und was ist ein Recht wert, wenn es nicht auch ein Privileg ist? Die Antwort ist unangenehm: Es war allein der völlige Verlust an Respekt, den Frauen gegenüber den Männern jener Zeit empfanden, der überhaupt erst den Vorwand für Feminismus, Frauenwahlrecht und all den Unfug liefern konnte. Der Respektverlust kennzeichnet das moderne Zeitalter, besonders seit 1800: der Respekt vor Autorität, der zerfiel, als Industrielle, Händler und Banker die alte Kriegeraristokratie verdrängten. So dekadent diese Klasse auch gewesen sein mag, sie hatte nie ganz ihre Anmut, ihren Glanz, ihre Schönheit und ihren Nimbus der Macht verloren – genug, um sich überzuordnen, genug, um den einfachen Mann in Ehrfurcht zu versetzen. Aber wer konnte ernstlich die Herrschaft der grauen ökonomischen Kreatur respektieren, die am Ende des 18. Jahrhunderts das Ruder übernahm? Aus diesem Grund blieb Napoleon für viele ein Rätsel: Er war ein Mann außerhalb seiner Zeit, ein Ereignis völlig jenseits des bürgerlichen Mittelmaßes, das sich gerade überall festzusetzen begann. Deshalb warfen sich alle höheren Geister des 19. Jahrhunderts, die Dichter, Künstler, Musiker und Schriftsteller, zu Füßen seiner Erinnerung – weil er ihnen wie der letzte große Beweis erschien, daß höhere Aspiration inmitten der neuen Welt doch noch möglich war. Lies Stendhal, wenn du diesen Geist begreifen willst. Napoleon war eine Fluchtlinie, eine Erhebung aus der aufziehenden Käferherrschaft – eine letzte Ahnung von Größe.
Stell dir nun nicht vor, ich wolle »den Bourgeois« angreifen – wir sind längst unter sein Niveau gesunken. Das heutige Elend ist so umfassend, daß selbst der Bourgeois vergangener Jahrhunderte wie ein Titan erscheint. Deshalb ist es so grotesk, wenn Konservative heute über »Ehre«, »Opfer«, »Pflicht« oder »Ruhm« schwadronieren – sie leben im Kadaver einer Ordnung, der längst jeder Respekt abhandenkam. Denn wer sollte all das achten? Wer kann es noch glauben? Und wie sollte man von seiner Frau geachtet werden, wenn man sich selbst verachtet? Feminismus ist nicht die Ursache dieses Zerfalls, sondern seine Folge – die Revolte der Frauen gegen die Unfähigkeit der Männer, Respekt einzufordern. Er ist die weibliche Rache an der Demokratie. Und du mußt verstehen, daß es in dieser »Freiheit« keinen Endpunkt gibt, kein lehrreiches Finale, keinen »Ich-habe-es-dir-gesagt«-Moment, keine Gelegenheit zur Umkehr: Der Wahnsinn kennt keine Lehre. Niemand wird »daraus lernen«, niemand wird zur Vernunft kommen, niemand wird einsehen, daß dieser Weg in die Katastrophe führt – sie hassen die Unsicherheit, in die du sie geführt hast, aber sie werden nie ihre eigenen Fehler eingestehen. Und du irrst, wenn du glaubst, das sei neu – Frauen haben den »Beta« nie gewollt.
Große Kulturen wurden nie von Betas gegründet, noch durch sie erhalten. Der größte Betrug der modernen Rechten besteht darin, dir einzureden, daß stabile, fleißige, vernünftige Männer – Ladenbesitzer, Techniker, Handwerker, Zivilbeamte – die Grundlagen von Zivilisation seien. Unsinn. Frauen haben nie den schüchternen Kaufmann mit der nasalen Stimme geliebt. Sie liebten immer den Reiter, den Ritter, den Matrosen, den Piraten – den Mann mit Feuer im Herzen und Wind in den Segeln. Und es war richtig, daß sie ihn liebten. Mit dem Aufstieg der grauen Mittelmäßigkeit – des Käfermenschen, der das 19. Jahrhundert regierte und das 20. Jahrhundert ruinierte – kam es unausweichlich zur Revolte. Daß dieser weibliche Aufstand von einer verborgenen Macht instrumentalisiert wurde, daß er in Wahrheit eine neue Versklavung unter anderen Vorzeichen brachte, ist nebensächlich. Entscheidend ist: Du wirst keine Frau überzeugen, sich in eine »Beta-Zivilisation« zu fügen – eine armselige Konstruktion der HBD-Cuckold-Meute, die glaubt, die Welt durch Statistiken retten zu können. Frauen werden Männer lieben, die kämpfen. Und sie werden, durch den tumben Mechanismus der Demokratie, wenn es denn sein muß, Männer mit Glanz und Charisma wählen – Männer, die unsere einzige Hoffnung gegen die Maschine sind, die uns regiert.
Trump war der erste. Trotz all seiner Halbheiten war er eine Andeutung, ein Vorspiel, ein Anstoß. Er hat, soweit es die Frau betrifft, gezeigt, wohin der Weg führen kann. Denn auch die Masse ist eine Frau. Stell dir einen Mann vor mit Trumps Charisma – aber selbst ein General, keiner, der Generälen dient. Einer, der sie beherrscht, einschüchtert, befehligt – und zugleich die Vielen verführt. Bislang hatten wir nur Gracchen – doch die Zeit der Caesars und Napoleons wird kommen.
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Ein Mann von großem Charisma, der das Volk mit wildem Geist zu verführen vermag und imstande ist, den allgegenwärtigen Bürokratie- und Medienkomplex zu durchbrechen, ist unsere beste – vielleicht unsere einzige – Hoffnung auf eine Lösung des unmittelbaren Problems. Ein solcher Mann könnte unter euch sein, und ganz gleich, ob er schon da ist oder noch kommen muß: Er wird Hilfe brauchen. Unser Feind hat sich zu weit ausgebreitet – er ist überall, er ist sogar in deinem Haus, in deiner Sprache, in deinen Gedanken. Das Feld des Kampfes hat sich auf die ganze Welt ausgedehnt, und daher muß jede Antwort auf mehreren Ebenen erfolgen, mit verschiedenen Strategien, verschiedenen Talenten, verschiedenen Arten von Männern. Ich fürchte nur, daß viele von euch tatsächlich Autisten und Spergs sind und sich weigern, dies zu erkennen. Es gibt keinen einen Kampf, keine eine Lösung, und das, was ihr am Ende wollt – euer Ideal –, mag eine andere Strategie erfordern als das, was die unmittelbare Bedrohung verlangt. Und für Letzteres könnt ihr Allianzen mit Leuten eingehen, die sonst nicht eure Freunde wären. Ich glaube, daß die Demokratie die letzte Ursache all jener politischen Entartungen ist, von denen ich in diesem Buch spreche – aber kurzfristig ist die Demokratie, ist der Wille des Volkes, auf unserer Seite. Denn die Demokratien wurden von einer dummen, entarteten, gänzlich korrupten Elite gekapert. Die Nationen stehen nun vor dem Aussterben, vor der Aussicht auf einen Zustand permanenten Bürgerkriegs, weil diese Elite nichts anderes mehr will als zu plündern, zu parasitieren und die Länder mit dem Dreck der Welt zu überfluten.
Dies ist die unmittelbare Bedrohung, und gegen sie könnt ihr euch verbünden, selbst mit jenen, die nicht den gleichen Stern anvisieren wie ihr. Wenn Pat Buchanan oder Ann Coulter das Sagen hätten, bekämt ihr bereits 99 % von dem, was ihr wollt. Betrachtet sie also als brauchbare Modelle für die Bewältigung dessen, was ansteht – und verschreckt die Völker nicht durch wirres Gerede, wenn ihr politisch etwas bewegen wollt. Laßt die Normies ihr gewohntes Leben führen, stellt unsere Feinde als die Verrückten dar – und das sind sie auch: degeneriertes Ungeziefer. Wer von euch noch unkompromittiert ist, sollte vielleicht ernsthaft den Weg in die Politik erwägen und Trump als Vorbild für praktischen Erfolg nehmen. Doch wer diesen Weg geht und dieses Buch gelesen hat oder meine anderen Gedanken kennt, der muß bereit sein, sich von mir und allem, was ich sage, jederzeit loszusagen. Verurteilt mich ruhig, wenn ihr öffentlich gefragt werdet. Ihr müßt ein Gespür dafür entwickeln, was die Normies vertragen – es geht nicht darum, sie »allmählich« zu eurem Ideal zu führen, denn ich glaube nicht, daß sie dorthin gelangen können. Aber sie können dazu gebracht werden, sich gegen den Griff des globalen Sklavenstaats zu wehren – denselben Staat, den ich auch, wenngleich aus anderen Gründen, verabscheue.
Wenn euer Ziel der Ethnostaat ist, oder die Renaissance-Schweiz, oder das alte Ägypten – meinetwegen. Aber wenn ihr vorhabt, in der Öffentlichkeit politisch aktiv zu werden, dann arbeitet vorerst daran, zu verhindern, daß Amerika oder Europa zu Bosnien oder Südafrika werden. Wer euch von solchen konkreten Zielen abbringen will und euch stattdessen dazu anstiftet, öffentlich von Abstraktionen wie »Ethnostaat«, von lächerlichen Konstrukten wie »Eurasianismus«, oder von anachronistischen Slogans wie »Blut und Boden« zu sprechen – die historisch auf Anglos und Amerikaner nie irgendeine Anziehungskraft hatten –, ist entweder ein totaler Sperg oder sehr wahrscheinlich ein Geheimdienstspitzel. Studiert diese Dinge von mir aus, glaubt an sie, verwendet sie als innere Leitlinien, trollet mit ihnen – aber laßt euch nicht in der Öffentlichkeit zum Clown machen wie so viele andere, die sich lächerlich gemacht haben und nun auf ewig markiert sind. Wenn sie ernsthafte Menschen gewesen wären, hätten sie nie junge Männer in die Öffentlichkeit gezerrt und zu Märschen ermutigt, bei denen sie identifiziert, archiviert und fürs Leben verfolgt werden konnten. Seid nicht dumm. Eure Vorbilder müssen diejenigen sein, die funktioniert haben: Trump, Orban, die italienischen Bewegungen, Sebastian Kurz und seine Partei in Österreich. Diese Leute marschieren nicht in Hotelpagen-Uniformen mit Sonnenrädern herum und reden von der »Judenfrage« oder ähnlichem Rollenspielquatsch.
Es stimmt, daß meine tiefsten Ziele und jene von Orban oder Kurz letztlich kaum oder gar nichts miteinander gemein haben. Wenn sie Erfolg hätten, würden sie bestenfalls die Schafswelt von vor hundert Jahren wiederherstellen, vielleicht gegen die neuesten Verfallsformen immun – aber nichts wirklich Großes. Und doch, ich sage dir, besser gut versorgte, glückliche Schafe als wimmelnde Rattenhorden im Zustand permanenter Angst und Erniedrigung. Dies ist mein Rat an jene, die in die normative Politik gehen und ein relativ normales Leben führen wollen – es ist nicht ehrenrührig, es ist sogar notwendig. Aber dieses Buch habe ich für die anderen geschrieben – für jene, denen das nicht reicht, die mehr wollen als das, was war, und die einen neuen Weg suchen, jenseits des Schlamms, hinaus in ein anderes Zeitalter, das vielleicht nur für wenige offensteht, aber für jene wenigen von ungeahnter Herrlichkeit sein wird.
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Über die Übel der Vororte ist viel gesagt worden – vielleicht zu viel –, doch ich glaube, ihre Gefahr für den modernen, zivilisierten Menschen ist so gewaltig, daß man es nicht oft genug wiederholen kann. Allerdings muß man auch hier Maß halten: Es wäre falsch, daraus zu schließen, daß das Stadtleben, wie es heute in Europa besteht, die Lösung sei. Auch dort herrschen politisch und sozial ebenso schlechte, wenn nicht schlimmere Zustände. Dennoch scheint es mir, daß sich diese Misere in europäischen Städten leichter beheben ließe, sollte es je zum Ernstfall kommen – aus einem einfachen Grund: Die rechtmäßigen Bürger dieser Nationen besitzen ihre Städte noch. In Amerika aber ist das anders. Ich sehe keinen Hinweis darauf, daß die Steuerbasis freiwillig in die Vororte abgewandert wäre. Die Innenstädte wurden ihr nicht, wie man sich einreden möchte, durch Schwarze »weggenommen«, sondern von Politikern – und deren Hintermännern –, die es profitabler fanden, die bürgerliche Mittelschicht durch eine Unterschicht zu ersetzen, die ihnen besser gefiel. So wurde das Volk in einen neuen Raum segregiert, in das Pendlerghetto, das – und ich sage das ohne Übertreibung – nichts anderes ist als eine Vorhölle für die Erziehung von Kindern, vor allem von Jungen.
In den Vororten gibt es keine Bewegungsfreiheit; jeder Schritt ist überwacht, jedes Spiel reglementiert, jede Neugier unterdrückt. Es gibt keine verborgenen Winkel, keine unbesetzten Territorien, in denen Jungen ihre Bande bilden und ein Gefühl von Revier und Besitz entwickeln könnten – wie es in der Stadt oder auf dem Land immer noch möglich ist. Diese Orte sind von solch trostloser, niederdrückender Häßlichkeit, daß sie bereits auf visueller Ebene den Willen zerstören, überhaupt etwas Neues zu entdecken. Amerika hat es vollbracht, seine historische Bevölkerung, seine eigentlichen Bürger, seine Steuerzahler und Leistungsträger in Schlafsäle und Arbeitslager einzugliedern. Das ist die moderne amerikanische »Stadt«: keine Polis, kein Ort gemeinschaftlicher Ordnung oder öffentlicher Handlung, sondern eine bloße Wirtschaftszone, geplant wie ein Konzentrationslager – mit Driveways, Kreditraten und Care-Programmen.
Und man sollte nicht glauben, daß dieses Arrangement zufällig oder harmlos sei. Für die französischen Sicherheitsdienste wäre es ein Leichtes, den Zugang zu den von Dreck und Gewalt verseuchten Banlieues abzuriegeln. Genauso einfach wäre es für amerikanische Behörden, die Zufahrten der Vororte zu blockieren und die Mittelschicht am Hals zu packen – die Infrastruktur dazu ist längst vorhanden. Doch was den Vorort zum eigentlichen Alptraum macht, ist dies: Während das Land oder die klassische Stadt eine unruhige, vitale Bevölkerung hervorbringen können, die im Notfall ihr Territorium hält und eine Macht herausfordert, ist dies in den Vororten unmöglich. Der Vorort ist so konzipiert, daß er jede Regung dieser Art im Keim erstickt. Er ist der ideale Lebensraum für Untertanen. Für Sklaven.
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»Soziale Gerechtigkeit« – ein widerwärtiger Parasitismus, gewandet in Wortlumpen, so abgetragen, pissebefleckt und stinkend, daß selbst ihre Verteidiger den Geruch nicht mehr ertragen. Sie sprechen den Ausdruck nur noch flehentlich aus, halbherzig, mit gequältem Gesicht, wie man es bei den Versammlungen dieser Occupy-Witzfiguren sah, die in der Hoffnung auf ein paar Tropfen Respekt vor sich hin sabberten. Aber das Bedürfnis, respektiert zu werden, ist selbst schon das Zeichen eines zutiefst niedrigen, wurmgleichen Zustands des Geistes. Es ist die Wut der Domestizierten, der Zivilisierten im schlimmsten Sinn, ohne Kraft, ohne Mut, ohne irgendein Fundament. Hinter ihrer Empörung steht keine Macht, kein Wille – nur die Meinung der Übriggebliebenen, das stumpfe Murmeln von Schuld, die flehende Geste des Bettlers, nicht einmal mehr die stumpfe Maschine des Marxismus, nicht einmal der Glaube des Bolschewiken an den Sinn der Arbeit. Welcher Arbeiter? Sie verachten den Arbeiter, seine Kraft, sein Selbstvertrauen, seinen Platz in der Geschichte. Der letzte Glaube daran ist verloren, geblieben ist nur der Lump, der sich seiner Sprache bedient, und das noch schlecht. Sie hängen am Leviathan wie Säuglinge an einer kranken Amme, und deshalb sind sie seine Werkzeuge.
»Soziale« Gerechtigkeit – aber warum überhaupt »sozial«? Warum dieses erbärmliche Vorspiel? Warum setzt du deine Ziele so niedrig, meinst du wirklich nur die Meinung der Vielen? Wen juckt das. Hier ist meine Vorstellung von Gerechtigkeit – von wahrer Gerechtigkeit, wie sie in der Natur herrscht: Die Zoos werden geöffnet, die Käfige zersägt, Raubtiere zu Hunderten, zu Tausenden in die Städte entfesselt. Viertausend hungrige Wölfe toben durch die Straßen der Bienenstockmetropolen, Elefanten und Bisons stampfen durch Glas und Beton, brechen Stahlträger wie Zuckerrohr, zertrümmern Wohnungen und Hochhäuser, während die Schreie des menschlichen Käfers durch das Gitter der Häuserschluchten hallen. Der Herr der Bestien kehrt zurück.
Manhattan, Moskau, Peking – in Schutt und Asche gelegt, überwuchert vom Dschungel, von Ranken, Moos und Pilzen, das Pflaster zerborsten, zwischen dem Asphalt wachsen die ersten Luchse, Kojoten und Kröten. Die großen Kloaken der Welt – Kalkutta, Nairobi, Rio, all die brodelnden Latrinen der Menschheit – von Erdrutschen verschüttet, von Flüssen zurückgeholt, von dichtem Wald überwuchert. Das ist Gerechtigkeit. Und Lissabon, diese müde Stadt, die nur aus Eitelkeit noch bewohnt ist – dort sollen Hunderte von Tigern losgelassen werden, Nashörner in Kompanien, mit dem starken Motor des Geistes, der in ihrer gewaltigen Brust brummt. Sie sollen die Gerechtigkeit des Vulkans in diese Welt aus Müll bringen, den Glanz der Zerstörung, den Sturm der Reinigung. Segne das Vorübergehen des Shoggoth.
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Es gibt eine Geschichte aus der Heian-Zeit in der japanischen Geschichte, die ich immer erstaunlich fand. Damals wurde Japan noch vom kaiserlichen Hof regiert, mit seinen lokalen Verwaltern, Zeremonien und Ritualen – wie in jeder orientalischen Despotie mit zentralisierter Verwaltung. Doch es gab auch eine Kriegerkaste, die aus alten Steppeninvasionen hervorgegangen war und über die Jahrhunderte zu einer eigenständigen Klasse heranwuchs: die Samurai. Wie es immer geschieht, wurden die Beamten des Hofes schließlich schwach, korrupt, hilflos – bloße Träger von Titeln. Die Samurai aber hielten die tatsächliche Macht in ihren Händen. Was ich daran so bemerkenswert finde, ist, wie lange es dauerte, bis sie erkannten, daß sie niemandem mehr gehorchen mußten, daß die ganze kaiserliche Ordnung, die Hierarchie, das Getue um göttliches Recht und zeremonielle Ehre, nichts als Rauch war. Der Schleier fiel. Sie begriffen plötzlich, daß sie selbst die Herren waren. Dieser Moment des Erwachens – wenn »das Spiel aus ist« – ist in jeder Epoche eine große Offenbarung. Die Begriffe, die bis dahin bindend schienen – »Legitimität«, »weiche Macht«, »Rechte«, »Pflicht«, »göttliches Recht«, »Ehre« – erweisen sich dann als Mittel der Irreführung: Sie dienen einzig dazu, Männer von echter Macht von ihrer Bestimmung abzulenken und sie in den Dienst von Schwächlingen zu stellen.
Denn gerade die fähigsten Männer, Männer mit Stärke und Verantwortung, sind besonders anfällig für solche Illusionen. Sie lassen sich eine Zeit lang führen, täuschen, manipulieren. Aber irgendwann erkennen sie, daß sie es nicht mehr müssen – und dann ändert sich alles. In der modernen Welt geht alles schneller. Ich glaube, wir werden nicht mehr lange warten müssen, bis Männer im Westen – und auch anderswo – aus ihrem Schlaf erwachen und sich mit einem Schlag fragen: Warum habe ich so lange diesen erbärmlichen Kretins gehorcht? Warum habe ich Befehle entgegengenommen – Befehle, so schwach begründet, so fadenscheinig, daß selbst die kaiserliche Bürokratie Japans dagegen als würdevoll erscheint?
Ich denke an Fidschi, wo die Eingeborenen irgendwann zur Minderheit wurden, weil die Engländer hundert Jahre zuvor tamilische Arbeitskräfte ins Land gebracht hatten. Diese wurden zur Mehrheit, und unter den Regeln der Demokratie gewannen sie die politische Kontrolle. Die Ureinwohner aber kontrollierten weiterhin das Militär. Und als sie merkten, was geschah, als ihnen klar wurde, daß sie das eigentliche Machtzentrum bildeten, übernahmen sie einfach den Staat. Sie fühlten sich keiner »Demokratie« verpflichtet, die ihnen nur das Land nahm, das ihre Vorfahren besaßen. Der Staatsstreich gelang leicht. Und ich sage: Genau dies ist die Regel der Zukunft, überall auf der Welt. Demokratie und ethnische Vielfalt sind unvereinbar. Aber die ethnonationalistischen Träumer täuschen sich, wenn sie glauben, das Ergebnis all dessen werde ein Zerfall in kleinere Staaten sein. Niedriger ethnischer Bürgerkrieg ist eine schreckliche Sache, ja. Aber ganze Nationen zu zerbrechen, ist unwahrscheinlich. Auch wenn ich dem Stadtstaat einiges abgewinnen kann – in der Realität wird es selten geschehen.
Sieh nach Südafrika. Die Weißen und Farbigen hätten einen eigenen Staat rund um Kapstadt fordern können – doch sie wollten das Land zusammenhalten. Warum? Weil eine Sezession bedeutet hätte, große Teile des Landes, des Erbes, der Bodenschätze – Gold, Diamanten, Rohstoffe – aufzugeben. Und das wird auch in Amerika so sein: Es wird keinen Sieg darstellen, wenn du den Südwesten Mexiko »zurückgibst« oder ähnliche Pläne verwirklichst. Wenn du wirklich eine selbstbewußte, entschlossene weiße Bevölkerung aufbauen willst, wirst du erleben, daß sie nicht bereit ist, das Land und die Ressourcen aufzugeben, die ihre Vorfahren durch Mut und Blut erworben haben. Der größte Präsident war Polk – er verstand das.
Doch lange bevor sich solche ethnischen Bewegungen formieren, wird eine militärische Regierung zur Realität werden. Die Demokratie wird früher fallen als jeder Ethnostaat entsteht. Und das ist keine Ausnahme, sondern ein uraltes Muster: Immer wieder, wenn eine Nation in Niedergang gerät, kehrt sie zurück zur militärischen Ordnung – nicht nur wegen ethnischer Spaltung, sondern weil diese Form der Regierung der natürlichen Struktur der menschlichen Spezies entspricht. Die Generäle, die erfolgreich sein werden, sind jene, die Macht mit persönlichem Stil und Glanz verbinden – wie Duterte, wie Perón. In Amerika ist das schwieriger wegen der Männer, die dort heute im Militär befördert werden. Aber einige wenige werden es schaffen, das Charisma des alten, strenge römischen Mannes zu verkörpern. Und sie werden erkennen, daß sie niemandem mehr gehorchen müssen.
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Angesichts der Unvermeidlichkeit einer militärischen Regierung sehe ich bereits, wie Nationalisten und viele andere Männer, die der Sache der Freiheit und des aufsteigenden Lebens nahestehen, beginnen, in die Streitkräfte einzutreten und dort in den Rängen aufzusteigen – und ich vermute, daß viele dies längst tun. In gewisser Weise ist dieser Prozeß bereits in Gang, denn in den mittleren Rängen der westlichen Armeen findet man nach wie vor eine große Zahl von Patrioten. In Frankreich etwa stehen große Teile des Militärs und der Sicherheitsdienste – einschließlich der CRS – der Nationalen Front von Le Pen positiv gegenüber. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich diese latente Loyalität in Handlung umsetzt.
In der angelsächsischen Welt ist die Lage komplizierter. Die oberen Ränge wurden systematisch gesäubert, sobald ein Mann auch nur entfernt Widerstand gegen die verborgenen Kräfte hätte leisten können, die in Wirklichkeit herrschen. Dies begann spätestens mit dem sogenannten Tailhook-Skandal, wenn nicht schon früher, und hat sich seither nur beschleunigt. Dennoch sind selbst auf der Ebene von Hauptmann oder Major viele Offiziere konservativ geprägt – religiös oder traditionell – wenn auch nicht im vollen Sinne Nationalisten. Diese Männer brauchen keine direkte Ansprache; die Ereignisse selbst werden sie zur Einsicht führen. Doch schon jetzt werden viele aus dem Dienst gedrängt, genauso wie Polizeibehörden gesäubert und kontrolliert werden. Dieser Vorgang ist zwar schleichend, aber unumkehrbar, und er wird den Herren der Lüge letztlich nicht zum Vorteil gereichen. Keine Technologie der Welt wird ein »diverses« Militär retten, wenn es in einen wirklichen Krieg gezwungen wird – sie werden sich selbst die Raketen auf den Kopf richten oder ihre U-Boote auf den Meeresgrund manövrieren, wie es in Südafrika bereits geschah.
Trotzdem sollte man sich keiner Illusion hingeben: Amerika ist durch seine geographische Lage noch immer gut gegen äußere Gefahren abgeschirmt, und selbst schwerste Niederlagen im Ausland würden nicht zwingend zu inneren Reformen führen. Die Eliten fürchten nichts so sehr wie die Macht entschlossener Männer im eigenen Land. Diese Furcht ist berechtigt, denn der Apparat ist auf Sand gebaut. Doch wie kann man das Dilemma überwinden, wenn das heutige Militär schon von so viel Schwulheit, Bürokratentum und Gender-Schwachsinn durchsetzt ist, daß es für einen echten Mann kaum noch zu ertragen ist? Selbst wer nur die Ansichten eines traditionellen Konservativen oder eines gemäßigten Trumpisten vertritt, wird auf Schwierigkeiten stoßen, und das nicht nur im Aufstieg, sondern bereits im Alltag. Ich selbst würde es hassen, einen freien Mann im Dienst dieses degenerierten Apparats sterben oder verstümmelt sehen zu müssen – einer Armee, die längst zur hessischen Söldnertruppe für Golfmonarchen, für fremde Ethnien, für idiotische Pläne internationaler Finanziers und zum Vorteil von Maschinenpolitikern geworden ist, deren Familien ihr Vermögen längst außer Landes geschafft haben.
Und dann ist da noch die entsetzliche Langeweile, die jedes militärische Leben prägt – selbst unter den besten Umständen besteht es aus Beschäftigungstherapie, aus Papierkram, sinnlosen Märschen, dem stumpfen Ritual leerer Befehlsketten. Und doch, bei all dem: Die militärische Ausbildung, die Härte, die Kameradschaft und das Wissen um Befehl, Waffe und Kampf sind unersetzlich. Gerade wenn ein aufrechter Mann in einem solchen System nur schwer vorankommt, ist es umso wertvoller, daß er dort ist – um Wissen und Haltung zu gewinnen, um sich zu schärfen und um sich mit anderen zu verbinden, die ähnlich denken. Es ist klar, daß jeder, der diesen Weg geht, Urteilskraft und Diskretion besitzen muß. Aber man darf das Feld nicht jenen überlassen, die es sich längst angeeignet haben: den mohawktragenden Trans-Aktivisten, den Woketards und neo-leninistischen Aufsehern der Diversity-Diktatur. Die künftigen Männer der Macht, daran habe ich keinen Zweifel, werden in die Kasernen und Akademien zurückkehren und sie von innen erneuern.
Es gibt Alternativen – etwa die Französische Fremdenlegion. Aber man muß wissen, worauf man sich einläßt: Die Disziplin dort ist hart, vielleicht sogar grausam. Der Dienst dauert sieben Jahre, und wer desertiert, wird gnadenlos verfolgt, egal in welchem Land er sich versteckt. Viele ehemalige SS-Männer und andere Deutsche, die im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatten, traten der Legion bei und kämpften später in Indochina. Manche hielten die Belastung nicht aus und nahmen sich das Leben. Vielleicht ist die Legion heute milder geworden. Doch der Preis bleibt hoch – so hoch wie der Nutzen.
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Alles, was heute über Rußland gesagt wird, ist pure Projektion. In Wahrheit sind es Amerika und der Westen, die von Geheimdiensten und ihren Agenten regiert werden. Diese haben ihre Leute längst nicht nur in den klassischen Institutionen des Staates, sondern ebenso in Konzernen, Medienhäusern, Nichtregierungsorganisationen und unter gewählten Politikern platziert. Viele von ihnen – Obama ist nur ein Beispiel – sind vollständige Erzeugnisse dieser oder jener Fraktion innerhalb des Sicherheitsapparats. Diese Fraktionen wiederum stehen in Verbindung mit Oligarchen, internationalen Finanzkreisen oder ausländischen Mächten. Insofern fällt es schwer, bei vielen westlichen Nationen noch von realer Freiheit oder nationaler Souveränität zu sprechen. Die sogenannte repräsentative Demokratie in Kombination mit einem aufgeblähten bürokratischen Verwaltungsstaat wird zwar von Konservativen oft zu Recht als Feind persönlicher Freiheit und Initiative gebrandmarkt, aber in der Praxis bedeutet sie nur: eine indirekte Herrschaft der Schlapphüte, der Oligarchen, der bestbezahlten Erpresser – kurz, derjenigen, die am besten darin sind, Geld, Einfluß oder Druckmittel einzusetzen.
Viele jener Leute, die heute über Rußland kreischen, sind in Wirklichkeit Marionetten Chinas oder der Golfstaaten. Selbst wenn sie nicht direkt bestochen oder kompromittiert sind, so träumen sie doch von Posten, Rückflüssen, Einflußsphären und Reichtümern, die ihnen in naher Zukunft versprochen wurden. Die meisten Medienvertreter sind auf ähnliche Weise abhängig, auch wenn der durchschnittliche Trottel-Journalist vermutlich ehrlich an die Plattitüden der »freien Presse« glaubt – und an die humanitären Glaubenssätze, die man ihm seit der Kindheit eingeimpft hat. In seinem Schädel befindet sich keine Denkleistung, sondern eine zentrale Vakuole voll synthetischer Flüssigkeit. Ich zweifle nicht daran, daß Geschichten wie »Pizzagate« in ihren Grundzügen wahr sind – nicht etwa aus moralischer Empörung, sondern weil ich, wäre ich ein Geheimdienstmann oder ein Oligarch mit Zugriff auf solche Dienste, es außerordentlich einfach fände, niedere Kreaturen mit großem Statushunger durch kompromittierende Ausschweifung gefügig zu machen. Die Männer und Frauen, die unsere Regierungen bevölkern, reisen mit einem hungrigen Blick in den Augen in die Hauptstädte der Welt – gierig, stolz, schwach – und weil sie sich bereits für »angekommen« halten, haben sie keine Kontrolle mehr über ihre Lüste oder ihr Verhalten. Viele werden genau deshalb ausgewählt: weil sie schon verdorben sind.
Das heißt nicht, daß es im westlichen Sicherheitsapparat keine patriotischen Fraktionen gäbe, keine Oligarchen mit heimatgebundenem Interesse, die ihr Kapital nicht einfach ins Ausland verschieben können. Diese Gruppen existieren – einige aus nüchterner Notwendigkeit, andere aus echter Sorge. Ich sehe jedenfalls eine Zeit voraus, in der Nationalisten, die über den nötigen Verstand verfügen, gezielt in solche Dienste eintreten werden. Manche, mit Talent für Mathematik, Kryptographie oder moderne Technologien, werden in technische oder analytische Abteilungen gehen. Andere werden – und tun es bereits – Sprachen lernen: Tibetisch, Chinesisch, Persisch, Arabisch, Russisch, Indonesisch – es gibt zahllose Wege für den, der begriffen hat, wie sich die Kräfte der Zukunft formieren.
Angesichts des erstaunlich niedrigen Talentniveaus in der Regierung und in deren Rekrutierungssystemen werden viele solcher Männer keine große Mühe haben, in diese Agenturen zu gelangen. Allerdings wird es dort noch wichtiger sein als im Militär, seine wahren Ansichten zu verbergen – manchmal sogar, die links-internationalistische Doktrin äußerlich mitzutragen. Jeder, der nicht auffallen will, sollte, wenn er »rechts« sein will, sich höchstens im Ton eines Robert Mueller bewegen. Nicht alle werden das durchhalten, und die seelische Belastung solcher Rollen wird erheblich sein. Wer diesen Weg geht, wird oft allein arbeiten, mit wenig Bestätigung, mit vielen Frustrationen, mit jahrelanger Isolation – und muß dennoch sein Ziel, seine innere Flamme, als kostbarsten Besitz bewahren, ohne sie je mit kurzfristiger Befriedigung zu verwechseln.
Wenige sind dafür gemacht. Doch das war schon immer das Versagen des angelsächsischen Konservatismus: Die Männer wollten sich lieber sonnen, Tennis spielen, ihr Geld mehren – und der Staat wurde währenddessen von menschlichem Ungeziefer übernommen. Aber ich bin überzeugt, daß sich diese Haltung ändern wird, nicht durch Überzeugung, sondern durch das reine Überlebensinteresse. Einige werden begreifen, daß man nicht aussterben muß – und dann werden sie, langsam aber sicher, den Behörden beitreten, um deren Gesicht von innen zu verwandeln.
Denn die wahre Macht dieser Welt – zumindest in naher Zukunft – liegt nicht in Parlamenten oder öffentlichen Debatten, sondern in diesen Agenturen. Einen Caesar, einen Napoleon, einen charismatischen Kometen zu erwarten, ist romantisch, aber töricht. Und selbst ein solcher Mann – wenn er überhaupt erscheinen sollte – wird Verbündete brauchen.
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Regierungsarbeit kann für Männer mit Abenteurergeist unerträglich langweilig sein. Einige behaupten, die CIA übertreibe ihre Inkompetenz in Filmen und bei bekannten Pannen – das Versagen rund um 9/11, den Irakkrieg, ihre fortwährenden Demütigungen durch die Sowjets –, um ihre tatsächliche Macht zu verschleiern und harmloser zu erscheinen, als sie ist. Doch ich glaube nicht, daß das zutrifft. Wenn du je Ex-CIA-Leute getroffen hast, weißt du, daß die Gerüchte über ihre Unfähigkeit keineswegs übertrieben sind. Nach James Jesus Angleton, einem Mann von seltener Verschwiegenheit, wurde der Dienst in jede Schwachstelle hinein zerlegt, durchzogen und ausgenutzt. Alles, was er voraussah, traf ein – und weil er in seiner Natur so gar nicht dem amerikanischen Typus entsprach, weil er kein jovialer WASP war, sondern womöglich von spanischem Blut oder einem Hauch habsburgischer Hofverschlagenheit durchdrungen, wird er heute in gehässigen Filmen diffamiert.
Rußland und andere Völker haben ein ganz anderes Verhältnis zur Geheimdienstarbeit: Sie wachsen in einer Welt des Schweigens auf, gedeihen in Schatten und empfinden Lust an der Kunst der Täuschung. Amerikaner dagegen tun nur so. Voll von Mormonen, von Neutren, von rollenspielenden Verwaltungsseelen, die sich eine hohle WASP-Fassade geben, von Fußballmüttern, die nach Karriere streben – es ist ein menschliches Sammelbecken, in dem trotz großer struktureller Macht keine wahre Finesse existiert. Beides kann zugleich wahr sein: große Macht und plumpe Mittel. Wer ihre Versuche gesehen hat, die öffentliche Meinung im eigenen Land zu beeinflussen – etwa durch visuelle Memes, besonders im Vorfeld der letzten Wahl –, der konnte nur lachen. Niemand vergißt die lächerlichen, grob gezimmerten Versuche, in die Welt des Internets einzutauchen: ganze Einheiten, die »Meme Warfare« betreiben sollten, mit Ergebnissen, die so hölzern und peinlich wirkten, daß selbst ihre Verteidiger den Blick senkten.
Die vielleicht größte Bedrohung für dieses System kam ausgerechnet aus einer anarchischen Ecke wie 4chan: ein loses Kollektiv von Autisten, das sich als effektiver, raffinierter und unbarmherziger erwies als jede formelle Agentur. Ihre Fähigkeit, Objekte, Orte, Personen anhand eines einzelnen Fotos zu identifizieren, übertraf mühelos das, was offizielle Nachrichtendienste je zustande brachten. Die Memes wurden für diese verstopften Spione zu einem wahren Stachel im Fleisch. Einige wenige Bilder, die von Figuren wie Ricky Vaughn oder anonymen »Channern« verbreitet wurden, schlugen wie Sprengsätze ein, durchbrachen die Medienmauern und erreichten mehr als Millioneninvestitionen in staatliche Propaganda. Und der Haß, der ihnen aus Serien wie Homeland entgegenschlug, war der Haß derer, die zum ersten Mal mit einem echten Gegner konfrontiert sind.
Du mußt verstehen, wo deine Stärken liegen. Wenn Regierungs- oder Militärdienst nichts für dich ist – was bei den meisten der Fall sein wird –, dann lerne die Kunst der Bildsprache. Lerne, wie man mit Bildern kommuniziert, wie man mit Videos Geschichten erzählt, wie man Stimmungen erzeugt, Wirkung erzielt, Furcht sät. Tu es nicht allein – arbeite mit Freunden zusammen, bildet kleine Gruppen, »Labs«, Werkstätten, in denen ihr euch austauscht, euch verbessert, euch gegenseitig korrigiert. Beginnt mit billigem Material, wenn es sein muß. Die Werkzeuge sind da – Bearbeitungsprogramme, Schnittsoftware, Tonarchive – alles ist verfügbar. Was zählt, ist nicht Ausstattung, sondern Instinkt. Ich versichere dir: Diese Arbeit, richtig gemacht, versetzt sie in Angst. Sie fürchten diese Angriffe weit mehr als einen Aufmarsch in Uniform, den sie medial in Sekunden als Clownshow abtun können. Das wahre Spiel wird langfristig gewonnen, in Bildern, Andeutungen, Implikationen – nicht im lauten Parolengebrüll.
Halte dir die eigentliche Aufgabe vor Augen: Nicht Aufklärung, nicht Bekehrung, nicht Verkündung. Sondern Zersetzung. Autorität zu diskreditieren, die öffentliche Frömmigkeit zu verhöhnen, die Eliten bloßzustellen – die führenden Köpfe von Staat, Bürokratie, Finanzwesen, Konzernen, Big Tech, Medien – sie alle als das zu zeigen, was sie sind: erbärmliche Ghule. Vieles ist bereits erreicht worden, aber ihre moralische Entzauberung in den Augen der »Normies« steht noch aus. Und sobald sie dich dazu bringen, dich offen zu bekennen, positive Programme zu formulieren, dich in öffentliche Arenen zu stellen, haben sie gewonnen. Der wahre Weg ist nicht die Bühne, sondern der Samisdat: die beharrliche, heimliche, undeutbare Verneinung. Und je weniger du sagst, desto mehr wird man spüren.
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Einige Menschen mögen es, sich öffentlich zu versammeln, Präsenz zu zeigen, sich darzustellen – und ich glaube, das kann, wenn es richtig gemacht wird, durchaus seinen Platz haben. Doch nur sehr wenige Gruppen auf der Welt tun dies auf würdige, kluge und wirkungsvolle Weise. Es gibt einige in Amerika und Europa, andere in Südamerika, auch in Japan. Die wenigen nationalistischen Organisationen, die sich geschickt präsentieren, achten sorgfältig auf ihr äußeres Erscheinungsbild und vermeiden alles, was mit bizarren Ideologien, abstoßenden Symbolen oder Verhaltensweisen zu tun hat, die den Bräuchen und Sehnsüchten des Volkes fremd oder gar feindlich gegenüberstehen. Ein japanischer Nationalist kann sich auf Shinto-Bilder berufen und diesen Weg der nationalen Erneuerung der importierten und fremden Religion des Buddhismus entgegenstellen – doch das gelingt nur, weil beide Traditionen tief in der historischen Textur seines Landes verwoben sind. Im Westen hingegen gibt es keine eigenständige heidnische Tradition, die heute noch lebt; so zu tun, als gäbe es sie, als sei man ein Druide oder Wikinger oder etwas dergleichen, wird stets zur Farce und führt ins Leere. Auch Christen zu beleidigen, die oft die letzten verbliebenen Bastionen gegen den gemeinsamen Feind darstellen, ist töricht: Wenn ihre Überzeugungen korrumpiert sind, so können sie korrigiert, neu belebt werden – doch man darf sie nicht in die Arme der Gegner treiben.
Vor allem glaube ich, daß jede öffentliche Bewegung dann am wirksamsten sein wird, wenn sie überhaupt nicht als politische, sondern als soziale Kraft auftritt – »implizit«, nicht explizit. Eine gesunde Alternative zur Herrschaft der Häßlichkeit und Niedrigkeit unserer Zeit muß verkörpert, nicht proklamiert werden. Nationalisten müssen das Gegenteil dessen darstellen, was das Regime verkörpert: Schönheit, Natur, körperliche Kraft, geistige Anmut, die Pflege und Bewahrung großer Traditionen der Kunst und Literatur. Gerade im letzteren Bereich ist dies keine Wahl, sondern Notwendigkeit, denn es gibt keine Schule, keine Universität mehr, die einem jungen Menschen heute noch eine würdige Bildung bieten könnte. Es gibt verschiedene Wege, diese Wiederbelebung zu betreiben, aber angesichts des Zusammenbruchs der Pfadfinderbewegung halte ich den Aufbau einer neuen Natur-, Wander- und Schutzbewegung für eine der besten Optionen. Der Schutz nationaler Parks, das Wandern, das Erleben der Wildnis, die Entwicklung von Fertigkeiten, das Erwecken von Ehrfurcht und Grenzgefühl – all dies wird in der Jugend das Gefühl einer verlorenen Weite, von Raum und Stolz, neu entfachen. Die Teilnahme an der Wildnis, der Aufbau von Kameradschaft und Körperkraft, all das ist nicht nur innerlich wertvoll, sondern wirkt auch nach außen hin – als Zeichen, als Bild, das anderen Mut macht. Natürlich wird jede solche Organisation – das muß man wissen – von Agenten, Spionen und Feinden durchsetzt sein, und deshalb ist es unerläßlich, jede Sprache oder Symbolik der Gewalt strikt zu meiden und jeden sofort auszuschließen, der solche Tendenzen zeigt oder gar dazu aufruft, idiotische »Aktionen« zu starten. Zugleich jedoch können und sollen solche Gruppen Kampfsportarten pflegen, Selbstverteidigung lernen, Ringerclubs gründen, Boxhallen aufbauen, vor allem in Städten, wo dies auch der Jugend einen Anlaufpunkt bietet.
Das Risiko ist beträchtlich, ja – aber nicht so groß, daß es lähmen müßte. Und vielleicht wird es sogar möglich sein, durch ein entschieden friedliches, gesundes und lebensbejahendes Auftreten, durch die Förderung von Kraft und Anmut, sogar einige der »Feds« selbst auf die eigene Seite zu ziehen – auch sie sind Menschen, auch sie spüren den Niedergang, auch sie können sich bessern. Es wäre eine Bewegung des Friedens, der Schönheit, der Disziplin, des Lebens. Die Rechte könnte in diesem Zusammenhang sehr leicht die Doktrin der Nichtintervention übernehmen, außenpolitischen Rückzug fordern, und zugleich sich den Naturschutz zu eigen machen – das wären echte Erfolge, und es würde helfen, junge Menschen für diese Sache zu gewinnen. Ich würde darüber hinaus sehr davon abraten, offenen Rassismus unnötigen Ausmaßes zu betreiben – insbesondere durch die gezielte Ausgrenzung einzelner freundlicher Vertreter anderer Rassen. Das ist nicht notwendig, und es bringt nichts. Es ist völlig ausreichend – und auch wirkungsvoller –, sich klar und offen an weiße Jugendliche zu richten, sie die Größe ihrer Geschichte, ihre literarischen Traditionen zu lehren und ihnen eine Perspektive des Stolzes zu geben. Doch eines muß unbedingt beachtet werden: Frauen dürfen unter keinen Umständen Teil solcher Gruppen sein. Sie müssen auf eigene Gruppen verwiesen werden. Ihre Anwesenheit würde unweigerlich zur Zerstörung der gesamten sozialen Funktion führen, allein schon deshalb, weil sie sexuelle Konkurrenz einführt und weil es ihrer Natur entspricht, auf die verirrte Ritterlichkeit der Männer zu spielen und Reibungen zum eigenen Vorteil zu nutzen.
Eine solche Bewegung, wenn sie wächst, kann und soll sich an konkreten Aufgaben der Wohlfahrt und Erneuerung beteiligen: etwa Hilfe für Opiatsüchtige durch Zugang zu Sporthallen und Lebensberatung, Hilfe für einsame alte Menschen, Sauberhaltung von Straßen und Parks. Dies alles wäre sichtbare soziale Arbeit, sie würde das Bild festigen und stärken. Wenn eine gewisse Basis aufgebaut ist, kann man darüber hinaus beginnen, auch Raum in den Städten einzufordern: Patrouillen in der U-Bahn, Präsenz im öffentlichen Raum, so wie es bei der Identitären Bewegung zu sehen war – doch das darf erst geschehen, wenn der Boden bereitet und die öffentliche Sympathie vorhanden ist. Der Druck wird kommen. Es wird Angriffe geben – medial, politisch, rechtlich. Doch was zählt, ist nicht, was gesagt wird, sondern ob es geglaubt wird. Und wenn die Bewegung echt ist, wenn sie fest, friedlich, vital, schön und integer ist, dann werden die Angriffe selbst ihre Gegner als jene haßerfüllten Paranoiden und Häßlichen entlarven, die sie sind.
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Das Äquivalent des Memes im Bereich politischer Aktion ist der Streich – und du darfst die Macht eines gut gemachten Streichs auf keinen Fall unterschätzen. Manchmal genügt schon etwas so Kleines wie ein gut platzierter, witziger Slogan, ein ironisches Plakat, ein kleines Banner – alles, was aus dem Nichts auftaucht, Unruhe stiftet, Irritation erzeugt, aber gleichzeitig den Gegner zwingt, sich zu offenbaren. Diese Aktionen müssen nicht durch eine formelle Gruppe gedeckt oder koordiniert werden – im Gegenteil: Sie funktionieren am besten, wenn du sie allein oder mit wenigen Freunden ausführst, im Verborgenen, unangekündigt, spontan, aber mit klarem Ziel. Die Kampagne zur Forderung eines Pitbull-Verbots war ein gutes Beispiel für gelungenes reales Trolling. Auch die »It’s OK to be white«-Aufkleber waren anfangs ein wirkungsvoller Streich, eben weil sie die Gegenseite zwangen, ihre irrationalen Reflexe offen zu zeigen. Erst als einige begannen, diese Aufkleber mit obskuren Logos oder bedrohlichen Schriftarten zu versehen, wurde die Wirkung zerstört – denn dann hatte der Gegner endlich das »rechte« Feindbild, das er brauchte, um zu reagieren. Der Sinn solcher Aktionen ist derselbe wie bei memetischer Samisdat-Propaganda: Den Feind lächerlich machen, seine moralische Hochstellung zerstören, seine Schwäche, Häßlichkeit, seine Pedanterie und geistige Sklerose offenlegen – das ist der eigentliche Zweck.
Es kann dabei hilfreich sein, dich selbst oder deine Aktion im gegenteiligen Licht zu zeigen: frisch, lustig, lebensbejahend, schön. Es ist aber nicht zwingend notwendig, solange du es schaffst, den Gegner zu zwingen, sich in einer Weise zu äußern oder zu verhalten, die ihn der Öffentlichkeit als das zeigt, was er ist. Trump war ein Meister dieses Spiels – auch wenn es nicht besonders schwer ist. Immer wieder zwang er seine Gegner dazu, sich auf die Seite von Mördern, Gesetzlosen, verfallenen Elementen, von offenen Bandenmitgliedern und Kriminellen zu schlagen – und das oft genug öffentlich. Das ist der Trick: Sie dazu bringen, ihre Sympathien für die niedrigsten Formen der Gesellschaft offen auszudrücken.
Die Hommen in Frankreich, eine traditionalistische, männlich ausgerichtete Antwort auf die Femmen, sind ein gutes Vorbild für elegante und dennoch subversive öffentliche Aktionen. Sie arbeiteten mit Masken, sie hielten ihre Identitäten verborgen – und das aus gutem Grund. Anonymität ist bei solchen Unternehmungen keine Schwäche, sondern Bedingung des Erfolgs. Denn der Feind besitzt weiterhin die Städte, die Polizei, die Staatsanwaltschaften. Er kann das Gesetz nach Belieben beugen und dich in ernste Gefahr bringen – besonders dann, wenn du ihm vorher Gelegenheit gibst, sich vorzubereiten. Daher ist jede »angekündigte« Aktion, jede öffentliche »Demonstration«, jede politische Kundgebung von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Das Regime lebt davon, daß du dich zeigst – denn dann kann es dich zermalmen, dich bloßstellen, dich lächerlich machen oder kriminalisieren. Umgekehrt heißt das: Je weniger du dich öffentlich zeigst, desto größer wird dein Handlungsspielraum.
Du mußt natürlich jede Form von Gewalt und selbst Andeutungen davon unbedingt vermeiden. Sie wollen dich in diese Falle locken – und sie haben lange Erfahrung damit. In kleinen Gruppen, mit Männern, die du selbst kennst, die du über Jahre kennengelernt hast, ist es viel einfacher, die Gefahr zu kontrollieren. Du kannst abschätzen, wer zu viel redet, wer verrückt ist, wer vielleicht nicht loyal oder gar ein Agent ist. Und du kannst den einen oder anderen unauffällig ausschließen, bevor er Schaden anrichtet. Vergiß bei alldem nie das Ziel: den Feind zu entlarven, seine Dummheit, seine Autorität, seine leere Macht, seinen kriechenden Autoritarismus, seine Bestechlichkeit.
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Die Freunde, die du findest, sind weit wichtiger als jede Freundin oder Ehefrau, die du je haben wirst. Und das sage ich nicht, weil du Frauen verachten sollst – im Gegenteil: Gerade eine Frau wird dich umso mehr bewundern, wenn du nicht von ihr abhängig bist, wenn sie spürt, daß du dich einer größeren Sache verschrieben hast und sie nicht dein Zentrum bildet. Das sollte nicht dein Motiv sein, aber es ist ein zusätzlicher Vorteil. Sobald sie spürt, daß sie dein »Alles« ist, deine »beste Freundin«, wird sie dich verachten. Das größte ungenutzte Potenzial, das Nationalisten und andere Verbündete gegen den Feind haben, liegt in der Tatsache, daß dieser die Romantik zerstört und sexuelles Chaos gesät hat. Unsere Eltern und Großeltern tragen einen Teil der Verantwortung dafür, aber es sind die heutigen Herren der Lügen, die dieses System bewußt als ihr größtes Kontrollinstrument einsetzen. Genau das ist daher der wirksamste Zugang, um Männer – und nicht wenige Frauen – auf die Verdorbenheit und Knechtschaft unserer Zeit aufmerksam zu machen. Aber ich warne: Wer allein aus diesem Grund handelt, ist unzuverlässig. Eine »Beta-Revolution« wird es nicht geben – und Betas sind käuflich. Gib ihnen nur ein halbwegs hübsches Mädchen oder die Illusion eines geregelten Lebens, und schon sind sie bereit, alles zu verraten.
Ich habe es wieder und wieder gesehen: Männer, durchaus intelligent, nicht schlecht gebildet, aber innerlich schwach und zu sehr von Frauen eingenommen, haben jeden höheren Impuls aufgegeben, sobald sich ihnen eine einigermaßen akzeptable Partnerschaft bot. Es beunruhigt mich, wie viele glauben, dieses Leben – Familie, Kinder, Vorgarten – sei nicht nur ihre persönliche Rettung, sondern auch ein Beitrag zur »Rettung der Rasse«. Das ist lächerlich. Heirate, wenn du willst, habe Kinder, wenn du es wirklich fühlst – aber tue es nicht als politische »Aussage«. Du selbst wurdest auch nicht als Teil eines demographischen Krieges geboren, und es ist unwürdig, so zu leben. Dieser Kampf wird nie durch bloße Vermehrung gewonnen. Der Gedanke, weiße Völker sollten anfangen, wie entwurzelte Analphabetenhorden aus Bangladesch oder dem Niger sieben Kinder pro Frau zu produzieren, ist nicht nur absurd – er wäre selbst dann absurd, wenn er realistisch wäre. Aber er ist es nicht. Und er sollte es auch gar nicht sein.
Die Zivilisierten – Europäer, Japaner, die Völker mit einem inneren Sinn für Ordnung, Schönheit, Raum, Freiheit – sind fast immer in der Minderheit gewesen. Das war nie ein Problem. Einwanderungsbeschränkungen, verbunden mit maßvoller, gut vorbereiteter Rückführung, würden völlig genügen, um die Heimatländer zu sichern. Wenn die Lage schlimmer wird – und sie wird es –, wird die Demokratie ohnehin verschwinden und durch schärfere Formen der Herrschaft ersetzt werden. Autisten mit oder ohne Familie sind in einer Welt von Milliarden irrelevant. Die europäischen Völker haben zusammen hunderte Millionen, und von »Aussterben« kann keine Rede sein.
Wenn du also heiraten willst, dann tue es – aber nicht als Zeichen des Widerstands, nicht aus Trotz oder als Geste politischer Identität. Tue es, weil du eine Frau liebst, mit wirklicher Lust und Zuneigung. Frauen sollen dasselbe tun: sich hingeben, wenn sie wirklich begehren. Wähle klug – nach Biologie, nach Seele, nicht nach irgendwelchem ideologischen »Match«. Wisse: Der Intellekt kommt von der Mutter, der Charakter vom Vater. Aber täusche dich nicht: Eine Familie zu gründen ist kein Sieg. In den meisten Fällen ist es das Ende. Für viele Männer bedeutet Familie das Verlöschen ihrer Kräfte – Pflichten, Sorgen, Routine, die Liebe wird stumpf, der Blick trübe, der Wille schwach. Und wenn du es dennoch tust – was nicht falsch ist –, dann höre nie auf, auch der zu sein, der du davor warst.
Denn die Freundschaften, die du im Dienst der Sache geschlossen hast, sind größer als alles andere. Sie sind das wahre Wunder dieser Jahre, die eigentliche Quelle des kommenden Aufbruchs. Vergeßt nie, was ihr gemeinsam entdeckt habt. Vergeßt nicht die Begeisterung, mit der ihr Texte gelesen, Ideen ausgetauscht, euch in der Dunkelheit gegenseitig Licht gegeben habt. Das Band, das Männer im Kampf um etwas Höheres verbindet, hebt euch hinaus aus dieser Welt der Schatten, der Schwerkraft und lähmenden Müdigkeit.
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Sich allzu sehr um Essen, Ernährung und insbesondere um Gesundheit zu sorgen, mag als unmännlich erscheinen – als eine neurotische, hypochondrische Sorge, wie man sie eher bei alten Jungfern erwarten würde. Doch die Welt ist heute weit giftiger als je zuvor. Fast alle Lebensmittel werden zentral verarbeitet, in Lagern aufbewahrt und mit Mykotoxinen und zahllosen anderen Schadstoffen versetzt, die dein Wesen langsam zersetzen. Daher ist es notwendig, dich so gut wie möglich davor zu schützen. Gastrus – obwohl teuer – hat vielen von uns großen Nutzen gebracht. Auch Kokosöl kann ich empfehlen, ebenso wie die Sonne. Wenn du kein Sumpftrottel bist, dessen Vorfahren unter permanentem Dämmerlicht in Nordwesteuropa hausten, wirst du normalerweise in der Lage sein zu bräunen – und die Wirkung der Sonne ist vielfältig und durchweg gut. Du hast keine Ausrede! (Diejenigen, die nicht bräunen können, müssen mit Vitamin D3 und einigem mehr supplementieren.) Du beginnst mit zehn Minuten in der Mittagssonne, steigerst dich allmählich; dreißig Minuten am Tag genügen in der Regel. Über das Bräunen wird viel gelogen, doch in den Tropen sieht man: Selbst dunkelhäutige Menschen wirken kränklich und fahl, wenn sie das Sonnenlicht meiden. Du bist dazu bestimmt, die Sonne zu verehren. Erinnre dich an das Lied von New Order!
Daß du Gewichte heben mußt, versteht sich von selbst – und es gibt viele Programme dafür, je nach Körper, Veranlagung und Zielsetzung. Im Allgemeinen empfiehlt es sich, zuerst Fett zu verlieren, bevor du an Muskelaufbau denkst, aber das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein Regiment aus Sonne und Stahl ist jedenfalls unerläßlich – für deine Stimmung, deine Ausstrahlung, für den Respekt von Männern, für das Interesse der Frauen und vor allem zur Vorbereitung auf Kampf und Krieg. In den griechischen Stadtstaaten war es nur den Bürgern erlaubt, Gewichte zu heben und im Gymnasion zu arbeiten: Sklaven war dies untersagt. Kein Wunder also, daß die Roboter von Babylon in unserer Zeit versuchen, Männer-Fitneßstudios zu verbieten.
Das jämmerliche Scheitern der sogenannten »Swole-Left«, eines völlig künstlichen Konstrukts, das gezielt und koordiniert von offiziellen Organen der Linken lanciert wurde, ist sehr aufschlußreich: Es ist heute schlicht unmöglich, »swole« und gleichzeitig links zu sein. Denn jeder Mann, der seinen Körper durch Sonne und Stahl formt, wird sich unweigerlich vom modernen linken Programm der Dekrepitheit und ressentimentgeladenen Monstrosität entfernen. Sie wissen das – und sie fürchten es. Ich muß diese Feststellung nun am Ende dieses kurzen Manifests machen: Viele Menschen sind Haustiere – und zufrieden damit. Ich aber spreche zu den Männern, die sich von dieser Käferwelt erstickt fühlen.
Zu allen Zeiten versuchen Menschen, einander zu domestizieren. Sprache wird gebraucht, um andere zu unterwerfen, um durch Täuschung zur Zähmung zu bringen. Ideen, Argumente, Geschichten werden zum gleichen Zweck erfunden. Die moderne Welt unterscheidet sich in dieser Hinsicht in nichts von irgendeiner elenden Stammesgesellschaft. Ich bin sicher, daß Europa vor der Bronzezeit, vor dem Kommen der Arier, ebenso beschaffen war wie das heutige: Die Menschen lebten in gemeinschaftlichen Langhäusern und wurden wahrscheinlich von fetten Mammis regiert, die ihnen Sozialismus und Feminismus eintrichterten.
Die meisten sogenannten Männer aus jener Zeit waren wohl nicht anders als der heutige linke »Herbivore«, der keine Gewichte hebt – und genau deshalb konnten solche Gesellschaften so leicht unterworfen werden. Die Linke weiß, daß sie schwach und lahm aussieht – weil sie es ist. Sie weiß, daß sie der Jugend nichts zu bieten hat außer Unterwerfung und Predigten. Sie weiß, daß sie unsexy und steif ist. Wenn linke Männer tatsächlich anfangen Gewichte zu heben und Schönheit zu verehren, werden sie gezwungen sein, die Linke zu verlassen. Der Käfer-Mensch gibt vor, von Mitgefühl getrieben zu sein, doch in Wahrheit wird er von titanischem Haß auf das Schöne und Wohlgestaltete angetrieben. Er will die Schönheit unter einem Morast allgegenwärtiger Häßlichkeit und Müll begraben.
So viel des Pazifiks und der einst reinen Ozeane ist heute voller Abfall und Plastik. Dieser Müll strömt aus Städten, die auf Haufen unvorstellbaren Drecks erbaut sind. Die Gewässer sind durch Antibabypillen und geistverändernde Drogen vergiftet, ausgeschieden von fetten Bestien, die sich mit Maissirup vollstopfen. Und natürlich gibt es die Häßlichkeit der Menschen. Und sie wird noch häßlicher mit den überfüllten, unhygienischen Städten unserer Zeit – wimmelnde Massen zwergenhafter Zombies, importiert aus den fliegenverseuchten Toiletten der Welt für Sklavenarbeit und politische Agitation.
Die Menschen fühlen, daß sie dem nicht entkommen können. Sie wissen, daß dies eine aggressive Methode zur Demoralisierung und Unterwerfung ist. Wenn ich meine Bilder der Vitalität im klaren Licht eines hellen Mittags poste, fühlen sie eine Last von sich genommen. Viele empfinden es, als seien sie der Schwerkraft dieser Müllwelt entkommen und in eine Zeit zurückgekehrt, als die natürliche Schönheit des Menschen noch gezeigt werden durfte – als Ausdruck eines freien Lebens, das seine Kräfte entfaltet.
Ich glaube an das Recht der Natur. Ich bin gelangweilt von Ideologie und Wortklauberei – die Bilder, die ich poste, sprechen für sich. Sie weisen auf eine ursprüngliche Ordnung, die jeder körperlich fühlen kann. Wenn ich oder meine Gefolgsleute mächtige, schöne Bilder gottgleicher Männer posten – von unglaublicher Jugend und Vitalität –, knirschen unsere Feinde vor Neid und Haß mit den Zähnen, während wir erhoben und inspiriert werden.
Die Überlegenen, wie der gutaussehende Alexander, üben eine fast magische Anziehungskraft aus, die andere um sie sammelt. Einige werden zu höheren Taten angeregt, andere zu anderen Aufgaben gezogen, aber alle kleinlichen Sorgen vergehen. Nichts muß erklärt oder ausformuliert werden – kein Bedürfnis, dies mehr zu intellektualisieren als die natürliche Anziehung, die Wölfe auf der Jagd für ihren König empfinden, oder Bienen für ihre Königin. Wenn ich Bilder von gottgleichen Männern wie Pietro Boselli poste, geraten viele in Ehrfurcht – und verspüren den Wunsch, nachzuahmen. Ich habe viele inspiriert, ihre Körper, ihre Kraft, ihre Seele zu stärken.
Ich habe nichts zu sagen für die frivolen Menschen, die sich – vielleicht zufällig – in Positionen des Einflusses in Regierung oder Medien wiederfinden. Auch nicht für die vielen Überflüssigen, die ihnen folgen. In den kommenden hundert Jahren, vielleicht schon früher, werden barbarische, piratische Bruderschaften diese korrupte Zivilisation hinwegfegen – wie schon am Ende der Bronzezeit.
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Der Stern des Bundes – Was wird langfristig geschehen? Ich sehe eine Zeit kommen, nicht allzu fern, da der Leviathan sich nicht mehr zusammenhalten kann. Ich glaube, die Völker werden sich aus dem globalen Sklavenprojekt, das man ihnen aufzwingen will, befreien. Doch was danach kommt, wird vermutlich ebenso unbefriedigend sein: Die Nationen entkommen der Gefahr – nur um zurückzufallen in ein friedliches, schafartiges Dasein. Man wird sie schützen müssen, damit sie nicht erneut in jene Lage geraten, in der sie sich jetzt befinden.
Doch ich glaube, daß irgendwann – vor oder nach diesen Wirren – die überlegenen Exemplare einander erkennen und sich von dieser Zivilisation abwenden werden. Sie werden ihre Festungen am Rand der zivilisierten Welt errichten, in den Tropen, von wo aus sie die Meere überwachen. Das Zeitalter der großen Piraterie wird wiederkehren. Diese Männer werden ihre Körper stählen und ihre Kriegskunst zur Vollendung bringen. Sie werden den Völkern Schutz anbieten – gegen einen Preis. Und wenn es nötig ist, werden sie ihnen einen Demagogen senden.
Von ihren Horsten wie Raubvögel blickend, werden sie über ein neues Grenzland gebieten, über ein Leben, das ihrer Art entspricht. Die Wissenschaft wird befreit sein vom Zwang, dem Komfort oder der Zerstreuung zu dienen. Große Projekte, von privaten Männern getragen, werden neu erblühen. Ihre Bastionen werden mit furchterregenden Waffen gesichert sein, ihre Antennen und Gesandten tief in das Gefüge der Völker vorgedrungen. Und dieser große Traum – er könnte sich rascher erfüllen, als du glaubst.
Mit nur wenigen Abweichungen in den Einzelheiten wäre dies das Schicksal von Executive Outcomes oder Bob Denard gewesen, hätte man sie nicht durch den Willen der europäischen Staaten gestoppt. Doch bald schon werden diese Staaten nicht mehr in der Lage sein, solche Männer aufzuhalten.
Noch aber liegt diese Stunde nicht ganz in unserer Reichweite. Zuvor muß eine große Vorarbeit geleistet werden. Ich sehe eine Zeit heraufziehen, in der einige wenige – vielleicht nur ein paar Hundert über die ganze Welt verstreut – den Pfad des großen Hinabgehens beschreiten werden. Ich habe in diesem Buch oft den Instinkt gepriesen. Doch das Leben im Niedergang verlangt etwas anderes: Wer sich dekadent fühlt, muß lernen, seinen Instinkten zu widerstehen – vor allem jenen, die zur Selbstzerstörung führen. Disziplin ist nötig, und Exzellenz – doch nicht aus Zwang, sondern aus eigenem Verlangen. Die Disziplin, die zählt, ist die, die aus dem Blut aufsteigt, nicht die aus öffentlicher Maskerade. Die Rechte hat sich durch diese Art moralischer Schaustellerei schwer geschadet.
Ein Beispiel: Viele Nachrichtendienste sind von Mormonen bevölkert – wegen ihrer »moralischen Integrität«, weil sie Lügendetektorentest bestehen, weil sie nicht leicht zu kompromittieren sind. Doch genau dies macht sie zu schlechten Spionen. In dieser Welt effektiv zu wirken, verlangt Vertrautheit mit der Unterwelt – mit dem kriminellen Milieu, mit Junkies, Huren, Spielern, Perversen aller Art. Und genau das meine ich mit dem großen Hinabgehen.
Wenn du die Fundamente dieser Müllwelt wirklich erfassen willst, mußt du hinabsteigen. Ich bin fest überzeugt, daß hierin der Schlüssel zur Umwälzung allen Verderbens liegt – und zum Werk der großen Reinigung. Ich stelle mir ein Netzwerk aus Bordellen und Spielhöllen vor, aus Pornoproduktion und kompletter Durchdringung der Lasterwelt. Ja, verstrickt in diesen Sumpf, wirst du mit dem Laster leben müssen, wirst dich darin bewegen, ihn observieren, seine Geheimnisse erfahren – und dennoch dein Ziel fest im Blick behalten müssen. Kann es eine größere und schwierigere Leistung geben?
Dies ist ein Weg für nur sehr wenige – und nur wenige werden ihm gewachsen sein. Doch diese wenigen werden die Größten ihrer Generation sein. Diese Bruderschaft wird das Laster nicht meiden, sondern es steigern, dämonische Leidenschaften anfachen, Verwirrung im Herzen der Bestie säen. Je mehr Chaos, desto schwächer der Leviathan. Stell dir eine Welt vor, in der die Menschen – gepeinigt vom endlosen Strom widersprüchlicher Behauptungen – jegliches Vertrauen in Medien, Regierung und Ärzte verlieren. Dies wäre ein Orden geistiger Ritter, wie es ihn höchstens einmal in tausend Jahren gibt.
Langsam, über zwei Generationen vielleicht, wird dieser Orden sich durch alle Abwasserkanäle der Unterwelt arbeiten, alle Ausflüsse des Leviathans übernehmen, die Gelenke seines Skeletts. Er wird die Bars, die Bordelle, die Nachtclubs, Hotels, Casinos, die Pornoindustrie – und Schlimmeres – in Besitz nehmen und die Instrumente des Lasters nicht meiden, sondern sich ihrer wie einer Waffe bedienen. Und diese Waffe ist in unserer Zeit die größte.
Denn der Leviathan erhält sich nicht durch das Laster – sondern durch dessen Normalisierung. In dieser Normalisierung liegt seine Schwäche. Sie verlangt, vieles zu beschneiden. Der neue Ritterorden aber wird das Laster für sich behalten. Aus der Tiefe steigt alle satanische Kraft des Babylon, das wir bekämpfen. Und einige Männer, deren Bund härter ist als Eisen, werden gewiß erscheinen: Männer, die in diese Welt hinabsteigen – und mit Beute zurückkehren können.
Ich weiß, daß solche Männer aus Bronze existieren. Und ich träume davon, wie sie, während sie in die Schattenwelt vordringen, den Blick fest auf den Nordstern richten. Ich stelle mir vor, wie sie das große Labyrinth durchqueren, wie ihr Geist, besessen und glühend, den schicksalhaften Stern nicht aus den Augen verliert – noch den anderen, den Zerstörer der Nationen –, und wie sie den Rückweg nicht vergessen … die Stimme nicht vergessen, die jenen flüstert, die zu hören vermögen.